Exakt zwei Wochen vor dem großen Wahltag stellten sich am Sonntag die beiden Präsidentschaftskandidaten Alexander van der Bellen und Norbert Hofer dem TV-Duell auf Puls4 - erneut. Seit elf Monaten begegnen sich die beiden Kandidaten mittlerweile in Diskussionen. Viel Zeit, um voneinander zu lernen, wie sowohl Hofer als auch van der Bellen bestätigten.

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Vor allem Norbert Hofer beteuerte, von Fehlern viel mitgenommen zu haben. Gelernt habe auch er, meinte van der Bellen und meinte damit zuerst Hofers Rhetorik, die er nun durchschaut habe. Hofer dazu: "Ein Politiker muss das können. Ein Politiker, der die Rhetorik nicht beherrscht, hat das Wesentliche nicht gelernt."

Und damit war die Diskussion entfacht. Der längste Wahlkampf der zweiten Republik wird sicher als einer der emotionalsten in die Geschichte eingehen. Dabei mahnte Kurier-Chefredakteur Helmut Brandstätter am Puls4-Analystentisch noch vor dem Gespräch: "Es ist ein Lagerwahlkampf. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass es sich um einen Präsidentschaftswahlkampf handelt und nicht um die Nationalratswahlen."

Van der Bellen: "Komme vom Dorf"

Der Fokus der beiden Kandidaten war klar auf jene Wähler gerichtet, die sich noch nicht entschieden haben, wem sie am 4. Dezember ihre Stimme geben werden. Vor allem Hofer gab sich zurückhaltend. Alexander van der Bellen hingegen agierte viel offener und direkter als man es von ihm kennt. Die Kandidaten scheinen also tatsächlich gelernt zu haben. Bei van der Bellen fällt die Veränderung auf – aber nicht immer positiv. Beispielsweise in seiner neuen betont ländlichen Kampagne. Von Puls4-Politchefin Corinna Millborn auf seine plötzliche Nähe zur Landbevölkerung angesprochen meinte er: "Ich bin begeisterter Großstädter, aber ich komme vom Dorf." Eine Tracht zu tragen sei für ihn nichts Unnatürliches.

Anti-EU-Volksabstimmung noch nicht vom Tisch

Hofer wiederum wurde mit seiner plötzlichen Sanftheit konfrontiert. Noch zu Beginn des Wahlkampfes hat er seinen Kontrahenten als "Grünen Diktator" bezeichnet. Solche Töne vermeidet der dritte Nationalratspräsident mittlerweile. Dennoch: geändert hat sich nur die Art, nicht die Standpunkte. Wieder bekräftigte van der Bellen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache nie mit einer Regierungsbildung beauftragen zu wollen, denn er sei weiterhin ein Verfechter der EU. Hofer dazu: "Ich glaube, dass das Projekt EU noch nicht gescheitert ist." Diese Aussage war insofern interessant, weil Hofer noch vor Monaten für einen Austritt aus der EU plädierte und laut über einen Öxit (das heimische Pendant zum Brexit) nachdachte.

Van der Bellen zweifelte an einer wesentlichen Änderung im Kurs der FPÖ: "Ich verstehe nicht, wie man aus wirtschaftspolitischen Gründen nur daran denken kann aus der EU auszutreten." Österreich würde ein solcher ruinieren. Hofer ließ durchklingen, dass es durchaus noch den Gedanken einer Volksabstimmung über den Verbleib in der EU gibt, sofern sich "die Verträge grundlegend ändern oder wenn die Türkei beitritt." Van der Bellen darauf: "Dass die Türkei in die EU aufgenommen wird betrifft weder die nächste Amtszeit des Bundespräsidenten noch ordnet ein Präsident eine Volksabstimmung an."

Auf die Frage, wie man als Präsident mit Anhängern des türkischen Präsidenten Erdogan umgehen würde meinte Hofer, er würde doppelte Staatsbürgerschaften aberkennen. Van der Bellen wiederum mahnte, dass es sich auch bei Demonstranten in diesem Fall um österreichische Staatsbürger handeln würde, also insofern auch die Rechtsstaatlichkeit zum Tragen komme. Wortwörtlich sagte er: "Demonstrationen gegen einen Putsch müssen wohl möglich sein."

Van der Bellen: "Nicht jeder Muslim ist ein Dschihadist"

Auch die Aussage Hofers, dass es keine muslimischen Pflegekräfte gebe, stand zur Debatte. Er blieb weiterhin dabei: während seines einjährigen Krankenhausaufenthalts habe er keine Muslime gesehen. Zumindest keine verschleierten, "radikale", wie er es bezeichnete. Natürlich gebe es im Alltag Probleme mit Religionen, meinte van der Bellen, bat aber zu verstehen, dass der Islam eine seit 100 Jahren anerkannte Religion in Österreich sei. Religion sei prinzipiell Privatsache und habe auch in der Politik nichts verloren. Auch dürfe man sich nicht von Angst vor dem Islamismus leiten lassen. Man müsse zwar vorsichtig sein, aber nicht jeder Muslim, der nach Österreich kommt, sei ein Dschihadist.

Hofer: "277.000 Euro kostet jeder Flüchtling"

Auf die Positionierung des Landes Österreich angesprochen sprach sich van der Bellen klar für Deutschland und Italien als starke Handelspartner aus. Hofer bekräftigte seine Forderung stärker mit Oststaaten zusammenzuarbeiten. Zu Deutschland und Italien meinte er: "Ich sehe einige Dinge von Angela Merkel positiv", aber mit der Wir-schaffen-das-Mentalität habe sie einen Fehler gemacht, der sich nun negativ auf alle auswirke.

Hofer: "Wir schaffen das nicht. Jeder Flüchtling kostet 277.000 Euro. Wer ist also wir? Die steuerzahlenden Österreicher nicht. Diese Aussage war ein kapitaler Fehler, der der ganzen Union massiven Schaden zugefügt hat." Van der Bellen hingegen sprach sich weiterhin dafür aus, gab sich aber ebenfalls kritisch: "Wir haben eine Verpflichtung Menschen in Not zu helfen, aber es kann nicht sein, dass das nur 5 von 28 Ländern alleine machen. Also gibt es Grenzen und natürlich müssen sich die Flüchtlinge an unsere Gesetze halten."

Eine wesentliche Frage war auch der Umgang mit den USA und ihrem neu gewählten Oberhaupt Donald Trump. Van der Bellen, der stets gegen Donald Trump als US-Präsident auftrat, meinte: "Einladen ja, aber ich sehe keinen Grund mich vor ihm in den Sand zu werfen." Ganz anders dazu Hofer, dessen Parteichef Strache Trump zum Sieg gratulierte: "Die USA sind für Österreich ein wichtiger Partner. Ein Staatsmann muss mit anderen Staatsmännern gute Kontakte pflegen, egal welche Ideologie dieser vertritt", sagte Hofer und sprach sich auch für bessere Kontakte zu Russland und China aus.

Van der Bellen: "Glaube an Freiheit und Gleichheit"

Letztlich wollte Millborn von beiden noch wissen, welche politischen Ansichten sie ihrer Meinung nach wirklich vertreten würden. Sieht sich van der Bellen als Linker? "Ich glaube an Freiheit, Gleichheit, Respekt vor Andersdenkenden. Ist das links? Das sind nur Teile der Menschenrechte. Ich halte mich für einen Kandidaten der Mitte und würde als Präsident so agieren und das Amt überparteilich ausüben." Dass die linksextremen Bewegungen, wie die "Grüne Jugend", unter seiner Präsidentschaft ein Problem werden könnten bezweifelte van der Bellen.

An Hofer ging die Frage, wie rechts er denn eigentlich sei – auch vor dem Hintergrund der Neonazi-Vergangenheit seines Büromitarbeiters Rene Schimanek: "Erstens handelt es sich hier um den Bruder von Rene Schimanek und zweitens ist er schon lange ein angesehener Mitarbeiter."

Zum Kabinettsdirektor wolle er ihn jedenfalls nicht machen, sagte Hofer. Die Herausgeberschaft seines umstrittenen Buches unterstützte er weiterhin. Auch bekräftigte er "kein Feminist" zu sein, aber auch "kein Macho." Die Nazi-Keule ließen beide Kandidaten diesmal stecken. Nur kurz gab es einen Schlagabtausch über fragwürdige Postings die von extremen Fans in beiden Lagern auf Social Media-Kanälen gepostet werden.

Das Fazit von Politikberater Thomas Hofbauer zur Diskussion: "Hofer hat sich sehr bemüht ruhig zu sein und Tricks weggelassen. Van der Bellen war viel offener und direkter als bisher. Bei beiden hat man aber gemerkt, dass es um die unentschlossenen Wähler ging."

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