Bürgermeister Michael Häupl zeigt sich in der Elefantenrunde vor der Wien-Wahl am kommenden Sonntag überraschend defensiv. Über weite Teile lautet das Motto der Veranstaltung: "Alle gegen Strache".

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Sechs Tage vor der Landtagswahl in Wien sind die Spitzenkandidaten zur Elefantenrunde zusammengekommen: In den Sofiensälen diskutieren der amtierende Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ), Maria Vassilakou (Grüne), Heinz-Christian Strache (FPÖ), Manfred Juraczka (ÖVP) sowie Beate Meinl-Reisinger von den Neos. Die Themen: Flüchtlinge/Zuwanderung, Arbeitsmarkt/Schulden und Verkehr.

Wer auf neue Impulse gehofft hat, wird über weite Strecken enttäuscht: Statt inhaltlicher Anregungen liefern die Kandidaten immer wieder Spitzen gegen Herausforderer Heinz-Christian Strache. Bürgermeister Michael Häupl streitet sich mit dem FPÖ-Kandidaten darüber, wer von beiden denn nun charakterlos sei – und hat zum Beweis das bekannte Bild von Flüchtlingen in Erdberg dabei, die von FPÖ-Politikern mit "Nein zum Asylantenheim"-Schildern empfangen werden. "Man hat sie nie dort gesehen, wo man Menschen geholfen hat. Sie sind beim Hetzen Erster und beim Helfen Letzter", wettert auch Maria Vassilakou (Grüne). Ihr Vorwurf an Strache kommt zwar zurechtgelegt daher – aber er sitzt.

FPÖ-Chef Strache gibt sich betont seriös

Strache selbst tritt betont seriös auf – auch wenn er die üblichen populistischen Argumente im Gepäck hat: zu viele Wirtschaftsflüchtlinge, Syrer, die in Wahrheit keine Syrer seien, radikale Islamisten, die vor den Asylbewerberheimen stünden. Und die abstruse Idee, den Arbeitsmarkt sektoral für Zuwanderer zu schließen. Beim Thema Infrastruktur kritisiert er etwa das Verkehrschaos durch "Spaßdemos auf der Ringstraße". Strache erntet zwar Häme von den anderen Kandidaten, sie versuchen aber zu wenig, seine teils kruden Argumente sachlich zu widerlegen. Der FPÖ-Spitzenkandidat kann sich beinahe entspannt zurücklehnen.

Überraschend blass präsentiert sich SPÖ-Bürgermeister Michael Häupl: Er sagt wenig, scheint sich auf seinem Amtsbonus ausruhen zu wollen. Was die Flüchtlingsproblematik angeht, will er den Wienern Mut machen. Dass manche Menschen sich sorgten, verstehe er ja, aber 11.000 bis 12.000 Asylsuchende – "das können wir bewältigen!" Statt in die Zukunft zu schauen, versucht er beispielsweise, die hohe Arbeitslosigkeit in Wien und die ebenfalls hohe Verschuldung der Stadt kleinzureden.

Wesentlich aktiver zeigt sich Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou, die sicher ist, dass Häupl Bürgermeister bleibt – und Strache deswegen schon einmal samt Nikotinpflaster zum Erholungsurlaub nach Ibiza wünscht. Überhaupt fährt sie die schärfsten Attacken gegen den FPÖ-Kandidaten. Für die Integration wünsche sie sich "Investitionen in Schulen, mehr Lehrer und dass jedes Kind ab zwei Jahren in die Kita gehen kann", genau wie die dezentrale Unterbringung von Asylsuchenden und Zuwanderern – und um das zu ermöglichen, "ein faires Mietrecht". Als es um ihr Thema – den Verkehr – geht, wird sie deutlich kleinlauter, gerät in die Defensive. Wer in einer Stadt für die Infrastruktur zuständig sei, der habe keine hohen Popularitätswerte.

Vassilakou packt einen Euro aus – als Symbol für die Jahreskarte im Wiener Nahverkehr (356 Euro), die sie aufs Umland ausweiten will, um den Straßenverkehr zu entlasten. 400 Euro kosteten die Wiener Linien jeden Bürger – "ohne auch nur ohne nur eine Station gefahren zu sein", kritisiert hingegen Manfred Juraczka. Aktiv wird der ÖVP-Spitzenkandidat besonders, als es um den Arbeitsmarkt geht. Seine Partei sei die einzige mit konkreten Ideen, um mehr Arbeitsplätze zu schaffen. In den Flüchtlingsfragen distanziert sich Juraczka "von den politischen Rändern". Hier brauche es Vernunft, die ihm bei den Grünen fehle, und Anstand, den er bei den Freiheitlichen vermisse. Juraczkas Performance insgesamt: etwas hölzern.

Michael Häupl schließt Rot-Blau aus

Angriffslustig jenseits der üblichen Themen zeigt sich vor allem die Spitzenkandidatin der Neos, Beate Meinl-Reisinger: Die Politik sei "faul, aufgebläht und korrupt", kritisiert sie. Auch das treibe die Wähler in die Arme Straches. Sie regt sich etwa auf über das "korrupte, mafiöse" System bei Werbeausgaben – und darüber, dass man ein Parteibuch brauche, selbst wenn man nur Kasnudeln in der Stadt verkaufen wolle. Von den Moderatoren lässt sich die übereifrige Kandidatin nicht ausbremsen. Irgendwann hat aber auch Michael Häupl genug. Er wettert: "Wenn alles so korrupt ist, dann gehen Sie doch zur Staatsanwaltschaft!" Da ist er dann doch mal aufgewacht.

Die OMG-Blitzumfrage zur Bewertung der Runde unter 500 Zuschauern zeigt am Ende: Häupl liegt mit 31 Prozent knapp vor Strache (29), gefolgt von Maria Vassilakou mit (17) sowie Manfred Juraczka und Beate Meinl-Reisinger (Neos) mit sieben beziehungsweise acht Prozent. Im Blick nach vorn schließt Häupl Rot-Blau "aus inhaltlichen Gründen" erneut aus – und zeigt sich wohl zum ersten Mal an diesem Abend mit Strache einer Meinung: "Wir beide sind gegen Zwangsehen – warum sollten wir plötzlich für politische Zwangsehen sein?"

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