Zum nunmehr dritten Mal in diesem Jahr werden die Österreicher im Herbst zu Präsidentenwahl gehen. Aber werden sie wirklich? Wie und womit können die Stichwahlkandidaten die Bevölkerung für einen weiteren Wahlgang mobilisieren? Wodurch wird sich der neue Wahlkampf unterscheiden?
Eine Wiederholung des ersten Stichwahlkampfes: Das werde es nicht geben, kündigten bereits zu Wochenbeginn die Wahlkampfmanager von
Herr Plaikner,
Peter Plaikner: Das kann man nicht nur von einer Seite, also von der Verhaltensweise eines Alexander Van der Bellen betrachten. Beide Kandidaten stehen vor einer neuen Herausforderung, und angesichts des knappen Ergebnisses der letzten Wahl geht es in erster Linie darum, die Bürgerinnen und Bürger zu mobilisieren und zu einer hohen Wahlbeteiligung zu bewegen.
Das heißt: Im Vordergrund steht der Aufruf, zur Wahl zu gehen?
Die Frage ist doch: wie mobilisiere ich die Wählerinnen und Wähler, um ein drittes Mal zur Wahl zu gehen. Was man nicht wollen kann, ist, dass ein Kandidat nur knapp und bei einer niedrigen Wahlbeteiligung gewinnt. Denn dieser würde die gesamte Amtszeit in Frage gestellt werden.
Was bedeutet das konkret für den Wahlkampf der beiden Kandidaten?
Da geht es eigentlich schon längst nicht mehr nur um die beiden Kandidaten. Nun sind auch alle anderen Parteien dazu aufgerufen, die Wahl zu unterstützen. Aus meiner Sicht muss dieser Wahlkampf insbesondere auch von SPÖ und ÖVP getragen werden. Denn sie müssen jetzt beweisen, dass sie die staatstragenden Parteien sind, als die sie sich gerne darstellen. Wenn sie das beweisen wollen, müssen sie den Staat auch tragen, wenn kein eigener Kandidat im Rennen ist. Das gilt insbesondere für die Wahlbeisitzer, die ja hauptsächlich von ÖVP und SPÖ gestellt werden.
SPÖ und ÖVP sollten also in den Wahlkampf miteinsteigen?
Um die Wahlbeteiligung zu erhöhen. Es kann ja nicht sein, dass eine Präsidentschaftswahl plötzlich nicht mehr wichtig ist, nur weil man keinen eigenen Kandidaten mehr hat. Das ist so, als ob plötzlich alle Österreicher das Interesse an der EM verlieren, nur weil Österreich nicht mehr mitspielt.
Bundespräsident Heinz Fischer hat davon gesprochen, dass er im Herbst eine Wahlempfehlung abgeben könnte. Er hat hohe Sympathiewerte - könnte seine Empfehlung ausschlaggebend sein?
Bei solchen knappen Entscheidungen kann jede Empfehlung ausschlaggebend sein, und je höher die Reputation der Person, desto gewichtiger die Empfehlung. Man darf bei den Empfehlungen aber auch nicht vergessen, dass sich viele nicht bevormunden lassen wollen. Und dann besteht noch die diplomatische Variante, dass er einfach zum Wählen an sich aufrufen könnte. Stichwort: Erhöhung der Wahlbeteiligung.
Kommt die Aufhebung der Stichwahl einer Blamage für Österreich gleich?
Nein, das finde ich nicht. Dieses Szenario bedeutet auch, dass die dritte Staatsgewalt in der Lage ist, einen Missstand zu beheben, Sie hat gezeigt, wie effizient es im Staat funktionieren kann, wenn es sein muss. Das wiederum stellt der heimischen Republik ein gutes Zeugnis aus.
Also sind wir keine Bananenrepublik?
Nein, überhaupt nicht. Dann müsste man auch die USA als eine solche bezeichnen. Das Die Wahl zwischen George Bush und Al Gore im Jahr 2000 wurde auch nicht beanstandet, als es bei der Auszählung Unregelmäßigkeiten gab. Wenn wir uns insofern mit solchen Staaten vergleichen können, haben wir kein großes Problem.
Ich glaube aber auch nicht, dass das in anderen Staaten gänzlich reibungslos verläuft. Das soll aber alles nicht die Tatsache entschuldigen, denn was uns Österreichern eigen ist, ist, dass wir Formen und Regeln missachten.
Zurück zum Wahlkampf: Was werden die größten Herausforderungen für Teams und Kandidaten sein?
Überhaupt noch ein Thema zu finden, das zu diesem Wahlkampf gehört. Das wird schwierig, also werden weiterhin Themen dominieren, die nichts mit dem Präsidentenamt per se zu tun haben. Das eine wird der Brexit sein und das andere Thema wird, auch wenn es jetzt noch unter der Decke schwelt, wieder das Flüchtlingsthema sein. Man darf nicht vergessen, dass im Herbst die Flüchtlingsströme, wie im vergangenen Jahr, wieder stärker werden. Also wird das Thema genau vor der Wahl hochkochen.
Doch könnte der Brexit, angesichts der Rücktritte von Boris Johnson und Nigel Farage, nicht ein Eigentor für Norbert Hofer werden, wenn es um den potenziellen "Öxit" geht? Wie viel Verantwortung sind Rechtsparteien überhaupt bereit zu übernehmen?
Es ist ja ein Schema der Rechtsparteien, dass sie am Ende keine Verantwortung übernehmen. Da gibt es keinen Plan dahinter. Van der Bellen ist also gut beraten, bei seinen Äußerungen zu bleiben, die er schon im ersten Wahlgang getätigt hat: zu betonen, dass er eben ein überzeugter Europäer ist.
Könnte Hofer die Anfechtung der Wahl für sich verwenden, um sich als Retter der Rechtsstaatlichkeit zu präsentieren?
Das könnte sein, es gibt ja bereits Andeutungen bezüglich nicht auszuschließender Manipulationen. Ich würde sehr davor warnen, denn das befriedigt zwar eine Kernwählerschicht, aber mit diesen Protestwählern kommt man nicht über 50 Prozent. Da müssen schon breitere Signale aufgestellt werden. Gerade für eine nationale Heimatpartei, als die sich die FPÖ gerne präsentiert, muss es darum gehen, das Zutrauen in die Republik zu stärken. Das ist ein schwieriger Prozess, aber ich glaube, wenn die FPÖ die Fähigkeiten von Institutionen anzweifelt, dann wird das ein Eigentor.
Umgekehrt, könnte Van der Bellen den Blauen wegen der Kosten des dritten Wahlganges Steuerverschwendung vorwerfen?
Nein, das wäre das gleiche. Außerdem ist eine Summe von zehn Millionen Euro für die meisten Menschen nicht vorstellbar und greifbar. Auf das hin könnte nämlich die FPÖ besser reagieren, in dem sie den Wert der Demokratie in Frage stellt und damit argumentiert, dass wesentlich mehr Geld für sinnlosere Dinge verschwendet wird. Das wäre wiederum für die Grünen ein Eigentor.
Aber was bleibt dann eigentlich im Themenpool übrig?
Ein Thema, das sich für beide eignen würde, wäre, auf die deutliche Trennung zwischen Legislative und Exekutive zu drängen. In Österreich sind ja beide Instanzen sehr ähnlich und verwechselbar. denn der Nationalrat setzt um, was die Regierung haben will.
In der Realität gibt es zwischen Parlament und Regierung keine wirklich Trennung. Und hier kommt der Bundespräsident ins Spiel, der ja beim Thema Gewaltentrennung auch wichtig ist. Für Van der Bellen besonders interessant, weil er ja bereits davon gesprochen hat, die Rolle des Bundespräsidenten zu entmachten.
Eine Frage stellt sich natürlich noch: Die FPÖ ist jetzt schon sehr lange vorne in den Umfragen, aber stellen Sie sich vor, es kommt tatsächlich auf europäischer Ebene zu einer Lösung der Flüchtlingsfrage und es würde sich substanziell etwas ändern. Das würde der FPÖ ein Thema und automatisch viele Prozentpunkte wegnehmen. Und da kann sich dann alles schnell wieder ändern.
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