Alexander Van der Bellen würde FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache auch bei einer relativen Mehrheit keinen Auftrag zur Regierungsbildung erteilen. Das betont der neue erste Mann im Staat in einem ARD-Interview. Als gespaltenes Land sieht er Österreich dennoch nicht.
Der designierte Bundespräsident
Die FPÖ liebäugle mit einer Renationalisierung der Union - in seinen Augen ein großer Fehler. "Wir sind ein kleines, offenes Land, das auf Exporte angewiesen ist. Und es ist nicht im wirtschaftlichen oder politischen Interesse Österreichs, sich von der Union in irgendeiner Weise abzunabeln."
Auch wenn die FPÖ bei den Nationalratswahlen 2018 die relative Mehrheit erreichen sollte, würde er deren Parteichef nicht mit der Regierungsbildung beauftragen. "Meine Bedenken sind nicht persönlicher Art, sondern vor allem europapolitischer Art", betonte Van der Bellen.
"War halt eine 50:50-Entscheidung"
Als gespaltenes Land will Van der Bellen Österreich nicht sehen. "Es war halt eine 50:50-Entscheidung. Ich würde das nicht dramatisieren", sagte er. Österreich sei ein sehr vielfältiges Land mit unterschiedlichen Ansichten. Das Gute an diesem Wahlkampf: Er habe das Land politisiert. Darauf könne man aufbauen.
In Hinblick auf die Flüchtlingskrise sprach sich der designierte Präsident für einen "pragmatischen Humanismus" aus: "Man hat das Recht zu fliehen, wenn das eigene Leben bedroht ist. Wir haben die Pflicht, nach Möglichkeit diese Menschen aufzunehmen." Mit "Wir" meine er "die ganze Europäische Union", präzisierte Van der Bellen.
Van der Bellen sieht ganz Europa gefordert
Es gebe allerdings auch Grenzen der Kapazität - in den Schulen, in den Kindergärten, in der Unterbringung - "hier ist ganz Europa gefordert". Es gebe Rechte und Pflichten auf beiden Seiten.
Neuankömmlinge müssten die Regeln beachten und sich an Gesetze halten. "Da gibt es aus meiner Sicht kein Pardon." Die Angriffe in der Silvesternacht in Köln bezeichnete er einmal mehr als "No-Go".
"Einen großen Vertrauensvorschuss" gibt Van der Bellen der neuen Regierung unter Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ). Er sei optimistisch, dass der Zulauf der Rechtspopulisten gestoppt werden könne.
So ganz scheint sein knapper Sieg übrigens noch nicht zu Van der Bellen durchgedrungen zu sein. Auf die Frage, ob "Man steht ein bissl neben sich und beobachtet sich und sagt sich: 'Aha, das ist der neue Bundespräsident, interessant.'"
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