Angela Merkel will 2017 erneut für das Amt der Bundeskanzlerin kandidieren. Ihre Entscheidung wirkt mangels parteiinterner Gegenkandidaten zwar alternativlos, selbstverständlich ist sie aber nicht. Merkel ahnt, dass ihr eine Herkulesaufgabe bevorsteht. Man darf deshalb vermuten, dass ihre Entscheidung nicht ganz freiwillig gefallen ist. Ein Kommentar.
Angela Merkel hatte gezögert, hatte "unendlich viel darüber nachgedacht". Eine vierte Amtszeit als Kanzlerin? Eine erneute Kandidatur?
Oder einfach aufhören. Auch diesen Gedanken soll
Angela Merkel soll irgendwie die Welt retten
Doch dann gewann
Nun schließt dieses staatsmännische Lob Obamas eine Erwartungshaltung ein, die einen Rückzug Merkels mangels Alternativen ausschließt.
Brexit. Der Rechtsruck in Polen, Ungarn, Frankreich, Österreich und den Niederlanden. Die Autokratien in Russland und der Türkei. Trump. Vor diesem Hintergrund könne populistischer Zündelei nur mit demokratischem Brandschutz begegnet werden, so Obamas Botschaft.
Die "New York Times" erkannte am weltpolitischen Horizont bereits das demokratische Armageddon und erklärte Merkel kurzerhand zur "letzten Verteidigerin des liberalen Westens".
Merkel saß in der Falle. In dieser Situation das Handtuch zu werfen, dürfte sich wie Fahnenflucht angefühlt haben. Schließlich hat Merkels Wort außenpolitisches Gewicht. Doch innenpolitisch hat die Kanzlerin nicht nur ihren Nimbus der Unbesiegbarkeit, sondern längst auch Wählergunst verloren.
In sechs Landtagen sowie dem Berliner Abgeordnetenhaus ist die "Alternative für Deutschland" mit zweistelligen Ergebnissen vertreten - Erfolge der AfD, eng verbunden mit der Flüchtlingspolitik von Angela Merkel. Ihr Fehler war keineswegs die humanitäre Entscheidung, Menschen in Not zu helfen, sondern die Konsequenzen nicht entsprechend erklärt und Ängste nicht rechtzeitig ernst genommen zu haben
Viele Wähler sehen in Merkel deshalb nicht etwa die Lösung des Problems, sondern das Problem an sich.
Merkel weiß das und spricht von einem "nicht einfachen Wahlkampf" in einer "stark polarisierten Gesellschaft". Sie erwartet Anfeindungen von links, vor allem aber "von rechts wie nie zuvor". Die Gesellschaft wieder zu einen fällt somit in die Verantwortung einer Politikerin, über die sich diese Gesellschaft erst entzweit hatte.
"Wir schaffen das!" - Merkels Kurs ohne Kompass
Schafft das jemand, der mit "Wir schaffen das!" zwar einen richtigen Kurs vorgegeben, aber keinen Kompass zur Verfügung gestellt hatte? Als sich die Grenzen öffneten, war das Land unvorbereitet auf die enormen logistischen und kulturellen Herausforderungen. Eine Plötzlichkeit, die viele Menschen überforderte.
Vielleicht hat Merkel auch darüber so "unendlich viel nachgedacht". Darüber, diese Aufgabe einem unbelasteten Kandidaten zu überlassen. Doch hatte sich niemand hervorgetan, der diese Aufgabe gerne übernommen hätte. Niemand, der seinen Anspruch auf Merkels Nachfolge selbstbewusst artikuliert hätte.
Zum einen hatte sich die Union viel zu lange hinter der Allmacht ihrer Kanzlerin versteckt, anstatt nach einer ernsthaften Alternative für die Alternativlosigkeit zu suchen.
Zum anderen ist da aber auch Merkels umstrittenes Talent, sich innerparteilicher Konkurrenz in der K-Frage seit Jahren entledigen zu können.
Dass sie den Kelch nun nicht weiterreichen kann, hat sie also auch selbst zu verantworten.
"Merkel will's noch mal wissen"? - Sie muss noch mal wollen, trifft es wohl besser.
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