Steht Österreich nach der Verschiebung der Stichwahl zum Bundespräsidenten als "Bananenrepublik" da? Ein Blick in Pressestimmen aus aller Welt zeigt: Häme bleibt nicht aus. Manche kommentieren aber auch, Österreich sende eine wichtige Botschaft in die Welt.

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International wird über die Verschiebung der Hofburg-Wahl berichtet - und da scheiden sich die Geister. Während die einen Kommentatoren das Vertrauen in die Demokratie durch die "Seifenoper" in Gefahr sehen, teilen andere Medien Österreich ein wohlwollendes Zeugnis aus.

"La Repubblica" und "The Guardian": "Peinliche Seifenoper"

Die "Wahl-Seifenoper des Jahres" sei nun um ein neues Kapitel bereichert, bemerkt süffisant die italienische Zeitung "La Repubblica" in ihrem Bericht über die Verschiebung der Wahl, die "El Pais" (Madrid) als "neuen Schlag für das internationale Ansehen Österreichs" sieht.

Von "Operettenwahlen in Österreich" schreibt "Il Giornale" (Mailand), und der englische "Guardian" ortet eine "weitere Peinlichkeit" für die Regierung des Kanzlers Christian Kern. Die politische Unsicherheit des Landes werde durch die Verschiebung nur verschärft.

Auch die amerikanische "New York Times" berichtet über die Verschiebung - mit einem kritischen Auge auf Norbert Hofer: Sein Sieg würde nicht nur seine Partei, sondern auch nationalistische Bewegungen in anderen Ländern Europas stärken, die alle auf eine Schwächung der Europäischen Union abzielten.

"Le Monde": "Groteske Bedingungen"

Die französische Tageszeitung "Le Monde" bemängelt die "grotesken Bedingungen" der Wahl. So sei der künftige Amtsinhaber demokratisch nur schwach legitimiert. Ein Land, das einst zu den "stabilsten des Kontinents" gehörte, sei heute gespalten in ein "national-konservatives und ein sozial-liberales" Lager, "die sich feindselig gegenüberstehen".

"Spiegel": "Es gibt nur Verlierer"

"Was wie ein Witz klingt, schadet der Demokratie", resümiert der deutsche "Spiegel". Zu der Frage, wer von der Verschiebung profitieren könnte, heißt es: "In der ganzen Sache gibt es (...) nur Verlierer. Auf den ersten Blick mögen die Rechtspopulisten von der FPÖ von dem Chaos profitieren, weil sie das bisherige politische System infrage stellen. Doch auch aus ihren Kreisen sind Zweifel zu hören. Man befürchte, dass Wähler verärgert seien - immerhin hatte die FPÖ die erste Stichwahl gekippt. Das könnte sich nun vielleicht doch rächen."

Auch die Berliner "Tageszeitung" greift die Frage nach dem Profiteur: "Alles, was Zorn auf die Regierung begründet, hilft zunächst dem Anti-System-Kandidaten. Aber die Polarisierung und die zunehmend radikalisierte Anti-System-Rhetorik, in die sich die FPÖ hineinschraubt, kann letztlich auch dem grünen Kandidaten nützen. Er wächst mehr und mehr in die präsidiale Rolle hinein, gibt sich staatsmännisch und ausgleichend - während sein Konkurrent Gefahr läuft, ein rein ultrarechtes Programm für seine Stammklientel zu fahren und darüber die Mitte zu verlieren."

"Saarbrücker" und "Osnabrücker Zeitung": Keine Bananenrepublik

"So mancher Österreicher bezeichnet seinen Staat schon wütend als Bananenrepublik", analysiert die "Neue Osnabrücker Zeitung", "Aber in einer Demokratie geht es nicht um ein bisschen mehr oder weniger Rechtsstaat. Wenn die Gültigkeit einer Stimme vom fehlerhaften Klebstoff eines Briefumschlages abhängt, ist sie undemokratisch. Insofern ist die Vertagung ein Beleg für eine funktionierende Demokratie. In der können Fehler passieren. Die Frage ist, wie man mit ihnen umgeht."

Ähnlich der Tonus der "Saarbrücker Zeitung": "Nein, das Bild von der Bananenrepublik (...) passt gar nicht. In Bananenrepubliken wird nicht gewählt und wenn, dann lassen Machthaber die Urnen nach Bedarf auffüllen. (...) Die Österreicher senden eine wichtige Botschaft an die Welt: Mit dem Wahlprozess ist nicht zu spaßen. Seine Integrität ist die Basis des Vertrauens in den demokratischen Staat. Das ist es wert, diesen Aufwand zu treiben - und sogar etwas Spott zu ertragen."

Auch die "Rhein-Neckar-Zeitung" lässt Toleranz walten: "Lassen wir einmal allen Spott, alle nachbarschaftliche Häme beiseite. Pannen passieren. Produktrückrufe gibt es auch in Deutschland praktisch wöchentlich."

"Süddeutsche" fühlt sich an Loriot erinnert

"Nicht einmal Franz Kafka hätte Besseres erfinden können", amüsieren sich hingegen die Redakteure von "Sole 24 Ore" (Mailand). Und bei der "Süddeutschen Zeitung" meint man: "Loriot hätte seine Freude an dieser Pressekonferenz gehabt. Sobotka referiert über die 'technische Situation des Klebers' oder über dessen 'technisches Gebrechen'. Herrlich komische Formulierungen wären das, wenn es nur nicht so peinlich wäre. Die Republik hat seit Monaten kein reguläres Staatsoberhaupt mehr."

Die "Bild" urteilt: "Verlierer des Tages: Wolfgang Sobotka. Österreichs Innenminister (...) musste gestern verkünden, dass die Pannenserie bei der Bundespräsidentenwahl weitergeht. (...) Zusatzkosten: zwei Millionen Euro. Bild meint: Scheibenkleister!"

"Stuttgarter Nachrichten" zu Verschwörungstheorien

"Wahlen sind Momentaufnahmen", liest man in der deutschen Zeitung "Der neue Tag". "Die Stimmung an einem Wahlsonntag kann eine ganz andere sein als viele Wochen später. Daraus erwächst ein Problem: Jeder Verlierer wird sich um einen möglichen früheren Sieg betrogen sehen. (...) Verschwörungstheorien sind Tür und Tor geöffnet."

Das sieht man auch bei den "Stuttgarter Nachrichten" so: "Schon arbeitet die FPÖ daran, die erneute Verschiebung als taktisch motiviertes Komplott der angeblich ins Hintertreffen geratenen anderen Parteien zu diffamieren - um selbst abseits allen Rechts ein Verbot der für sie in der Regel weniger erfolgreichen Briefwahl zu fordern. Manche Österreicher fragen bereits defätistisch, wozu das Land überhaupt einen Präsidenten braucht, wo es bisher doch ganz gut ohne ausgekommen ist. Das aber legt populistisch die Axt an die Wurzel der Republik."

"Neue Zürcher Zeitung": Unfähigkeit schwächt Demokratie

"Die Unfähigkeit der Behörden untergräbt in rasendem Tempo das Vertrauen in die Demokratie", urteilt die "Neue Zürcher Zeitung". "In diesem Klima gedeihen Zynismus und Verschwörungstheorien. Hofer und sein Parteichef Strache versuchten postwendend, die Klebstoff-Affäre als Inszenierung darzustellen, die darauf abziele, Hofers unvermeidliche Präsidentschaft zu verzögern. Mit solchen Andeutungen spielen sie mit dem Feuer. Sie machen sich aber auch unglaubwürdig, nehmen die meisten Österreicher Pleiten, Pech und Pannen um die Wahl doch längst nur noch mit Schulterzucken zur Kenntnis."

"Dithmarscher Landeszeitung": Rückkehr der Habsburger?

Ganz neue Lösungsansätze bietet die deutsche "Dithmarscher Landeszeitung" an: "Die wahrscheinliche Konsequenz wird darin bestehen, auf gut Österreichisch weiterzuwursteln. Mit Blick auf die Geschichte bieten sich - mit nur leichtem Augenzwinkern - auch andere Auswege an: Das Land könnte nach 98 Jahren die Habsburger zurück in die Hofburg holen. Oder aber es beschließt den Beitritt zu einem größeren Nachbarn, bei dem wenigstens die Präsidentenwahl noch funktioniert. Das Risiko, von einem Vertreter der FPÖ repräsentiert zu werden, wäre damit auch minimiert."

(zusammengestellt von af)

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