Mit der Facebook-Affäre wird der Wahlkampf immer mehr zum Gefecht. Eine vom "profil" veröffentlichte SMS-Korrespondenz soll den Sprecher von Sebastian Kurz belasten. Der schildert seine - ganz andere - Sicht der Dinge. Die ÖVP klagt die SPÖ und Puller. Die SPÖ erstattet ebenfalls Anzeige - und fordert Kurz' Rücktritt.

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Nachdem bekannt geworden war, dass der Ex-Berater der SPÖ, Tal Silberstein, hinter den manipulierten Facebook-Seiten stand, die ÖVP-Spitzenkandidat Sebastian Kurz verunglimpfen sollten, gab es am Donnerstagabend einen weiteren Paukenschlag. Der Kompagnon Silbersteins, PR-Experte Peter Puller, meldete sich zu Wort: Sebastian Kurz' Pressesprecher habe ihm 100.000 Euro geboten, damit er zur ÖVP wechsle und Details aus der SPÖ-Kampagne preisgebe. Die Vorwürfe könne er anhand von einer SMS-Korrespondenz mit dem ÖVP-Sprecher belegen.

SMS-Nachrichten sollen Kurz-Sprecher belasten

Eben diese angeblichen SMS-Nachrichten veröffentlichte am Freitag das Nachrichtenmagazin "profil". Sie sollen laut Puller belegen, dass die ÖVP ihm 100.000 Euro geboten haben soll, um die Seiten zu wechseln und Details der SPÖ-Kampagne zu verraten. "Können über Honorar für PR reden", heißt es in einer SMS.

Puller habe demnach den Kurz-Sprecher Gerald Fleischmann am 17. Juli in dessen Büro im Außenministerium besucht. Die Initiative sei von Fleischmann ausgegangen. Im Verlauf des Vieraugengesprächs soll dieser zunächst auf das Ausschalten des Handys bestanden haben, ehe er laut Puller auf einem Zettel sinngemäß notierte: "Wir wissen, dass du für die Sozis arbeitest. Wir bieten dir bis zu 100k, wenn du wechselst."

Es sei klar gewesen, dass es um Infos aus der SPÖ-Kampagne gehe, so Puller. Er habe entgegnet, dass er diese Informationen nicht liefern könne.

Einige Zeit später soll per SMS ein weiteres Treffen vereinbart worden sein. "Schlage vor wir treffen uns in erster Augustwoche, vielleicht weißt Du da schon was und wir können gleich über Honorar für PR reden, lg", heißt es in einer SMS des Pressesprechers, das "profil" im Faksimile zeigt.

Kurz-Sprecher veröffentlicht Gedächtnisprotokoll

Fleischmann bestätigte zwar am Freitag in einem Gedächtnisprotokoll das Treffen mit Puller sowie die SMS, warf dem Silberstein-Mitarbeiter aber eine Verdrehung der Tatsachen vor.

Erste Silberstein-Aktivitäten seien durch einen "Presse"-Bericht im Jänner bekannt geworden. Dort hieß es, Silberstein ließe in Kurz' privatem Umfeld herumschnüffeln. In den Monaten danach seien Informationen über Silbersteins geplantes Dirty Campaigning an ihn herangetragen worden, berichtete Fleischmann am Freitag. Etwa sollte angeblich eine Künstlerin für eine falsche Anschuldigung über Kurz in einem ausländischen Medium bezahlt werden.

Auch hätten Kabinettsmitarbeiter aus dem Umfeld der ÖVP berichtet, dass Puller sie kontaktiert hätte und ihnen sein auffälliges Nachfragen und Aushorchen aufgefallen sei.

"Da bekannt war, dass Puller bereits 2015 mit Silberstein für die Neos in einer Kampagne gearbeitet hatte, lag der Verdacht nahe, er könnte auch jetzt mit Silberstein zusammenarbeiten und gegen Sebastian Kurz arbeiten. Ich nahm daher auf eigene Initiative Kontakt auf, um ihn zur Rede zu stellen. In einem Treffen Mitte Juli konfrontierte ich Puller mit dem Vorwurf, er würde für Silberstein arbeiten", so der Pressesprecher von Sebastian Kurz.

Gerald Fleischmann: "Habe ihm nicht 100.000 Euro geboten"

"Ja, ich wollte in diesem Gespräch, dass ans Tageslicht kommt, wie hier gegen meinen Chef vorgegangen wird", erklärt Fleischmann weiter, "ja, ich wollte in diesem Gespräch Puller überreden, doch wieder für uns aktiv zu sein und nicht gegen uns. Nein, ich habe ihm nie 100.000 Euro geboten, sondern ihn lediglich mit der Tatsache und einer handschriftlichen Notiz von mir konfrontiert, dass ich glaubhafte Informationen hatte, dass er für die SPÖ arbeitet und über Tal Silberstein unseres Wissens dafür eine Summe von bis zu 100.000 Euro erhält."

Puller habe seine Tätigkeit für die SPÖ und Silberstein vehement abgestritten. "Ich habe ihm das geglaubt", so Kurz' Pressesprecher. Puller bestätigte jetzt auch in der ZiB2 und im Ö1-Morgenjournal, dass "er mir damals die Unwahrheit gesagt hat."

Puller habe aktiv angeboten, sich umzuhören, ob schmutzige Geschichten gegen Sebastian Kurz geplant seien, wenn er etwas höre, würde er sich melden. Man habe über mögliche Kooperationen gesprochen, "nachdem ich ihm fälschlicherweise am Ende des Gesprächs geglaubt hatte, dass er nicht für die SPÖ oder Silberstein arbeitet."

Im August habe Puller bei einem weiteren Treffen jegliche Zusammenarbeit mit der SPÖ und Silberstein verneint - was der Pressesprecher ihm glaubte. Schon allein deshalb hätte es im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für die SPÖ kein Angebot der ÖVP geben können. Pullers "Verdrehung der Tatsachen" sei der Gipfel von Dirty Campaigning.

ÖVP klagt SPÖ und Peter Puller

Bei der ÖVP schäumt man. Nicht nur Fleischmann kündigte an, sich rechtlich zur Wehr zu setzen. Auch ÖVP-Generalsekretärin Elisabeth Köstinger bestritt am Freitag die Vorwürfe. "Das Maß ist voll, wir klagen", sagte sie.

Klagen will die ÖVP sowohl die SPÖ als auch Puller selbst. Den Sozialdemokraten warf Köstinger Verhetzung und Verstoß gegen das Verbotsgesetz aufgrund teils antisemitischer Facebook-Seiten im Wahlkampf vor.

Bei der ÖVP sei die angebliche Korrespondenz nicht bekannt, sie vertaue hierbei auf die Aussagen ihrer Mitarbeiter.

Auch SPÖ will klagen

Die SPÖ verlangte am Freitag den Rücktritt von Sebastian Kurz - zumindest als Außenminister. Zudem brachte die Partei eine Sachverhaltsdarstellung gegen Fleischmann ein. Wie Bundesgeschäftsführer Christoph Matznetter ausführte, gehe es dabei um den Verdacht der Bestechung sowie der Werksspionage. Von der Staatsanwaltschaft erwartet sich die SPÖ nun die unverzügliche Einvernahme Fleischmanns.

Matznetter erinnerte daran, dass sein Vorgänger Georg Niedermühlbichler zurückgetreten sei, obwohl nicht einmal strafrechtliche Vorwürfe gegen einen seiner Mitarbeiter vorlägen. Von der ÖVP erwarte er sich, dass die zuständigen Personen wenigstens 50 Prozent dieses Anstands an den Tag legten.

Dass zwischen Fleischmann und Puller Aussage gegen Aussage steht, ficht Matznetter nicht an: "Ich weiß nicht, wer jetzt wo die Wahrheit sagt." Fakt sei, dass Puller ausgesagt habe, dass ein Bestechungsversuch von Kurz-Sprecher Fleischmann vorgenommen worden sei. Daher sei jetzt die Staatsanwaltschaft gefordert. Mit der SPÖ habe das alles im übrigen nichts zu tun, handle es sich bei Fleischmann doch um einen ÖVP-Mitarbeiter und bei Puller um einen früheren der NEOS.

Sebastian Kurz fühlt sich "mit Dreck beworfen"

Sebastian Kurz meldete sich am Freitag via Live-Video bei Facebook zu Wort: "Tal Silberstein ist der Weltmeister des Dirty Campaigning und im Anpatzen anderer", sagte Kurz. Er sprach von einer ganz neuen Dimension: "Es gibt einfach Menschen, die skrupellos sind. Tal Silberstein ist sicherlich einer der besten und teuersten, die man weltweit anmieten kann. Die SPÖ hat sich entschieden, Tal Silberstein anzuwerben und auf Dirty Campaigning zu setzen."

Dieses Ausmaß habe er aber nicht erwartet. "Was mich in diesem Wahlkampf am meisten ärgert, dass man sich gefallen lassen muss, dass man von vorne bis hinten mit Dreck beworfen wird", erklärte Kurz. Er habe in der Politik immer für die Sache gekämpft, denn er wolle so einen Stil in Österreich nicht. Seine Anhänger versuchte Kurz zu beruhigen: "Ich würde vorschlagen, wir lassen uns von all dem nicht beeinflussen und gehen unseren Weg. Wir wollen diese Wahl gewinnen."

(af/APA)  © APA

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