Zwei Stunden rangen und stritten Olaf Scholz (SPD), Friedrich Merz (CDU), Robert Habeck (Grüne) und Alice Weidel (AfD) beim "Quadrell" auf RTL und n-tv teilweise hart um die Themen Energie-, Wirtschafts- und Migrationspolitik. Dabei kam es zu einigen hitzigen Wortgefechten - vor allem mit Weidel.

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Eine Woche vor der Bundestagswahl haben sich erstmals die vier Kanzlerkandidaten von SPD, Union, Grünen und AfD in einer TV-Runde einen heftigen Schlagabtausch zu zentralen politischen Fragen geliefert. In der Viererrunde von RTL traten die konträren Positionen auch zum Ukraine-Krieg oder zur Rentenpolitik zutage.

Streit über Abschiebungen nach Afghanistan

Bundeskanzler Olaf Scholz machte deutlich, dass er die irreguläre Zuwanderung nach Deutschland weiter reduzieren will. "Wir bleiben dran und müssen auch dranbleiben." Scholz sagte, dass die Zahl der Abschiebungen seit Beginn seiner Amtszeit um 70 Prozent gestiegen sei.

CDU/CSU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz konterte, dass zurzeit in vier Tagen so viele neue Flüchtlinge nach Deutschland kämen wie im Monat abgeschoben werden. Er forderte die Bundesregierung auf, Gespräche mit den Taliban in Afghanistan über die Rückführung von Flüchtlingen aufzunehmen.

Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck betonte, dass die Taliban ein "Terrorregime" seien. Es gebe kein Land, das mit ihnen diplomatische Beziehungen unterhalte. Mit den Taliban zu verhandeln, sei ein "Adelsschlag für dieses Regime".

AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel sagte mit Blick auf die Zahl der Menschen, die ohne Einreiseerlaubnis ins Land kommen: "Die Menschen wollen diesen Kontrollverlust in unserem Land nicht mehr haben."

Scholz und Merz verbitten sich US-Einmischung in Wahlkampf

Die umstrittene Rede von US-Vizepräsident J.D. Vance bei der Münchner Sicherheitskonferenz strahlte bis in die Fernsehrunde aus. Vance hatte in München unter anderem erklärt, es gebe keinen Platz für Brandmauern. Er nahm dabei indirekt Bezug auf die deutsche Debatte über eine Abgrenzung von der AfD. Vance warnte in diesem Zusammenhang vor einer Gefährdung der Demokratie. Der Begriff der Brandmauer bezieht sich vor allem auf die Union und die AfD.

Scholz sagte: "Was dort gesagt wurde, ist völlig unakzeptabel." Deutschland habe aus der Erfahrung des Nationalsozialismus die Lehre gezogen, dass es keine Zusammenarbeit mit den extrem Rechten gebe.

Merz betonte mehrfach, für die Union komme eine Zusammenarbeit mit der AfD nicht infrage. "Und ich verbitte mir solche Einmischungen in die deutsche Bundestagswahl und auch in die Regierungsbildung danach." Er fügte hinzu: "Ich lasse mir doch nicht von einem amerikanischen Vizepräsidenten sagen, mit wem ich hier in Deutschland zu sprechen habe."

Hitziger Streit: Wie rechts ist die AfD?

Der Hinweis von Scholz auf den Nationalsozialismus ließ AfD-Chefin Weidel empört reagieren: "Diesen Vergleich finde ich skandalös. Den weise ich für mich persönlich und für die gesamte Partei zurück."

Der Kanzler erinnerte auch an Aussagen des AfD-Ehrenvorsitzenden Alexander Gauland, der im Juni 2018 gesagt hatte, Hitler und die Nazis seien "nur ein Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte". Später bezeichnete Gauland seine Äußerung als "missdeutbar und damit politisch unklug". Weidel entgegnete: "Sie können mich hier heute Abend beleidigen, wie Sie wollen. Sie beleidigen damit Millionen von Wählern. Mich trifft das überhaupt nicht. Ich repräsentiere diese Stimmen nur. Schreiben Sie sich das bitte hinter Ihre Ohren."

Merz nannte die AfD "eine rechtsradikale Partei, zum großen Teil rechtsextremistisch". Er warf Weidel vor, sie würde AfD-Rechtsaußen Björn Höcke "adeln". In einem Interview mit der "Bild"-Zeitung hatte Weidel gesagt: "Also Björn Höcke und ich, wir verstehen uns sehr gut." Ihren früheren Versuch, Höcke aus der AfD auszuschließen, bezeichnete sie als Fehler. Auf die Frage, ob sie ihn als geeignet für ein Ministeramt betrachte, antwortete Weidel mit "Ja".

"Voodoo-Ökonomie" und "Bürokratie-Monstrum"

Auch in der Wirtschafts- und Finanzpolitik fanden Scholz, Merz, Habeck und Weidel keinen gemeinsamen Nenner. Scholz und Habeck warfen Union und AfD eine sozial ungerechte Steuerpolitik vor: Sie wollten mit milliardenschweren Plänen zu Steuersenkungen vor allem Menschen mit hohen Einkommen entlasten. Die Pläne seien zudem nicht gegenfinanziert. Habeck sprach mit Blick auf die Union und Merz von "Voodoo-Ökonomie".

Merz hielt dagegen: Er warf Scholz und Habeck mit Blick auf die Rezession in Deutschland eine verfehlte Wirtschaftspolitik vor. Er nannte als Beispiel das Lieferkettengesetz und das Abschalten der Atomkraftwerke. "Wir müssen raus aus dieser Rezession." Man müsse das "bürokratische Monstrum" in den Griff bekommen. Der CDU-Vorsitzende sprach sich zudem für eine Senkung der Unternehmenssteuern aus.

Scholz erneuerte den Vorschlag der SPD, 95 Prozent der Steuerzahler zu entlasten. Im Gegenzug sollten Reiche mehr zahlen. Wenn man wie er als Kanzler über 300 000 Euro verdiene, solle man mehr Steuern zahlen.

AfD-Chefin Alice Weidel sagte, die Energiepreise müssten durch Technologieoffenheit herunter, zum Beispiel durch grundlastfähige Kernkraftwerke, durch Kohle und durch Gas. Die gigantische Subventionspolitik bei erneuerbaren Energien müsse beendet werden, genauso wie die CO2-Abgabe.

Scholz fordert Mitspracherecht der EU bei Ukraine-Friedensverhandlungen

Hinsichtlich einer möglichen Friedensregelung für die Ukraine hat Scholz ein Mitspracherecht der Europäer gefordert. "Wir sind zu fragen, weil es ja ohne uns gar nicht geht", antwortete der Bundeskanzler auf die Frage, ob er fürchte, dass die USA und Russland eine Ukraine-Vereinbarung über die Köpfe der EU hinweg treffen könnten. Es werde "keine Sicherheitsgarantien geben, die wir nicht selber entwickelt haben und akzeptieren für uns", fügte Scholz hinzu.

Scholz formulierte zwei Bedingungen für eine Regelung zur Beendigung des Ukraine-Kriegs: Die Ukraine müsse daran beteiligt sein und sie müsse nach einem Friedensschluss eine starke Armee behalten können. "Die Ukraine muss eine demokratische, souveräne Nation sein, über deren Köpfe hinweg nicht entschieden wird - das werden wir Europäer nicht zulassen", sagte der Kanzler.

Scholz: "Werden auch in Zukunft stabile Renten haben"

Scholz wies Zweifel an der Stabilität des Rentensystems zurück. "Ich bin fest davon überzeugt, dass wir, wenn genügend Leute arbeiten, auch in Zukunft stabile Renten haben werden", sagte der SPD-Politiker. Experten, die dies bezweifelten, hätten sich schon in der Vergangenheit mit der Vorhersage viel höherer Beiträge geirrt. Eine Erhöhung des Rentenalters von 67 auf 70 Jahre schloss Scholz aus. "Mit dem Alter von 67 ist das Ende der Fahnenstange erreicht", sagte er.

Die Kanzlerkandidaten von Grünen, Union und AfD forderten hingegen teils tiefgreifende Reformen. AfD-Kandidatin Alice Weidel plädierte zudem für die Abschaffung der Rentenbesteuerung.

Umfrage sieht Merz vorn - Habeck am sympathischsten

Das Meinungsforschungsinstitut Forsa befragte während der Sendung 2004 Zuschauer, wer am besten gewesen sei. Merz lag mit 32 Prozent deutlich vor Scholz mit 25 Prozent. Für Habeck und Weidel entschieden sich jeweils 18 Prozent. Dafür wurde Habeck am sympathischsten eingeschätzt: Für ihn entschieden sich in der Hinsicht 34 Prozent der Befragten, für Merz 23, für Scholz 19 und für Weidel 17 Prozent.

Die Frage, wer das Land am besten führen könne, ging ebenfalls an Merz, der 42 Prozent erzielte. Dahinter lagen Scholz mit 19, Weidel mit 16 und Habeck mit 13 Prozent. Klar wurde in der Umfrage allerdings auch, dass die Viererrunde kaum Auswirkungen auf den Wahlausgang haben wird. 84 Prozent der Befragten beantworteten die Frage, ob die Debatte ihre persönliche Wahlentscheidung verändert habe, mit "Nein". Lediglich 10 Prozent sagten "Ja".

Jauch und Atalay moderieren Viererrunde

Moderiert wurde die Viererrunde von zwei bekannten RTL-Gesichtern: Günther Jauch ("Wer wird Millionär?") und die Nachrichtenmoderatorin Pinar Atalay ("RTL Direkt"). Sie achteten auch darauf, dass die Redeanteile der Kontrahenten in etwa gleich bemessen waren. Die Redezeiten wurden von RTL gestoppt und immer wieder eingeblendet. Am Schluss bekam jeder der vier Gäste die Gelegenheit für ein Schlussstatement.

RTL hatte ursprünglich ein TV-Duell zwischen Scholz und Merz geplant, so wie vor einer Woche schon bei ARD und ZDF zu sehen. Der Sender rückte dann aber von dieser Idee ab, erweiterte die Runde um Habeck und Weidel und gab diesem Format die Bezeichnung "Quadrell". (dpa/bearbeitet von cgo)

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