Bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen verlieren die Ampel-Parteien deutlich. In Thüringen feiert die AfD derweil einen Triumph, während sie sich in Sachsen ein enges Rennen mit der CDU liefert. Das BSW holt derweil zweistellige Ergebnisse.

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Erstmals in der Nachkriegsgeschichte ist mit der AfD eine als rechtsextremistisch eingestufte Partei bei einer Landtagswahl stärkste Kraft geworden. In Thüringen liegt sie nach vorläufigem Endergebnis auf Platz eins.

Bei der Landtagswahl in Sachsen legt sie ebenfalls zu, landet aber knapp hinter der CDU von Regierungschef Michael Kretschmer. Aus dem Stand stark zweistellig wird in beiden Ländern das neue Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Für die Parteien der Ampel-Koalition im Bund, die fast alle an Stimmen verlieren, ist es ein bitterer Abend.

In Thüringen steigert sich die vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestufte AfD von Spitzenkandidat Björn Höcke nach Auszählung aller Wahlbezirke zufolge auf 32,8 (2019: 23,4 Prozent). Die CDU landet bei 23,6 (21,7). Aus dem Stand schafft das BSW 15,8 Prozent – und lässt damit die Linke von Ministerpräsident Bodo Ramelow weit hinter sich, die dramatisch auf 13,1 abstürzt (31,0).

Starke Verluste verbuchen die Parteien der Berliner Ampel-Regierung: Die SPD liegt mit 6,1 Prozent noch unter ihrem bislang schlechtesten Ergebnis in Thüringen von 2019 (8,2). Die Grünen scheiden mit 3,2 (5,2) aus dem Parlament aus, ebenso die FDP, für die kein gesondertes Ergebnis ausgewiesen wird (5,0).

In Sachsen steht die CDU bei 31,7 bis 31,8 Prozent (2019: 32,1 Prozent). Die AfD liegt knapp dahinter mit 30,5 bis 30,8 Prozent (27,5). Das BSW, eine Abspaltung von der Linken, erreicht aus dem Stand 11,7 bis 11,9 Prozent. Die SPD liegt bei 7,3 bis 7,4 Prozent (7,7). Die Linke erreicht 4,5 Prozent - und kommt damit auf weniger als die Hälfte der Stimmen von vor fünf Jahren (10,4).

Die Grünen sind mit 5,2 bis 5,3 Prozent (8,6) weiter im Landtag vertreten. Die FDP verpasst erneut den Einzug ins Parlament - wie schon bei den vergangenen zwei Landtagswahlen. Alle Parteien, die unter fünf Prozent liegen, können es allerdings dann in den sächsischen Landtag schaffen, wenn sie zwei Direktmandate gewinnen. Der Linken gelingt das voraussichtlich.

Selbstkritische Töne aus Ampel im Bund

Für die Ampel-Koalition in Berlin sind die Zahlen ein Desaster: Für die SPD wäre das Ergebnis in Thüringen das schlechteste Ergebnis bei einer Landtagswahl seit Gründung der Bundesrepublik. Die FDP ist in keinem der beiden Landtage vertreten. Die Grünen erleiden in beiden Ländern deutliche Verluste.

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert kündigte eine stärkere Profilierung der Sozialdemokraten an. Es gehe darum, "sich stärker zu emanzipieren". Man wolle sich "nicht mehr auf der Nase herumtanzen lassen von anderen, die krachend aus den Landtagen jetzt rausgewählt worden sind", sagte er mit Blick auf Auseinandersetzungen mit FDP und Grünen in der Ampel-Koalition im Bund.

Aus Sicht von Grünen-Chef Omid Nouripour ist der Streit mit ein Grund für das schlechte Abschneiden der Ampel-Parteien. Man müsse sich "an die eigene Nase fassen".

FDP-Chef Christian Lindner schrieb auf der Plattform X: "Die Ergebnisse in Sachsen und Thüringen schmerzen. Aber niemand soll sich täuschen, denn wir geben unseren Kampf für liberale Werte nicht auf." Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki forderte Konsequenzen für die Koalition im Bund. "Das Wahlergebnis zeigt: Die Ampel hat ihre Legitimation verloren",

BSW-Parteichefin Wagenknecht sprach von einem grandiosen Erfolg. Viele Menschen bewege das Thema Frieden zutiefst. Sie lehnten die geplante Stationierung weitreichender US-Raketen in Deutschland ab. Eine Landesregierung müsse diesen Wunsch berücksichtigen und sich auf Bundesebene dafür einsetzen. In Thüringen strebe sie kein Ministeramt an. Ihre Aufgabe sei es, das BSW mit einer starken Fraktion 2025 in den Bundestag zu führen.

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann wertete die Wahlen als Erfolg für seine Partei. Er sehe "eine echte verbliebene Volkspartei", sagte er. "Wir sind das Bollwerk."

Aus in Thüringen für Regierung Ramelow – BSW entscheidend

In Thüringen hat die bisherige rot-rot-grüne Minderheitskoalition unter Regierungschef Ramelow, die seit 2019 auf eine Zusammenarbeit mit der CDU angewiesen war, keine realistische Möglichkeit weiterzuregieren. Die AfD bleibt bei der neuen Regierung außen vor, denn die übrigen Parteien schließen eine Koalition aus.

Trotzdem sieht Thüringens AfD-Chef Björn Höcke den Regierungsauftrag bei seiner Partei. Er wolle mit den anderen Parteien über Koalitionen ins Gespräch kommen, sagte der 52-Jährige, der wegen der Nutzung einer Nazi-Parole vor einigen Wochen in erster Instanz zweimal zu Geldstrafen verurteilt wurde. Höcke verpasste ein Direktmandat in seinem Wahlkreis in Ostthüringen. Er hat jetzt noch die Chance, als Spitzenkandidat über die Landesliste ins Parlament zu kommen.

Ein Bündnis von CDU mit BSW und SPD hat nach der Landtagswahl in Thüringen keine Mehrheit. Nach dem am Sonntag von der Landeswahlleitung in Erfurt veröffentlichten vorläufigen Ergebnis kommen die drei Parteien im neuen Landtag auf 44 von insgesamt 88 Sitzen, wodurch ihnen ein Mandat zur Mehrheit fehlt. Wahlsieger ist die AfD, die künftig mit 32 Abgeordneten im Parlament sitzt. Rechnerisch ist nur ein Bündnis aus CDU, BSW und Linke regierungsfähig. Aber die Union schließt eine Regierungskoalition mit der Linken eigentlich aus.

Schwarz-grün-rot in Sachsen knapp ohne Mehrheit

Sachsen hat seit der Wiedervereinigung eine CDU-geführte Regierung – seit 2019 steht Ministerpräsident Michael Kretschmer an der Spitze einer Koalition mit Grünen und SPD. Nach den Hochrechnungen (Stand 22.15 Uhr), die von einem Einzug von Linken und Grünen in den Landtag per Direktmandatsklausel ausgehen, verfehlt die Koalition knapp die erneute Mehrheit.

Möglich wäre auch in Sachsen ein Bündnis aus CDU, BSW und SPD. Kretschmer sagte nach den ersten Zahlen, seine CDU stehe bereit, wieder Verantwortung zu übernehmen und eine stabile Regierung zu bilden. Mit der AfD, die auch in Sachsen als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wird, will keine der anderen Parteien koalieren.

Gewinnt die AfD in Thüringen und Sachsen je mehr als ein Drittel der Landtagsmandate, hätte sie eine sogenannte Sperrminorität: Entscheidungen und Wahlen, die eine Zweidrittelmehrheit erfordern, müssten ihre Zustimmung finden. So werden etwa die Verfassungsrichter vom Parlament mit Zweidrittelmehrheit gewählt. (dpa/bearbeitet von thp)

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