Sollte es eine Wiederholung der Stichwahl zum Bundespräsidenten geben, könnte der Bund an Beamte und Wahlbeisitzer Schadenersatzforderungen stellen. Dass es tatsächlich zu diesen Forderungen kommt, wird vom Verfassungsrechtsexperten Harald Stolzlechner aber bezweifelt.

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Ein erschreckendes Bild ergibt sich, wie locker einige Bezirkswahlleiter und ihre Helfer die Auszählung der Stichwahlstimmen zur Bundespräsidentenwahl genommen haben. Aus zahlreichen Wahlbehörden wurden mittlerweile Regelverstöße bekannt. Reihenweise haben Beamte sich das Gesetz bei der Stimmenauszählung "zurechtgebogen".

Es sei zu verfrühten Vorsortierungen, zum Öffnen der Wahlkarten durch nicht autorisierte Personen oder ohne Beisitzer gekommen. Zudem habe es faktenwidrige Beurkundungen und Blankounterschriften der Beisitzer gegeben. "Wir haben auf Basis der bei uns eingelangten Anzeigen Ermittlungen gegen Vorsitzende und Mitglieder diverser Wahlkommissionen eingeleitet. Wir ermitteln wegen der Vorwürfe des Amtsmissbrauchs und der falschen Beurkundung und Beglaubigung im Amt", erklärt Ingrid Maschl-Clausen, von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft.

Amtsmissbrauch kann mit einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis 5 Jahre geahndet werden, die falsche Beurkundung und Beglaubigung sieht eine Strafdrohung bis zu drei Jahren vor.

Muss Schadenersatz geleistet werden?

Abgesehen von den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen drohen gewissen Bezirkswahlleitern und Wahlbeisitzern noch andere Konsequenzen. Wer rechtswidrig und schuldhaft dazu beigetragen hat, dass der Verfassungsgerichtshof die Stichwahl aufheben muss, kann vom Staat zum Ersatz des Schadens herangezogen werden.

Die Organisation einer zweiten Stichwahl würde Millionen kosten. "Dazu müsste der Bund erst eine entsprechende Klage gegen die Mitglieder jener Wahlbehörden, die gesetzwidrig gehandelt haben, erheben. Und ob er das macht, ist noch nicht entschieden.

Kommt es zu einer Wiederholung, ist davon auszugehen, dass sich keine Mensch mehr freiwillig für eine solche Funktion zur Verfügung stellen wird. Die Wahlbeisitzer machen das ja überwiegend freiwillig", erklärt dazu Harald Stolzlechner, Professor am Fachbereich Öffentliches Recht, Verfassungs- und Verwaltungsrecht der Universität Salzburg.

Richter könnten Schadenersatz mindern

"Sollte der Verfassungsgerichtshof Rechtswidrigkeiten feststellen und die Wahl wiederholen lassen, stünde die Haftung der handelnden Personen als Organe des Bundes im Raum. Dazu zählen alle, die in Vollziehung der Gesetze handeln, gleichgültig, ob sie Beamte sind oder Private, die für einen beschränkten Zeitraum engagiert sind", berichtet "Die Presse".

In welcher Höhe sie Ersatz leisten müssten, hinge vom Grad des Verschuldens ab. "Wenn es dazu käme, dass der Bund jene Mitglieder der Bezirkswahlbehörde die Fehler begangen haben verklagt, käme es vor allem darauf an, ob das Gericht das als fahrlässig oder als vorsätzlich qualifiziert. Ich würde eher davon ausgehen, dass hier ein fahrlässiges Verhalten vorliegt", so Harald Stolzlechner.

Er weist darauf hin, dass der Richter dann nach Gründen der Billigkeit (bestimmte Wahlbeisitzer erhielten etwa eine Aufwandsentschädigung von 17 Euro) ein Minderungsrecht anwenden könnte. "Wenn das Gericht lediglich fahrlässiges Verhalten feststellt, kann es den Schadenersatz herabsetzen, mäßigen oder sogar erlassen", sagt Stolzlechner.

Dennoch, sollte der Bund tatsächlich Schadenersatz fordern, würde es um dementsprechend hohe Summen gehen. Harald Stolzechner weist darauf hin, dass Wahlbehörden auch Kollegialbehörden seien. Die Schadenersatzforderungen würden sich also pro Wahlbezirk auf einen größeren Personenkreis erstrecken. Dass die Beamten und die Wahlbeisitzer jedoch tatsächlich einen Millionenschaden zurückzahlen müssten, ist für den Verfassungsrechtler ausgeschlossen: "Dann würde sicher das Mäßigungsrecht des Richters nach Paragraf drei des Organhaftpflichtgesetzes eine ganz wesentliche Rolle spielen."

Harald Stolzlechner hat an der Universität Linz promoviert und ist als Professor am Fachbereich Öffentliches Recht, Verfassungs- und Verwaltungsrecht an der Universität Salzburg tätig.
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