Die Turbulenzen in der Wiener Partei schaden der SPÖ im Wahlkampf mehr als die taktischen Schnitzer von Christian Kern. Auch die Rücktritts-Ankündigung von Bürgermeister Häupl ändert nichts am Grundproblem: Die Wiener Roten sind nicht mobilisierungsfähig.
In diesen Tagen sind gute Nachrichten für die SPÖ Mangelware. Umso mehr freuten sich manche Genossen über die jüngste Umfrage, die das Wiener Meinungsforschungsinstitut Unique Research im Auftrag des Nachrichtenmagazins "Profil" erstellt hat.
Zwar sieht auch diese Umfrage die Volkspartei unter
Dennoch scheint es auf den ersten Blick so, als wäre die Abwärtspirale der Sozialdemokraten unter Christian Kern gestoppt. Denn im Vergleich zur letzten Umfrage konnte der Regierungschef seine persönlichen Werte verbessern.
Im Juli wünschten sich nur 25 Prozent, dass Amtsinhaber Kern Kanzler bleibt. Nun kommt er auf 28 Prozent, während die persönlichen Werte von Kurz deutlich gesunken sind: von 37 auf 32 Prozent.
Ist das der Beginn einer Aufholjagd?
Ist das womöglich der Beginn einer großen Aufholjagd? Könnte es sein, dass
"Unique Research"-Chef Peter Hajek dämpft allzu hohe Erwartungen. Von einer Trendumkehr könne keine Rede sein. "Tatsächlich waren die schlechten persönlichen Ergebnisse für Kern im Juli ein massiver Ausreißer nach unten." Dass der Kanzler nun leicht zulegt, sieht Hajek eher als Zeichen der "Normalisierung" auf niedrigem Niveau. "Von einer Aufholjagd der SPÖ kann keine Rede sein."
Dies umso mehr, da die Sozialdemokraten derzeit nur bedingt wahlkampfbereit sind. Das liegt allerdings weniger an der ausbaufähigen Performance der Bundespartei und Kern.
Dem Parteichef sind in den letzen Monaten einige Schnitzer unterlaufen: angefangen von seiner zögerlichen Reaktion auf die Neuwahlankündigung von Sebastian Kurz im Mai.
Auch das wochenlange Ringen um eine Wahlkampflinie – erst setzten die Roten auf das Thema Sicherheit bis sie dann auf soziale Gerechtigkeit als Grundmotto einschwenkten – schadete der Glaubwürdigkeit. Dann platzte noch die Affäre um den Berater Tal Silberstein, der Anfang August in Israel verhaftet wurde.
All das setzte den Sozialdemokraten zwar zu, wäre aber noch auszumerzen gewesen. Selbst doch peinliche Silberstein-Affäre habe der Kanzler-Partei nicht nachhaltig geschadet, sagt Meinungsforscher Hajek.
In Wien droht den Roten ein Fiasko
Am größten Problem ist die Bundespartei weitgehend unschuldig: Nämlich an den Kalamitäten der Wiener Partei, ohne die sie keine Nationalratswahl gewinnen kann.
Wann immer die Roten in der Vergangenheit bei Nationalratswahlen vorne lagen, dann hatten sie das dem Ergebnis in der bevölkerungsreichen Bundeshauptstadt zu verdanken, wo die SPÖ die meisten Mitglieder hat und seit vielen Jahrzehnten unangefochtene Nummer eins ist.
Gerade in Wien aber droht den Roten nun ein Fiasko. Zwar hat der Bürgermeister und Stadtparteichef Michael Häupl nun seinen seit Langem erwarteten Rücktritt mit Jahresbeginn angekündigt. Für eine Beruhigung sorgt dieser Schritt laut Hajek aber nicht. "Häupls Ankündigung hat weder eine positive noch eine negative Auswirkung." An den seit Jahren bestehenden Problemen ändere das nichts.
Die Wiener Roten sind seit geraumer Zeit tief gespalten zwischen einem linken Flügel, der in Fragen zu Zuwanderung und Mindestsicherung weitaus großzügiger agiert als der Rest des Landes. Dieser Flügel wurde durch Häupl repräsentiert, dessen Strahlkraft aber massiv gelitten hat. Nun drängt der rechte Parteiflügel an die Macht, vertreten von Stadtrat Michael Ludwig, der als aussichtsreichster Kandidat für die Häupl-Nachfolge gilt.
"Die Stadtpartei ist zerrissen zwischen diesen beiden Flügeln und kann sich auf keine klare Linie einigen", sagt Hajek. Vieles deutet darauf hin, dass eine endgültige Klärung des Richtungsstreits erst beim Parteitag Ende Jänner herbeigeführt wird.
In der Zwischenzeit ist die wichtigste Bastion der Sozialdemokratie orientierungslos, die Motivation der Basis im Keller. Für einen Intensiv-Wahlkampf, bei dem die Funktionäre für ihre Partei laufen müssen, könnte diese Frustration der einfachen Parteimitglieder tödlich sein.
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