Goethes Gretchenfrage wird zum Aufreger im Rennen um die Hofburg: Keiner der beiden Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl ist katholisch.

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Seit einigen Tagen ist der an Skandalen und Skandälchen nicht eben arme Bundespräsidentschaftswahlkampf um einen Aufreger reicher: Mit dem Slogan "So wahr mir Gott helfe" hat sich der Kandidat der Freiheitlichen Partei mitten im Wahlkampf an das heikle Thema Religion gewagt – und es instrumentalisiert, urteilen Kritiker. Im säkularen, aber stark katholisch geprägten Österreich für viele ein Tabubruch.

"Die katholische Amtskirche hat mich aufgrund der scheinmoralischen Aktivitäten ihrer linken Neo-Inquisitoren, falscher Frömmler und wahrer Heuchler endgültig verloren." So erklärte Norbert Hofer 2009 die Motive für seinen Austritt aus der katholischen Kirche.

Norbert Hofer ist evangelisch

Seither ist der 45 Jahre alte Anwärter auf das höchste Amt der Republik überzeugter Protestant, betont fromm und hat ein inniges Verhältnis zu den höheren Mächten: "Ich spreche jeden Tag mit meinem Herrgott und bin froh, dass es jemanden gibt, der viel gescheiter ist als ich", sagt Hofer im Gespräch mit unserer Redaktion.

Im Fall des Falles, als neuer Bundespräsident, wäre es ihm wichtig, "unsere christlichen Symbole – wie das Kreuz in den Klassenzimmern - nicht aus dem öffentlichen Raum verdrängen zu lassen und unsere Werte wieder zu stärken", sagt Hofer.

Dazu gehören für ihn etwa "die besondere Stellung der Familien, der Schutz ungeborenen Lebens, aber auch die Bewahrung und Fortführung unserer Traditionen - wie der Besuch des Nikolaus im Kindergarten."

Kritik von katholischer Seite

Dass der FPÖ-Politiker mit seinem Christsein auf Stimmenfang gehen will, nehmen ihm sowohl das katholische wie auch das evangelische Lager übel: "Mir ist eine Vereinnahmung Gottes für politische Zwecke zutiefst suspekt", teilte Gerda Schaffelhofer, Präsidentin der Katholischen Aktion Österreich (KAÖ), via Aussendung mit.

Eine solche Wahlwerbung werfe auch die Frage auf, was als nächstes folge, glaubt Schaffelhofer: "Wird dann im Falle eines Wahlsieges von Norbert Hofer dieser Wahlausgang zum Gottesurteil hochstilisiert und Hofer als Bundespräsident von Gottes Gnaden tituliert?" Mit einer solchen Vorgangsweise "setzt man auch eine vernünftige Trennung von Staat und Religion beziehungsweise Kirche, wie wir sie in Österreich erreicht haben, aufs Spiel", mahnt die KAÖ-Präsidentin.

Auch evangelische Kirchenvertreter kritisieren Hofer

Auch Spitzenvertreter der drei evangelischen Kirchen in Österreich sind nicht erfreut über Hofers Vorstoß, wie sie kürzlich in einem gemeinsamen Schreiben demonstrierten. "Sich öffentlich zu seinem Glauben zu bekennen ist das Recht eines jeden Christenmenschen", betonten der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker, der reformierte Landessuperintendent Thomas Hennefeld und der methodistische Superintendent Stefan Schröckenfuchs.

"Gott für die eigenen politischen Interessen einzuspannen und ihn in Verbindung mit dem Hinweis auf das christliche Abendland zumindest indirekt als Kampfansage gegen andere Religionen und Kulturen einzusetzen, erachten wir als Missbrauch seines Namens und der Religion", heißt es in dem Schreiben weiter.

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Hofers Wahlkampfleiter winkt ab

In Hofers Wahlkampfzentrale versucht man, zu kalmieren: Wahlkampfleiter Herbert Kickl findet den Vorwurf, die Partei habe den Gottesbegriff für Wahlkampfzwecke quasi entweiht, zu weit hergeholt.

Kickl verweist in einem Blogeintrag unter anderem auf die österreichische "Leitkultur": "Die Verwendung des Zusatzes zur Gelöbnisformel des Amtseids 'So wahr mir Gott helfe' auch auf dem Plakat ist alles andere als ein Missbrauch des Begriffs Gottes", schreibt er.

Genauso wenig werde der Begriff "Gott" missbraucht, wenn man jemanden mit den Worten "Grüß Gott" begrüße, wenn sich jemand mit "Gott sei Dank" bedanke oder jemand die Worte "Um Gottes Willen" ausspreche. Der Gottesbegriff sei "in unserer Tradition und im Wertegefüge unserer Leitkultur tief verankert".

Alexander Van der Bellen glaubt nicht an Gott

Hofers Gegner im Rennen um die Hofburg, Alexander Van der Bellen, hat ebenfalls kein typisch österreichisches Verhältnis zur Religion. Im überwiegend katholischen Tirol aufgewachsen, war seine Familie evangelisch. Van der Bellen trat jedoch schon als Student aus der Kirche aus.

Der 72-Jährige steht der Religion insgesamt mit gemischten Gefühlen gegenüber. Als "nicht gläubig im engeren Sinne, aber der Botschaft des Neuen Testaments verpflichtet" skizzierte Van der Bellen seine Haltung, als die Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag" vor dem ersten Wahlgang Ende April die Gretchenfrage an alle Kandidaten stellte. Vor allem ein oft religiös motiviertes, soziales Engagement sei ihm wichtig, sagte der Ex-Grünen-Chef.

Sollte er Präsident werden, würde er Kreuze durchaus in den Klassenzimmern hängen lassen, allerdings auf den Zusatz "So wahr mir Gott helfe" im Gelöbnis verzichten, sagte er im Frühjahr im ORF-Talk mit Ingrid Thurner.

Immer wieder heißt es, Van der Bellen liebäugele mit einem Kircheneintritt nach der Wahl. Ob an den Gerüchten etwas Wahres dran ist, erfahren die Wählerinnen und Wähler wohl frühestens nach dem 4. Dezember.

GMX.at hat versucht, ein direktes Statement von Alexander Van der Bellen zu seinem Religionsverständnis einzuholen. Die Anfrage wurde jedoch nicht beantwortet.
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