Man wolle keinen Sommerwahlkampf, tönte es bis vor wenigen Tagen noch aus den Lagern beider Präsidentschaftskandidaten. Während Alexander Van der Bellen und sein Team tatsächlich einen Gang zurückschalten, setzt die FPÖ ihre Kampagne fort – wenn auch auf Kuschelkurs getrimmt.
"Es ist auffallend:
Hofer hatte seinen Büroleiter René Schimanek nach Berlin mitgenommen, wo dieser von den Journalisten prompt mit alten Fotos von Nazi-Aufmärschen konfrontiert wurde, bei denen er teilgenommen hatte.
Hofers Strategie: Spiel über die Bande
Doch warum ist Hofer der Auftritt im Ausland plötzlich so wichtig? "Er versucht das Spiel über die Bande. Punktet er im Ausland, kann er diesen Vorteil hierzulande nutzen", erklärt Plaikner.
Hofer versuche damit die Ressentiments abzubauen, die gegen einen möglichen FPÖ-Präsidenten vorherrschen, und seine Weltoffenheit zu demonstrieren.
Plaikner: "Viele hatten zunächst ja befürchtet, er würde sich in seiner Rolle als Dritter Nationalratspräsident, in der er ja auch Teilvertreter des Bundespräsidentenamtes ist, in den Vordergrund drängen. Mit der aktuellen Strategie beweist er das Gegenteil."
Gefahr, die Wähler zu langweilen
Während Hofer also versucht, ausländische Medien zu bespielen und sich in Interview hierzulande hemdsärmelig als Familienmensch präsentiert, mit seinem neuen Hundewelpen am Arm, herrscht im Lager von
"Man spürt hier die Länge des Wahlkampfes, der in dieser Form für niemanden absehbar war", sagt der Kommunikationsexperte. "Das Problem, dass sich für Van der Bellen stellt, ist die Frage nach den Inhalten. Was gibt es noch zu erzählen?"
Bevor man in eine weitere Wiederholung gehe - mit der Gefahr, die Wähler über Gebühr zu langweilen -, sei besser, die Akkus aufzuladen, glaubt Plaikner. "Van der Bellen benötigt im August keine Präsenz. Da ist es sinnvoller, im September voll da zu sein."
Ausgangssituation ist völlig anders
Nach Van der Bellens Ansicht handelt es sich bei der Wahl am 2. Oktober nicht um eine Wiederholung, sondern viel mehr um eine komplett neue Wahl - aufgrund der veränderten Gesamtsituation, wie er kürzlich in einem Interview sagte.
So sieht das auch Plaikner: "Ich kann mich an keinen vergleichbaren Sommer in den vergangenen Jahrzehnten erinnern. Die Ereignisse rundherum machen vielen Angst. Van der Bellens Situation wird von Ereignis zu Ereignis schwieriger, während Hofer mit klassischer Sicherheitspolitik kontern wird."
Grundsätzlich seien bereits die ersten beiden Wahlgänge stark von Außengeräuschen überlagert worden, sagt der Experte – und hier liege die große Herausforderung. Denn niemand könne sagen, was in den kommenden Wochen und Monaten vor allem hinsichtlich der Flüchtlingsfrage passieren werde.
Plaikner: "Aus meiner Sicht ist die Bundespräsidentenwahl wieder völlig offen. Jetzt sieht es so aus, als hätte Hofer Vorteile. So hat es aber auch schon vor der ersten Stichwahl ausgesehen."
Diskrepanz zwischen Realität und Social Media
Die spannendere Frage wird sein, welche Position Van der Bellen vertritt. "Es wird interessant, zu beobachten, wie weit er die absolute Gegenposition zu Hofer - also Merkels 'Wir schaffen das'-Position - wagt", sagt Plaikner.
Van der Bellens potenzielle Zielgruppe sei nach wie vor groß, und der Unmut einiger Hofer-Wähler über die Wahlanfechtung nicht zu unterschätzen: Sein Image als schlechter Verlierer könnte dem FPÖ-Kandidaten Stimmen kosten.
Und dann sei da noch ein wesentlicher Aspekt, gibt der Experte zu bedenken: "Es gibt nach wie vor eine wesentliche Diskrepanz zwischen der virtuellen Realität in Sozialen Medien und dem, was in der Wahlkabine tatsächlich passiert." Also dem, wie sich Menschen im Netz gebärden, und wen sie letztlich wählen.
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