Die Bundesländerzeitungen luden Christian Kern, Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache zur ersten großen Wahldiskussion. Keiner der drei glänzte, keiner hat versagt. Weiterhin gilt: Alles ist möglich, nichts ist fix.

Mehr Infos und News zur Nationalratswahl

Blicke sagten mehr als Worte. Das vielleicht spannendste an der ersten großen Wahlkonfrontation der drei Kanzlerkandidaten waren weniger die Wortgefechte zwischen Christian Kern (SPÖ), Sebastian Kurz (ÖVP) und Heinz-Christian Strache (FPÖ).

Die gab es auch, obwohl alle drei Spitzenkandidaten – nicht zuletzt dank der ebenso strengen wie souveränen Moderation von Claudia Gigler (Kleine Zeitung) und Wolfgang Braun (OÖN) – ausgesprochen kultiviert miteinander umgingen.

Wirklich spannend waren die Blickwechsel von Außenminister Kurz und Kanzler Kern. Seit die beiden Regierungskollegen sind, hatten sich die Alpha-Männer streng voneinander abgegrenzt, im Hinblick auf den unvermeidlichen Zusammenstoß.

Nun, da Kurz die ÖVP übernommen und Neuwahlen vom Zaun gebrochen hat, lässt sich die persönliche Rivalität nicht übersehen, sie blitzte in kühlen Blicken auf den jeweils anderen immer wieder auf. Schwer vorstellbar, dass die beiden eine gemeinsame Regierung bilden.

Das ist das einzige, was sich nach der heutigen Diskussion mit einer Gewissheit prophezeien lässt.

Und sonst? Hier die wichtigsten Fragen:

Gab es einen Sieger?

Jein. Es gab jedenfalls keinen Verlierer dieser ersten Runde. Alle drei Kandidaten brachten ihre Botschaften an, sie spielten ihre jeweiligen Rollen perfekt. Kanzler Kern gab erfolgreich den abgeklärten, erfahrenen Regierungsmanager:

"Was wir haben, ist gut so", erklärte er. Der Amtsinhaber warnte vor zu hohen Versprechungen der Mitbewerber (die von Kurz in Aussicht gestellte Steuersenkung um bis zu 14 Milliarden Euro hält er für unfinanzierbar).

Nur selten blitzte bei ihm Angriffslust durch. Kern spielte den elder statesman. Auch Kurz erfüllte seine Rolle gut: als Klartext-Kandidat und Reformator.

Er verwies auf die deutlich niedrigere Abgabenquote in Deutschland und der Schweiz: Derzeit sei Österreich keineswegs unter den erfolgreichsten Ländern, "aber wenn andere das schaffen, dann können wir das auch."

Wenn es einen heimlichen Gewinner gab, dann war das FPÖ-Frontmann Strache, der von vielen angesichts des Duells Kern-Kurz bereits abgeschrieben wurde.

Strache lenkte das Gespräch geschickt immer wieder auf sein Lieblingsthema Migration und überraschte durch Spritzigkeit: Er habe sich schon überlegt, eine "Vermisstenanzeige" wegen Kurz aufzugeben, da dieser bisher mehrere TV-Duelle geschwänzt hatte.

Damit erntete er die ersten großen Lacher des Tages. Später kokettierte er mit dem Außenminister: "Ich sage ja, Sie sind ein Fan von mir."

Kurz mag Kern nicht. Aber Doskozil?

Einmal mehr lobte Kurz den SPÖ-Verteidigungsminister Hans-Peter Doskozil, der im Falle einer SPÖ-Niederlage bereits als Kern-Nachfolger gehandelt wird.

Die Zusammenarbeit mit Kern sei "nicht immer einfach gewesen", mit Doskozil habe es aber immer prima geklappt, erklärte der ÖVP-Chef.

Schon vor einer Woche hatte der Verteidigungsminister viele Genossen düpiert, weil er dem "Standard" ein Doppelinterview mit Kurz gab, in dem sich die beiden sichtlich gut verstanden. Bahnt sich hier etwas an?

Was sagt Strache dazu?

Auch der FPÖ-Chef Strache roch den Braten. "Der einzige Kleber, der hält in dieser Republik, ist der rot-schwarze Proporzkleber", ätzte er.

Vergeblich versuchte er, von den beiden anderen einen "Notariatsakt" einzufordern, dass sie künftig voneinander lassen und eine rot-schwarze Koalition ausschließen mögen. In seltener Einmütigkeit ignorierten Kurz und Kern den FPÖ-Chef.

Ist die FPÖ also aus dem Rennen?

Nein, betonen sowohl Kern als auch Kurz. Während Kern freilich eine gewisse Ablehnung gegen Rot-Blau durchschimmern ließ, will sich der ÖVP-Chef alle Optionen offen lassen.

Hier zog sich Kurz clever aus der Affäre: "Strache warnt vor Schwarz-Rot, Kern vor Schwarz-Blau", erklärte er. "Ich spare mir das. Der erste soll den Regierungsauftrag bekommen und dann schauen, mit wem er am meisten umsetzen kann."

Und wie ist das jetzt mit Rot-Blau?

Ganz ausschließen will auch Amtsinhaber Kern eine Koalition mit den Freiheitlichen nicht. "Jedes Wahlergebnis wird sich eine Koalition suchen."

Sollte er nach der Wahl am Zug sein und mit der FPÖ genügend inhaltliche Überschneidungen finden, sei auch diese Variante denkbar. Freilich: Dazu müsste die SPÖ am Wahltag vorne liegen.

Denn Kern bekräftigte einmal mehr seine Absicht, als Zweiter in die Opposition zu gehen. Genüsslich stellte Strache die Frage, ob Kern dann wohl noch Parteichef sein werde – und damit in der Position, darüber zu bestimmen. Stichwort Doskozil.

Wo sind sich alle drei einig?

Abgesehen von der Frage, wer von den dreien den besten Kanzler abgeben würde, waren sich Kern, Kurz und Strache in erstaunlich vielen Punkten einig. Etwa darin, dass Flüchtlingskrisen am besten in den Heimatländern verhindert werden könnten.

Unterschiede gab es in der Frage nach dem Wie. Kern plädierte für einen "Marschallplan" für besonders arme oder von Kriegen betroffene Länder: "Wir müssen die Leute vor Ort füttern und ernähren." Kurz stellte klar, dass solche Maßnahmen nicht zulasten der österreichischen Wirtschaft gehen dürften.

Und Strache plädierte für wirtschaftliche Erleichterungen in den Heimatländern. Der Zerstörung der afrikanischen Landwirtschaft müsse Einhalt geboten werden. Auch die von Kurz immer wieder geforderte Schließung der Mittelmeerroute steht für alle drei außer Frage.

Was bleibt von dieser Diskussion?

Am Ende war es wohl für alle drei Kandidaten eine erste Aufwärmrunde. Wirklich geglänzt hat keiner von ihnen, ein grober Schnitzer ist aber auch keinem unterlaufen. Wahlentscheidend dürfte diese Veranstaltung nicht gewesen sein.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.