Einige sehen in der erfolgreichen Wahlanfechtung der FPÖ einen Vorteil für Norbert Hofer. Experten schätzen die Chancen der Präsidentschaftskandidaten differenzierter ein. Vor allem zwei Faktoren dürften für den Wahlsieg den Ausschlag geben.

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Hier postet Norbert Hofer süße Welpenfotos, dort posiert Alexander van der Bellen beim Public Viewing: Die Kandidaten zur Bundespräsidentenwahl dominieren drei Monate vor der Wiederholung der Stichwahl die Timelines vieler Facebook-Nutzer.

Mit "VdB! Mehr denn je" wollen Anhänger von Van der Bellen zeigen, dass trotz gelungener Wahlanfechtung der FPÖ für ihren Kandidaten alles möglich sei. Politologen und Wahlkampfprofis sind sich sicher: Die Stimmung kann sich jederzeit ändern.

Hofer schon jetzt als Sieger zu feiern, wäre unseriös, warnt der Politologe Fritz Plasser im Interview mit unserer Redaktion. Zwar habe der FPÖ-Kandidat durch die Aufhebung der Stichwahl eine neue Chance erhalten, siegessicher könne er allerdings nicht sein. Die Mobilisierungsmittel und Themen würden letztlich über Sieg und Niederlage entscheiden, glaubt Plasser.

Noch ist alles offen

"Keiner hat der FPÖ das Recht abgesprochen, die Wahl in Frage zu stellen. Die anderen Parteien haben die Entscheidung der Richter auch bestätigt", sagt Plasser. Für den Politologen heißt das: Noch ist alles offen.

"Die FPÖ wird natürlich sagen: Die anderen haben eh keine Chance. Van der Bellen wird zeigen wollen, dass er auch ein zweites Mal überzeugen kann." Gewinnen werde, wer die eigenen Wähler besser mobilisiere, urteilt Plasser.

Eine Frage des Geldes

PR-Berater Rudi Fußi hat die SPÖ unter dem damaligen Kanzler Alfred Gusenbauer im Wahlkampf unterstützt: "Ich rechne mit einer sinkenden Wahlbeteiligung im Oktober", sagt Fußi im Gespräch mit unserer Redaktion. Seiner Ansicht nach werden viele kein Interesse an der Wahlwiederholung haben.

"Die Mobilisierung ist auch eine Frage des Geldes. Die FPÖ hat klar finanziellen Vorteil, aber auch ihr geht das Geld aus." Fußi sieht im Moment dennoch Van der Bellen vorne. "Wenn er ruhig bleibt und keine Fehler begeht, hat er gute Chancen zu gewinnen", urteilt der Wahlkampfprofi.

Die Zeichen stehen derweil auf einen emotionalen Wahlkampf mit Schmutzkübelkampagnen. Die Ausgangslage der FPÖ schätzt Politologe Plasser als "sehr riskant" ein. Die rechtspopulistische Partei visiere schon länger einen Image-Wechsel an.

"Ich bezweifle, dass die Wahlanfechtung die FPÖ in die Mitte führen wird. Die letzten Wochen vor der Wahl werden zeigen, ob die Partei nicht doch in ihre emotionalisierende Negativität abgleiten wird", analysiert Plasser.

Mit Öxit ist "nichts zu gewinnen"

Das Dilemma zwischen Populismus und Sachpolitik habe sich durch die widersprüchlichen Brexit-Reaktionen gezeigt, sagt Fußi. Gemeint ist Hofers Aussage kurz nach Bekanntwerden des EU-Austrittsvotums der Briten: "Wenn die Union sich falsch entwickelt, dann wäre für mich der Augenblick gegeben, wo man sagt: So, jetzt muss man auch die Österreicher fragen", sagte der FPÖ-Kandidat in der Gratiszeitung "Österreich".

Würde sich die EU "falsch entwickeln", sei ein Referendum zum Ausstieg auch hierzulande denkbar, warnt Hofer. "Wenn man die Weichen innerhalb eines Jahres mehr in Richtung Zentralismus stellt, anstatt sich auf die Grundwerte zu besinnen, dann müssten wir die Österreicher fragen, ob sie hier noch Mitglied sein wollen."

Hofer löste damit heftige Debatten über den möglichen Öxit und dessen Folgen für Österreich aus. Kurz darauf rudert die FPÖ zurück. Die Aussagen Hofers wären von den Medien "mehr als überspitzt" dargestellt worden, heißt es in einer Parteiaussendung.

Auch Hofer selbst meldete sich erneut zu Wort: Er ärgere sich darüer, dass ihm unterstellt werde, für Öxit zu sein. "Ich bin nicht für einen Austritt Österreichs aus der Europäischen Union." Das sei auch nicht die Linie der FPÖ.

Riskanter Stimmenfang

Für Rudi Fußi bedeutet die Klarstellung ein "Zurückrudern". "Die FPÖ hat die Situation falsch eingesetzt. Das Schimpfen auf Brüssel ist fester Bestandteil der FPÖ-Kampagnen. Die Suche nach Schuldigen, seien es Beamte in Brüssel oder Flüchtlinge, funktioniert durch ihre Einfachheit und lenkt vom eigenen Versagen ab", sagt der PR-Stratege. Die FPÖ habe jedoch erkannt, dass mit dem "Öxit" derzeit nichts zu gewinnen sei.

Dass der EU-Austritt Österreichs trotz Vertrauenskrise und Skepsis nicht mehrheitsfähig sei, bestätigt auch Plasser. "Die FPÖ ist in einem Dilemma: Um Hofer in die Hofburg zu bringen, wird eine hohe Mobilisierung vonnöten sein. Brexit und Öxit werden daher eine große Rolle im Wahlkampf spielen. Wenn sie aber zu sehr überspitzen, werden sie Wählerpotential verlieren", sagt der Politologe. Die kommenden Wochen würden zeigen, wie stark sich die FPÖ hier positioniere.

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