Die FPÖ schafft einen Erdrutschsieg, die ÖVP stürzt ab. Christopher Drexler hat dafür bereits die Schuldigen ausgemacht.
Die Steirer haben die FPÖ zur stärksten Kraft in ihrem Bundesland gemacht. Bei der Landtagswahl am Sonntag erreichten die Freiheitlichen mit laut "Foresight"-Hochrechnungen knapp 35 Prozent Platz eins.
Die ÖVP stürzte auf 27 Prozent ab, wobei Landeshauptmann Christopher Drexler dafür nur dem Bund die Schuld gab. Die SPÖ verlor wie die KPÖ leicht, die Grünen halbierten sich und die NEOS konnten ein wenig zulegen. Realistisch gibt es drei bis vier Koalitionsoptionen.
Was neben Dreier-Varianten aus Volkspartei, Sozialdemokraten und NEOS bzw. Grünen möglich wäre, ist eine Zweier-Koalition aus FPÖ und entweder ÖVP oder SPÖ. Keiner der beiden bisherigen Regierungspartner hat eine entsprechende Zusammenarbeit vor der Wahl ausgeschlossen.
Kunasek sieht Schnittmengen sowohl mit ÖVP als auch mit SPÖ - Drexler stellt Vertrauensfrage
FPÖ-Spitzenkandidat Mario Kunasek meinte am Wahlabend, man habe sowohl mit ÖVP als auch mit SPÖ Schnittmengen. Doch gebe es mit beiden ebenso heikle Themen. Die Ärmel aufkrempeln will er sofort, es gibt keinen "blauen Montag", schon am Dienstag wird er einen Fahrplan für Regierungsgespräche vorlegen.
Dabei könnte er sich durchaus Drexler gegenüber sehen. Der Landeshauptmann stellt am Montag in der ÖVP die Vertrauensfrage. Übersteht er die trotz eines Verlusts von über neun Prozentpunkten, will er auch die Koalitionsverhandlungen bestreiten.
Nicht so sicher ist das bei SPÖ-Spitzenkandidat Anton Lang. Der meinte nach dem historisch schlechtesten Abschneiden bei einer steirischen Landtagswahl von rund 21,4 Prozent mit Blick auf die morgigen Gremien: "Der Anton Lang ist schon so lange in der Politik. Der weiß, wie es in so einer Situation funktioniert und wir werden sehen, wie es mit meiner Position weiter geht."
Zwischenruf von Kickl
Während ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker, SPÖ-Bundesgeschäftsführer Klaus Seltenheim und NEOS-Generalsekretär Douglas Hoyos unisono keinen Einfluss auf die im Bund laufenden Dreier-Verhandlungen zur Bildung einer Koalition erkannten, gab es von FPÖ-Chef
Dass es in der Steiermark keine Fünf-Prozent-Hürde gibt, ermöglichte auch der KPÖ den Verbleib im Landtag. Die Kommunisten holten nur 4,4 Prozent, jedoch das notwendige Grundmandat in Graz. Gleiches gelang den Grünen, die mit halbiertem Stimmenanteil bei 6,2 Prozent landen und den NEOS, für die 5,9 Prozent ausgewertet wurden und damit ein halber Prozentpunkt mehr als vor fünf Jahren.
FPÖ sieht historisches Ergebnis
Der freiheitliche Spitzenkandidat Kunasek hätte das Ergebnis für seine Partei in dem Ausmaß nicht erwartet. Immerhin legte man mehr als 17 Prozentpunkte zu: "Es handelt sich um einen geschichtsträchtigen Erfolg der steirischen FPÖ, der auf den richtigen Kurs der letzten Jahre zurückzuführen ist."
Die ÖVP hatte für die Niederlage mit dem historisch schlechtesten Ergebnis schnell einen Schuldigen gefunden - den Bundespräsidenten, weil dieser nicht FPÖ-Chef Herbert Kickl den Regierungsbildungsauftrag gegeben habe: "Ich komme mir heute ein bisschen wie das Bauernopfer der Republik vor", klagte Landeshauptmann Drexler.
Er monierte: "Die Bundespolitik hat diese Wahl dominiert." ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker lehnte diese Interpretation ab und sah sie der Enttäuschung über das Ergebnis geschuldet. Er wäre mit Schuldzuweisungen sehr vorsichtig.
Lange Gesichter bei Lang und Co.
SPÖ-Spitzenkandidat Anton Lang übernahm die "volle Verantwortung" für das Ergebnis. Natürlich habe es Bundeseinflüsse gegeben, aber "es war eine steirische Wahl mit mir als Spitzenkandidat". Die Grüne Spitzenkandidatin Sandra Krautwaschl hielt es in der ORF-Spitzenkandidaten-Runde nicht wie Drexler, sondern wie Lang: "Ich werde mich nicht auf etwas anderes ausreden." Es sei ihre Niederlage, ein "bitterer Tag". Ein Appell erging von Bundessprecher Werner Kogler an ÖVP und SPÖ, nicht mit den Freiheitlichen zu regieren.
"Die blaue Welle hat ganz Österreich überrollt", bedauerte KPÖ-Spitzenkandidatin Claudia Klimt-Weithaler, will aber weiter arbeiten. NEOS-Spitzenkandidat Niko Swatek freute sich über den leichten Zugewinn, der die NEOS zum zweiten Wahlsieger mache, und meinte, man bleibe die treibende Kraft in der Steiermark. Für Koalitionsverhandlungen stünde man bereit.
Blaue Welle in Spitalsgemeinden
Inhaltlich eines der herausragenden Themen des Wahlkampfs war das geplante Leitspital. In den von einer Auflassung der eigenen Krankenhäuser bedrohten Gemeinden konnte die FPÖ erdrutschartige Gewinne verzeichnen. In Rottenmann wählten mehr als 63 Prozent freiheitlich, in Schladming rund 51 Prozent. Auch in Bad Aussee reichte es zu Platz eins. Doch selbst in Stainach-Pürgg, wo das neue Leitspital stehen soll, kam die FPÖ mit plus 17 Punkten und fast 30 Prozent Stimmenanteil auf ein starkes Ergebnis.
Die Freiheitlichen "wilderten" auch in den roten Kerngebieten in der Obersteiermark. So holte man etwa in Bruck/Mur, Knittelfeld oder Judenburg Platz eins. In Kapfenberg und Leoben verpasste man ihn nur knapp.
Wenn es für Landeshauptmann Drexler heute irgendwo Trost gab, dann in seiner Wohnort-Gemeinde Passail. Dort legte die ÖVP ganz gegen den Landestrend rund acht Prozentpunkte zu und holte mit 54 Prozent eine satte absolute Mehrheit.
Die Dominanz der Freiheitlichen zeigt sich auch bei einem Überblick über die Bezirke. Außer in Graz-Stadt und Hartberg-Fürstenfeld, wo die ÖVP knapp Platz eins rettete, war die FPÖ überall voran.
Die Wahlbeteiligung war mit gut 70 Prozent deutlich höher als 2019, als gut 63 Prozent von ihrem Stimmrecht Gebrauch machten. (APA/bearbeitet von ank)
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