Erneut heißt es Blau gegen Grün: Im hoffentlich letzten Akt der Bundespräsidentenwahl müssen beide Kandidaten ein Kunststück vollbringen - ihre Wähler zum dritten Mal motivieren.

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Fußballfan, bei der Krönung einer Weinkönigin und auf einer Kirchweih: Alexander Van der Bellen hat einen Monat vor der erneuten Stichwahl um das Amt des Bundespräsidenten in Österreich viele Fototermine mit leutseligem Charakter.

Van der Bellen muss sein Manko wettmachen

Mit solchen Auftritten will der Wirtschaftsprofessor und Ex-Grünen-Chef sein größtes Manko wettmachen: Der 72-Jährige gilt manchen als arg kopflastiger Polit-Profi ohne wirklichen Draht zum Bürger. Bei der ersten Stichwahl am 22. Mai fuhr er zwar Triumphe in den Städten ein, auf dem Land zeigten ihm viele Wähler aber die kalte Schulter.

Auch Kontrahent Norbert Hofer (45) von der FPÖ rüstet zum dritten Anlauf um das höchste Amt im Staat. Am 2. Oktober fällt die Entscheidung. "Das sind fast amerikanische Verhältnisse", befand FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl angesichts des langen Wahlkampfs.

Seit Monaten ringen Hofer und Van der Bellen um den Einzug in die Hofburg. Am 24. April hatte sich Hofer mit 35 Prozent vor Van der Bellen (21,3 Prozent) für die Stichwahl am 22. Mai qualifiziert.

Die gewann Van der Bellen zwar hauchdünn, aber wegen Unregelmäßigkeiten bei der Briefwahl muss sie nun wiederholt werden - ein europaweites Novum. Das könnte dazu führen, dass erstmals in der EU ein Rechtspopulist oberster Staats-Repräsentant wird.

Die Drecksarbeit machen andere

Hofer inszeniert sich staatstragend, während andere aus seiner Partei - FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und Hofers Wahlkampfmanager Herbert Kickl - den Lagerwahlkampf weiterführt.

Als Dritter Nationalratspräsident besuchte Hofer Slowenien und Kroatien und bekam die Bilder, die er sich wünschte: Mit ihm müsste sich Österreich nicht schämen, war die Botschaft.

Ein "Öxit", ein Ausstieg Österreichs aus der EU, ist kein prominentes Wahlkampfthema der Blauen. Sie wollen das Polterer-Image loswerden, das Strache immer noch anhängt.

Hofer dagegen präsentiert sich nach eigenen Worten als "besonnener Mensch". Seinen einstigen kecken Spruch "Sie werden sich noch wundern" - über die mögliche wahre Macht des Staatsoberhaupts - würde er heute so nicht wiederholen. Nichtsdestotrotz plakatiert die FPÖ "Macht braucht Kontrolle", und setzt auf einen eigenen starken Mann in der Hofburg.

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Neue Chance, bessere Ausgangslage

Der 45-jährige gelernte Flugzeugtechniker hat gute Chancen, es diesmal zu schaffen. "Eine neue Chance ist eine bessere Ausgangslage, als einen Sieg noch einmal zu wiederholen", sagt die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle.

Auch die politische Großwetterlage mit den Dauerthemen Asyl, Zuwanderung, Sicherheit spiele der FPÖ in die Hände. Die größte Gefahr für Hofer seien ausländerfeindliche und menschenverachtende Töne auch aus der zweiten oder dritten Reihe der FPÖ, meint die Expertin.

"Das würde die bürgerlichen Wähler verschrecken und sie um das Image Österreichs in der Welt fürchten lassen." Die Wähler der konservativen ÖVP, am 22. Mai je zur Hälfte in eines der beiden Lager gewandert, spielten eine wichtige Rolle.

Van der Bellen will Bedenken zerstreuen

Der 72-jährige Van der Bellen will bewusst alle etwaigen Bedenken wegen seines Alters und seiner Gesundheit zerstreuen. Der starke Raucher ging mit Journalisten auf eine Bergwanderung und veröffentlichte sogar den Befund seines Arztes.

Dieser erklärte, sein Patient sei in einem verblüffend guten Gesundheitszustand. "Er hat wirklich eine herrliche Lunge." Ein Vorstoß, der alle im Internet schwirrenden Krebs-Gerüchte aushebeln soll.

Als positives Signal für Van der Bellen gilt die breite finanzielle Unterstützung aus dem Volk. Rund eine Million Euro hat er bisher von Spendern eingesammelt. "Geld hergeben ist in Österreich eher ungewöhnlich", sagt Stainer-Hämmerle.

Umfragen sehen Hofer knapp vorn

Dennoch sehen die Umfragen Hofer knapp vor Van der Bellen. Von Einfluss auf den Ausgang ist neben den Kampagnen die Arbeit der rot-schwarzen Regierungskoalition. Je unzufriedener die Menschen, desto eher wählen sie Hofer, lautet die allgemein akzeptierte Formel.

Um den 6,4 Millionen Wählern die eigene Handlungsfähigkeit zu beweisen, sucht die Regierung noch vor der Wahl die große Bühne: Kanzler Christian Kern (SPÖ) plant einen Asyl-Gipfel mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel (CDU). (dpa/ank)

Alles zur Bundespräsidentenwahl 2016  © dpa

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