Die Grünen landen nach der Bundestagswahl wohl in der Opposition. Kanzlerkandidat Robert Habeck zieht Konsequenzen: Er will in der Partei keine führende Rolle mehr übernehmen. Die Grünen stehen vor einem Umbruch.

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Die Realität hat Robert Habeck über Nacht eingeholt. Am Sonntagabend wirkte er noch zufrieden mit den ersten Prognosen für seine Partei nach der Bundestagswahl. Doch am Montagvormittag räumt er in der Bundespressekonferenz eine Wahlschlappe ein. "Das ist kein gutes Ergebnis", sagt Habeck zerknirscht – und macht danach klar, dass seine politische Karriere damit vorerst auch vorbei ist.

Am Mittwoch soll die Bundestagsfraktion einen neuen Fraktionsvorstand wählen. Und zwar ohne Habeck. "Ich werde keine führende Rolle in den Personaltableaus der Grünen mehr beanspruchen oder anstreben", sagt der Noch-Vizekanzler.

Für die Regierung werden die Grünen nicht mehr gebraucht

Es ist ein ganz anderes Bild als einen halben Tag zuvor. Am Vorabend haben die Grünen bei ihrer Wahlparty noch vorsichtig gejubelt. Zuerst sah es nach nur leichten Verlusten aus. Dann wurde der grüne Balken aber doch um Zehntel-Prozentpunkte kleiner. 11,6 Prozent sind zwar das zweitbeste Ergebnis der Parteigeschichte – und das bei gesellschaftlichem Gegenwind. Doch es sind eben auch drei Prozentpunkte weniger als 2021.

Vor allem ist inzwischen klar: Die Grünen werden für die Bildung der nächsten Regierung nicht gebraucht. Wenn für sie kein Wunder mehr geschieht, werden sie die Politik von der Opposition aus eher beobachten und kritisieren, statt selbst zu gestalten.

Und was wird dann aus den beiden Personen, die die Partei seit sieben Jahren geprägt haben? Habeck also will keine führende Rolle mehr spielen. Er wirkt am Montag in der Bundespressekonferenz fast lustlos – auch ob er überhaupt sein Bundestagsmandat antreten wird, will er noch nicht verraten.

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Schuldzuweisungen der Parteiflügel

Habeck übernimmt damit auch Verantwortung für das schwache Wahlergebnis. Auf dem linken Parteiflügel gibt es leises Grummeln über seinen eher holprigen Wahlkampf. Seine innerparteilichen Gegner finden: Habeck hat nicht verhindern können, dass viele Grünen-Wähler zu den Linken abgewandert sind. "Das Ergebnis der Linken zeigt, dass wir mehr über soziale Gerechtigkeit und Mieten hätten sprechen müssen", sagte die Vorsitzende der Grünen Jugend, Jette Nietzard, dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland".

Wenn es für die Grünen schlecht läuft, sorgt das Wahlergebnis für neue Kämpfe der Parteiflügel. Noch-Bundeslandwirtschaftsminister und Partei-Realo Cem Özdemir macht nämlich im Gespräch mit dem Deutschlandfunk ein anderes Hauptproblem aus: die Parteilinke. Die habe dem Kanzlerkandidaten geschadet, als sie seinen Zehn-Punkte-Plan für die Sicherheitspolitik kritisierte.

Baerbock lässt Zukunft offen

Habeck sitzt am Montag nicht alleine vor der Bundespressekonferenz, sondern gemeinsam mit Bundesaußenministerin Annalena Baerbock. Sie bereitet ihre Partei auf die Opposition vor. Deutschland stehe gerade außenpolitisch vor großen Herausforderungen: Die Ukraine müsse weiterhin im Krieg gegen Russland unterstützt werden – erst recht, wenn die USA als Partner ausfallen. Wie das ausgeht – die Grünen werden es aus der Zuschauerperspektive verfolgen. "Die Wählerinnen und Wählern haben es so entschieden. Wir übernehmen auch in diesen Zeiten in neuer Rolle Verantwortung", sagt Baerbock.

Der Außenministerin werden im Gegensatz zu Habeck Ambitionen auf den Vorsitz der Bundestagsfraktion nachgesagt. Sie äußert sich dazu am Montag nicht: keine Bestätigung, kein Dementi. Das lässt sich allerdings durchaus als Interesse an dem Posten deuten. Womöglich will sie zunächst Außenministerin bleiben, bis sie das Amt an einen Nachfolger übergibt.

Eine Ansage an die nächste Bundesregierung hat Baerbock an diesem Vormittag schon dabei. Der AfD-Erfolg bei den Wahlen treffe sie "ins Mark", sagt sie. Trotzdem will sie, dass sich die politische Mitte auch weiterhin von der Partei abgrenzt. "Wir werden den Bundeskanzler daran messen, ob die Brandmauer nicht nur im Parlament hält, sondern ob sie auch in der Rhetorik hält."

Verwendete Quellen

  • Pressekonferenz mit Annalena Baerbock und Robert Habeck
  • Deutschlandfunk.de: Özdemir (B90/Grüne): Parteien der Mitte haben Vertrauen eingebüßt
  • afp
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