Manche nannten ihn zum Amtsantritt "Alpen-Obama". Christian Kern wirkt smart, elegant, eloquent. Österreichs Kanzler gilt als Macher. Doch nach seinem ersten Jahr im Amt ist Rot-Schwarz am Ende.
Tiefer konnten Österreichs Sozialdemokraten kaum fallen: Die SPÖ-Feier zum 1. Mai ging im Pfeifkonzert der Genossen unter, ihr Präsidentschaftskandidat scheiterte im 1. Wahlgang mit 11,3 Prozent, die SPÖ-geführte Koalition bekam katastrophale Noten. Mit dem fälligen Rücktritt von Österreichs Kanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann war vor einem Jahr der Weg frei für
Dem 51 Jahre alten Bahn-Manager waren schon lange Macht-Ambitionen unterstellt worden. Zum Amtsantritt am 17. Mai 2016 ließ er mit ungehörten Tönen aufhorchen: "Wenn wir dieses Schauspiel weiterliefern, ein Schauspiel der Machtversessenheit und der Zukunftsvergessenheit, dann haben wir nur noch wenige Monate bis zum endgültigen Aufprall."
Kern hat die SPÖ wiederbelebt
Kern hat seitdem mit viel Geschick, mit starken Auftritten und prägnanten Sprüchen die SPÖ wiederbelebt. "95 Prozent der Politik besteht aus Inszenierung", hatte er bekannt. Substanzielle Partnerpflege - auch mal ein vertrauensbildendes Abendessen mit den ÖVP-Kollegen - scheinen seine Stärke dagegen nicht gewesen zu sein. SPÖ und ÖVP haben sich unter Kern auseinandergelebt. Statt einer ungetrübten Feier zum Jahrestag steht die Abstimmung über vorzeitige Neuwahlen in Österreich an.
Das Koalitionsklima war auf vielen Ebenen vergiftet. Ausgerechnet der zur sachlichen Kooperation fest entschlossene Vizekanzler und ÖVP-Chef
Plan "A" für Österreich
Unbestritten hat der modebewusste Regierungschef in seinem ersten Jahr vielfach "bella figura" gemacht. Smart, elegant, unverbraucht, visionär und auftrittssicher war der Vater von vier Kindern bejubelter Star bei Start-up-Kongressen wie Parteitagen gleichermaßen. Denkwürdig sein Auftritt im Januar in der Messehalle in Wels, einer Hochburg der rechten FPÖ, als er in einer fast zweistündigen Ruck-Rede seinen "Plan A" für Austria präsentierte: "Machen wir unser Land wieder stark", rief der Ex-Manager den Genossen zu. Seine Botschaften scheinen zu verfangen. Die SPÖ klettert inzwischen auf lange ungekannte Umfragewerte von fast 30 Prozent - und überflügelt damit teils auch die FPÖ.
Die Rechtspopulisten hat Kern gleich zweifach im Visier: Mit markanten ausländerkritischen Vorstößen - er ist für Kürzungen der Familienbeihilfe für Ausländer - will er einstige SPÖ-Wähler von der FPÖ zurückholen. Obendrein hat Kern grundsätzlich eine Wende im Verhältnis zur FPÖ auf den Weg gebracht. Eine Kommission soll Kriterien für eine etwaige Koalition mit der Partei von Heinz-Christian Strache festlegen. Das jahrzehntelange Berührungsverbot zwischen Roten und Blauen ist passé.
Kern schreibt sich Trendwende auf die Fahnen
Inhaltlich schreibt sich Kern vor allem die Trendwende bei der Arbeitslosigkeit auf die eigenen Fahnen. Die Negativrekorde auf dem Arbeitsmarkt scheinen vorerst vorbei. Das Land spürt nach Analysen der Wirtschaftsinstitute wieder Rückenwind. So beurteilt die Oesterreichische Nationalbank die Chancen für ein solides Wachstum zur Jahresmitte 2017 inzwischen als "sehr gut". Gestützt wird die Entwicklung durch ein jüngst beschlossenes Beschäftigungsprogramm im Umfang von zwei Milliarden Euro.
In der Tat lieferte die Koalition trotz aller Blockaden manche Ergebnisse. "Es gibt einen Arbeitsprozess, der sehr gut funktioniert", sagte Kern noch vor wenigen Tagen im Interview des Privatsenders "Puls 4". Allerdings hatte er selbst Ende Januar die ÖVP ultimativ zur besseren Zusammenarbeit aufgerufen und damit eine veritable Regierungskrise ausgelöst. Nach wenigen Tagen legten beide Parteien überraschend ein vielfach gelobtes überarbeitetes Regierungsprogramm vor. "Das alles verschwindet hinter dem großen Streit", ärgerte sich Kern.
Seine Lebenspläne hat der Ex-Manager gleich zu Beginn seiner Amtszeit umrissen: "Für mich ist die Aufgabe hier ein Projekt für zehn Jahre. Ich glaube, dass ich von Verlustängsten, wie sie Politiker oft haben, persönlich frei bin." Seine Frau sei erfolgreiche Unternehmerin. "Zur Not werde ich dann dort Handlangerdienste leisten", kokettierte er. © dpa
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