Scholz gegen Merz gegen Habeck gegen Weidel – was bleibt vom sogenannten Quadrell, dem ersten TV-Schlagabtausch der vier Kanzlerkandidaten zur Bundestagswahl?

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Marie-Christine Sandler sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Eine Woche vor der Bundestagswahl buhlen die Parteien vor allem um die noch unentschlossenen Wähler. Und das sind in diesem Jahr offenbar ungewöhnlich viele: 28 Prozent der Befragten gaben in der jüngsten Umfrage dazu, dem ZDF-Politbarometer vom Freitag, an, noch nicht zu wissen, wo sie am kommenden Sonntag ihr Kreuz machen werden.

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Am Sonntagabend hatten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Friedrich Merz (CDU), Robert Habeck (Grüne) und Alice Weidel (AfD) in einem sogenannten Quadrell Gelegenheit, Unentschlossene für sich zu gewinnen. RTL und ntv ließen die Kanzlerkandidaten der vier nach Umfragen stärksten Parteien aufeinander los, moderiert von Pina Atalay und Günther Jauch. Was lässt sich für die Wahlentscheidung aus diesen 120 Minuten mitnehmen?

Scholz kann auch anders

Scholz gilt als Technokrat, wirkt oft trocken und leidenschaftslos. Doch wie schon im TV-Duell mit Merz vergangene Woche erlebten die Zuschauer am Sonntagabend einen gelösten Kanzler, selbstbewusst, angriffslustig und humorvoll. Den miserablen Umfragewerten zum Trotz hat Scholz offenbar noch nicht aufgegeben.

Er klammert sich nicht an sein Pult, sondern lehnt mal hier, mal da und tritt wiederholt davor, als er Weidel direkt angeht. Zum Beispiel, als die AfD-Chefin seiner Regierung die Schuld für die hohen Energiepreise gibt, von denen Weidel fälschlicherweise behauptet, es seien die höchsten weltweit. Sie hingegen habe zahlreiche Vorschläge gemacht, wie man Energie günstig macht und die Wirtschaft wieder zum Laufen bringt. Da schleudert ihr Scholz entgegen: "Die Zuschauer haben ja zugehört. Die haben von ihnen nichts gehört, außer heißer Luft."

Es ist auch Scholz, der am meisten schmunzelt und am meisten scherzt. Bei einer von Jauch im "Wer-wird-Millionär"-Stil mit vier Antwortmöglichkeiten vorgetragenen Frage, liegt Scholz als einziger richtig. "Sie wären eine Runde weiter", sagt Jauch zu ihm. Der Kanzler darauf: "Das ist überhaupt mein Plan."

Dieser andere Scholz kommt an. In der Forsa-Umfrage unter Zuschauern, die RTL nach Ende des Quadrells präsentiert, bewerten zwar 32 Prozent der Befragten Merz' Auftritt am besten. Doch immerhin 25 Prozent fanden Scholz am überzeugendsten – während die SPD in Umfragen nur bei rund 15 Prozent steht. Scholz ist damit der Einzige, der im Quadrell wesentlich besser abschneidet als seine Partei demoskopisch.

Die AfD kann viel versprechen, aber nichts umsetzen

Den schwächsten Auftritt schreiben die Befragten Weidel und Habeck zu (je 18 Prozent) und bei den Sympathiewerten liegt die AfD-Frontfrau ganz hinten. Das ist nicht verwunderlich, tut Weidel doch in den zwei Stunden vor der Kamera nichts, um auch Menschen zu überzeugen, die der AfD nicht ohnehin gewogen sind.

Im Gegenteil: Sie unterlässt es, sich von Alexander Gaulands Aussage zu distanzieren, Hitler und die Nazis seien nur ein "Vogelschiss" in der sonst erfolgreichen deutschen Geschichte gewesen. Sie blieb dabei, dass Björn Höcke für ein Ministeramt qualifiziert ist, der Mann, der in der Rechtsaußenpartei ganz rechts steht, wiederholt wegen Verwendung verbotener NS-Parolen verurteilt wurde und nach einem Gerichtsbeschluss offiziell als "Faschist" bezeichnet werden darf (nicht wie Merz behauptete als Nazi).

Wen das noch nicht von Weidels schwachem Auftritt überzeugt, findet auch inhaltliche Gründe: Danach gefragt, wie sie Deutschland mit seinen knapp 4.000 Kilometer Grenze gegen illegale Einwanderer abschotten will, fällt Weidel nicht mehr ein, als zu sagen, das müsse man die Bundespolizei fragen. "Ich bin Politikerin."

Mehrfach betonte Weidel, dass Merz' und die Union ihre Vorschläge ja gar nicht umsetzen könne, weil sie gezwungen sein wird, mit SPD oder Grünen zu koalieren. Was sie natürlich nicht sagt: Die AfD ist die Partei, die nach der Wahl nichts umsetzen können wird, weil niemand mit ihr zusammenarbeiten will. Niemand. Das zeigt der Abend.

Merz untermauert die Brandmauer

Der vor rund zwei Wochen mit den Stimmen der AfD im Bundestag beschlossenen Antrag zur Begrenzung der Migration hat die Brandmauer der Union porös erscheinen lassen wie nie. Am Sonntagabend tut Merz alles dafür, die bröckelnden Stellen zu kitten und die Mauer zu stabilisieren. Er wolle verhindern, dass das Feuer hinter der Mauer zur AfD auf das ganze Land übergreife, sagte Merz und geht Weidel deutlich schärfer an, als Scholz und Habeck.

Am überzeugendsten wirkt seine Abgrenzung in einer Auseinandersetzung mit Weidel beim Thema Ukraine – der wohl stärkste Moment der Sendung. Weidel lobt Donald Trumps Drängen auf Friedensverhandlungen und moniert, dass Deutschland diese Rolle nicht einnehme, ja nicht einnehmen könne, weil "wir von Russland nicht mehr als neutral wahrgenommen" werden.

Ein "verräterischer Satz", schleudert ihr Merz entgegen. "Nein, Frau Weidel, wir sind nicht neutral, wir stehen nicht dazwischen. Wir verteidigen mit der Ukraine die politische Ordnung, die wir hier haben." Er deutet auf das Bild eines ukrainischen Soldaten, der im Hintergrund eingeblendet wird. "Schauen Sie sich diese Menschen an." Und energisch schiebt er hinterher: "Ihre Worte hier sind die Bestätigung, dass ich alles dafür tun werde, zu verhindern, dass sie jemals in diesem Land politische Verantwortung in die Hände bekommen."

Viele Themen fallen runter – trotz Habecks Bemühungen

Ukraine, Migration, Wirtschaft. Zu den wahlkampfbestimmenden Themen ist alles gesagt. All das im Quadrell noch einmal zu hören, dürfte keinem Wähler bei der Wahlentscheidung geholfen haben. Die Gelegenheit, anderen – nicht minder wichtigen – Punkten Raum zu geben, haben Atalay und Jauch leider verschenkt.

Die Wohnungspolitik wurde lediglich gestreift. Daran zu erinnern, dass es da beispielsweise auch noch die eklatanten Probleme in der Bildungspolitik, fehlenden Kita-Plätze und den die Menschheit in ihrer Existenz bedrohenden Klimawandel gibt – das überließ die Runde überwiegend den Nutzern in den sozialen Medien.

Lediglich Habeck spricht über Bildung und davon, dass die Kinderbetreuung ausgebaut werden muss, damit Mütter Vollzeit arbeiten können. Einmal betont er die Fortschritte beim Ausbau der erneuerbaren Energien, was die Energiepreise sinken lasse. Wahlkampf mit dem Thema Klima sieht anders aus.

Überhaupt dringt Habeck nicht so richtig durch. Er beansprucht weniger Redezeit als Scholz und Merz, spricht sehr überlegt, ordnete immer wieder ein und wirkte so zuweilen eher wie ein Moderator als wie ein Teilnehmer. Sympathie beschert ihm dieses Auftreten, in der Forsa-Umfrage unter Zuschauern hat er in diesem Punkt die Nase weit vorn.

Doch das Land zu führen, trauen ihm nur 13 Prozent der Befragten zu. Weidel kommt auf 16 Prozent, Scholz auf 19. Alles weit entfernt von den 42 Prozent, die für Merz votieren.

Verwendete Quellen

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