Es scheint ein Fluch auf der Bundespräsidentenwahl zu liegen. Wieder sind schadhafte Wahlkarten aufgetaucht - und eine neue Variante des Klebestreifenproblems. Müssen wir mit einer erneuten Wiederholung der Wahl rechnen?
Wer die Wahl hat, hat die Pannen - so könnte man zumindest im Hinblick auf die Bundespräsidentenstichwahl meinen. In den vergangenen Wochen waren schadhafte Wahlkartenkuverts aufgetaucht, mit defektem Klebestreifen. Als stichprobenartig kontrolliert wurde, wurden zunächst 1.000 Kuverts als fehlerhaft eingeschätzt – mit der Option, dass auch weit mehr betroffen sein könnten. Daraufhin wurde eine genaue Überprüfung durch die Gemeinden angeordnet.
Am Dienstag teilte das Innenministerium mit: Die Anzahl der beschädigten Wahlkarten liege bei rund 500 Stück. Allerdings sind bereits viele Wahlkarten im Umlauf - am Donnerstag wurden in Salzburg drei weitere Fälle bekannt. Die Besitzer hätten sich gemeldet, hieß es von der betroffenen Stadtgemeinde Zell am See gegenüber dem ORF.
Das Klebestreifen-Debakel
In Wien-Ottakring trat zudem das Klebestreifen-Phänomen in einer neuen Variante auf, wie am Donnerstag bekannt wurde: Nachdem schon ein korrektes Kuvert abgegeben wurde, kann sich der Klebestreifen offenbar auch im Nachhinein noch lösen. Eine betroffene Wählerin hatte sich mit diesem Problem an die Behörden gewandt.
Die Frau hatte das Kuvert laut einem APA-Bericht bereits verschlossen und wollte es zur Post bringen, als sie bemerkte, dass die Wahlkarte "auf einer Seite offen" war. Am nächsten Morgen habe sich auch die andere Seite gelöst, erklärte sie. Es sei ein "neues Phänomen, mit dem wir seit gestern (Mittwoch, Anm.) Abend konfrontiert werden", äußerte sich das Innenministerium am Donnerstag gegenüber der APA.
Stimme geht womöglich verloren
Das Problem: Wer seine Wahlkarte bereits ausgefüllt, unterschrieben und zugeklebt hat, kann diese nicht mehr retournieren. Die Wahlbehörde darf dann die Stimme nicht mehr zählen, weil es sein kann, dass der Stimmzettel ausgetauscht wurde. Wer noch nicht zugeklebt oder unterschrieben hat, kann eine neue beantragen.
Genau diese gesetzliche Regelung bereitet auch Verfassungsexperten Kopfzerbrechen. Es sei nicht eindeutig gesetzlich geregelt, ab wann eine Wahlkarte als ungültig zu bewerten sei, meint Verfassungsjurist Karl Weber. Das bedeutet: Sollte der Kleber nicht greifen und die Karte geht in der Zwischenzeit auf, werde sie wahrscheinlich als ungültig bewertet. Wenn sie allerdings nur nicht ganz verschlossen, also nur teilweise geöffnet sei, entscheide die Wahlkommission.
Jeder Wahlkartenwähler ist deshalb weiterhin dazu angehalten, defekte Karten und Kuverts unmittelbar zu melden.
Muss die Wahl wiederholt werden? Wieder?
Doch was bedeuten die beschädigten Wahlkarten für die Wahl selbst? Ist eine Verschiebung möglich? Gar eine weitere Wiederholung? Verfassungsjurist Konrad Lachmayer erklärt: "Eine Wiederholung der Wahl setzt zu allererst eine Anfechtung der Wahl beim Verfassungsgerichtshof voraus. Der Verfassungsgerichtshof hat einer Anfechtung stattzugeben, wenn die Rechtswidrigkeit des Verfahrens für das Ergebnis von Einfluss war. Dies bedeutet, dass wenn tatsächlich nur 500 Wahlkarten beschädigt sind, ein sehr knappes Wahlergebnisses vorliegen muss. Eine Wahlwiederholung ist sodann sehr unwahrscheinlich."
Auch seien die beschädigten Wahlkarten nicht das verfassungsrechtliche Problem, sondern jene Bestimmung des Bundespräsidentenwahlgesetzes, die vorsieht, dass unbrauchbar gewordene Wahlkarten, wenn sie zugeklebt oder unterschrieben sind, nicht ersetzt werden können. Dazu Lachmayer: "Es fehlt an einem sachlichen Grund, wieso eine bereits zugeklebte, aber wieder auseinandergefallene, Wahlkarte nicht durch eine neue Wahlkarte ersetzbar ist. Die bestehende Regelung führt dazu, dass Personen von ihrem Wahlrecht ausgeschlossen werden, obwohl die Ursache dafür nicht in ihrer Sphäre liegt. Es ist also die Sachlichkeit der Regelung zu hinterfragen. Liegt keine sachliche Rechtfertigung vor, aber ein weitgehender Eingriff in das demokratisch so wichtige aktive Wahlrecht, so verstößt diese Bestimmung gegen Verfassungsrecht."
Online-Kurse für Wahlbeisitzer
Alle Augen sind unterdessen auf einen korrekten Ablauf der Wahl gerichtet. Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) hatte am Dienstag einen Leitfaden präsentiert, wie die Wiederholung der Bundespräsidentenwahl korrekt abgewickelt werden soll. Außerdem gibt es nun ein neues Schulungs- und E-Learning-Tool für Wahlbeisitzer. Es ist auf der Homepage des Ministeriums zu finden. Wähler, die Fragen haben, können die für diese Zwecke eingerichtete Hotline nutzen: 0800/20 22 20.
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