• Vor der Bundestagswahl sind mehrere künftige Regierungskoalitionen denkbar.
  • Vier Bündnisse stehen im Fokus: Deutschland-, Ampel- und Jamaika-Koalition sowie Rot-Grün-Rot.
  • Welche Koalition ist wahrscheinlich und was haben die Parteien bereits ausgeschlossen. Ein Überblick.
Eine Analyse

Mehr zur Bundestagswahl 2021 finden Sie hier

Mehr aktuelle News

Die Bundestagswahl 2021 ist die vielleicht komplizierteste in der Geschichte der Bundesrepublik - zumindest für die Wählerinnen und Wähler. Die nämlich wussten selten so wenig darüber, was ihre Stimme am Ende bedeuten und in welche Regierungskoalition ihre Unterstützung für eine Partei münden könnte.

Wer etwa die SPD um Kanzlerkandidat Olaf Scholz ankreuzt, findet seine Partei womöglich im von der Union standhaft diabolisierten Linksbündnis mit Grünen und Linke wieder. Oder aber die Sozialdemokraten tun sich in einem bürgerlichen Dreierbündnis mit Union und FDP zusammen. Anything goes, möchte man vor dieser Wahl meinen.

Aber ganz so promisk, wie es erscheinen mag, sind die Parteien am Ende mit einiger Sicherheit wohl doch nicht. Und viel wichtiger: Zumindest ein paar rote bis tiefrote Linien gibt es auch schon, die so manche Koalition annähernd unmöglich machen.

Der Wahl-O-Mat: Die digitale Entscheidungshilfe für die Bundestagswahl 2021

Wer noch nicht weiß, wen er bei der Bundestagswahl 2021 wählen soll, kann das Programm "Wahl-O-Mat" ausprobieren. Es hilft dabei, diejenigen Parteien zu ermitteln, die die eigenen Interessen am ehesten vertreten. (Foto: Bundeszentrale für politische Bildung, iStock: guvendemir)

Deutschlandkoalition: Union + SPD + FDP

Damit zurück zu allen tatsächlichen und potenziellen SPD-Wählerinnen und -Wählern: Müssen sie bei ihrer Entscheidung für die Sozialdemokraten mit einem Bündnis mit Union und FDP rechnen?

Inhaltlich wäre so eine Verbindung vermutlich machbar, vor wenigen Wochen erst hat sich in Sachsen-Anhalt eine Deutschlandkoalition gebildet. Auf Bundesebene aber ist diese Variante aus gleich zwei Gründen sehr unwahrscheinlich.

Erstens ist es nicht erst nach den 16 Merkel-Jahren Teil der Unions-DNA, dass nur sie in einer Regierungskoalition das höchste Amt bekleidet. Dementsprechend deutlich haben die Spitzen von CDU und CSU auch in diesem Wahlkampf betont, dass die Union sich die Rolle als Juniorpartner nicht vorstellen kann. Bei den aktuellen Prognosen, in denen sie teils deutlich hinter der SPD liegt, müsste sie aber mit dieser Rolle Vorlieb nehmen.

Und zweitens gilt in der SPD seit Monaten das Mantra, dass es keine Zusammenarbeit mit der Union nach dieser Wahl geben wird. Die letzte und nur unter dem Zwang der sich einem Jamaikabündnis verweigernden FDP zustande gekommene Verbindung hat die Sozialdemokraten viel Terrain und zeitweise auch den Ruf als Volkspartei gekostet. Deshalb spricht Ex-Juso-und-nun-stellvertretender-SPD-Chef Kevin Kühnert der Partei aus der Seele, wenn er im Interview mit unserer Redaktion sagt: "CDU und CSU sind nach 16 Jahren im Kanzleramt ausgezehrt und gehören in die Opposition. [...] Und deshalb werden wir alles dafür tun, eine SPD-geführte Bundesregierung ohne die Konservativen zu bilden."

Linksbündnis: SPD + Grüne + Linke

Spätestens seit die Beliebtheitswerte der Union im Allgemeinen und von Kanzlerkandidat Armin Laschet im Besonderen im Sinkflug sind, werfen CDU und CSU von der Parteispitze bis zum hintersten Hinterbänkler mit Warnungen vor Rot-Grün-Rot um sich. Vom Linksruck ist die Rede, der Deutschland mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in den finanziellen Ruin treiben würde.

Gebracht hat das der Union in Umfragen ebenso wenig wie die ständige Forderung Laschets, Scholz möge der Linke doch endlich offiziell abschwören. Offenbar haben die Menschen weitaus weniger Angst vor einem linken Bündnis als die Union vor der Oppositionsbank. Wichtiger ist aber ohnehin: Ein Linksbündnis ist inhaltlich sowieso sehr unwahrscheinlich.

Denn auch wenn sich die Linke ihren einzigen möglichen Partnern immer offensiver anbiedert, sind die Gräben zwischen ihr und SPD/Grünen gerade in der Außenpolitik kaum zu überwinden. Scholz hat etwa mittlerweile x-fach betont, dass ein Partner der SPD sich auch klar zur deutschen Nato-Mitgliedschaft bekennen müsse. Davon ist die Linke ungefähr so weit entfernt wie Dietmar Bartsch vom Kanzleramt.

Warum also schließt Olaf Scholz ein Rot-Grün-Rot nicht einfach von vornherein aus? Das hat ein bisschen damit zu tun, den linken SPD-Flügel nicht zu verprellen - und es hat eine Menge mit Taktik zu tun. Sollte es nach der Wahl rechnerische Mehrheiten für Rot-Grün-Rot und eine Ampelkoalition geben, kann Scholz bei Verhandlungen mit der FDP dezent mit dem möglichen Linksbündnis drohen und so das ein oder andere Zugeständnis von Christian Lindner ergattern.

Ampel: SPD + Grüne + FDP

Das nämlich könnte schon insofern nötig sein, als sich Lindner mit seiner FDP eigentlich schon vor Monaten als Koalitionspartner von SPD und Grünen disqualifiziert hat. Steuererhöhungen zur Bewältigung der Corona-Krise schloss Linder auf dem Parteitag der Liberalen im Mai aus und versprach: "Das wird es mit uns Freien Demokraten nicht geben."

Das passt kaum zu den Plänen von SPD und Grünen, deren Überlegungen zu einer Vermögensabgabe sowie stärkeren Belastungen von Gutverdienern auf den ersten Blick kaum mit der FDP zu machen sein werden. Auch eine Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro - mit das zentralste Wahlkampfversprechen von Scholz - wäre mit der FDP schwierig umzusetzen.

Doch auch wenn die Voraussetzungen für eine Ampelkoalition kompliziert sein mögen, spricht doch zweierlei für das Bündnis: Bei allen Differenzen haben die Parteien viele Schnittmengen, etwa in den Bereichen Digitalisierung, Bildung sowie in der Außen- und Umweltpolitik. FDP-Chef Lindner wird es seiner Partei außerdem kein zweites Mal nach 2017 vermitteln können, dass die Liberalen trotz bester Möglichkeiten keine Regierungsverantwortung übernehmen.

Die Ampel dürfte von allen denkbaren Konstellationen die größte Bedrohung für die Union darstellen. Das sieht auch Laschets Zukunftsteam-Mitglied Friedrich Merz so. Die Liberalen sollten sich "klarer und deutlicher artikulieren" und sagen, dass sie für eine Ampel nicht zur Verfügung stünden, forderte er am Sonntag in der ARD. Christian Lindner wird ihm den Gefallen kaum tun.

Jamaika: Union + Grüne + FDP

Wenngleich auch klar ist: Am liebsten würde die FDP natürlich mit der Union regieren. "Unser Angebot ist eine Politik der Mitte - angesichts der Flirts von Rot-Grün mit der Linken und auch angesichts der gegenwärtigen Schwäche der Union", sagte Lindner in der ARD. Wichtig sei aber weiter, dass die Union der FDP in der Sache näher stehe als SPD oder Grüne. Diese stünden für Offenheit für Enteignung, Bürokratismus und Umverteilung, Subventionierung und höhere Steuern. "Das ist jetzt nicht ein Programm, das eine innere Verwandtschaft zu unserem Programm hat."

Hinter vorgehaltener Hand klingt das sowohl bei der FDP wie auch bei den Grünen dann schon etwas anders. Natürlich gebe es Differenzen, aber unlösbar seien die absolut nicht, sagt etwa ein Grünen-MdB, der mit dieser Aussage nicht namentlich zitiert werden will. Er jedenfalls wünsche sich eine Zusammenarbeit mit den Liberalen in der nächsten Legislaturperiode.

Für ein Jamaika-Bündnis aber dürfte das trotzdem nicht sprechen. Erstens müssten sich die Grünen in dieser Koalition von diversen Wahlkampfversprechen verabschieden: Mehrbelastung von Spitzenverdienern, Tempo 130 auf deutschen Autobahnen, Durchsetzung von mehr Klima- und Umweltschutz zur Not auch gegen wirtschaftliche Interessen. Im Verbund mit Union und FDP wäre die Partei bei vielen Themen von Beginn an das dritte Rad am Koalitions-E-Bike.

Und zweitens: Zentraler Slogan des Grünen-Wahlkampfs war von Beginn an eine Absage an jedes "Weiter so". Es wäre den eigenen Wählerinnen und Wählern kaum zu vermitteln, würde die neue Bundestagsfraktion nach der Wahl plötzlich Armin Laschet ins Bundeskanzleramt hieven.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.