Christian Kern ist seit mehr als sechs Monaten Bundeskanzler. In den ersten Wochen der Amtszeit waren die Erwartungen an den SPÖ-Politiker groß, doch zuletzt hat die Skepsis gegenüber Kern zugenommen. Laut Umfrage zweifelt mittlerweile die Mehrheit der Österreicher an seiner Umsetzungskraft bei Reformen - und innerhalb der Koalition gibt es immer wieder Rufe nach Neuwahlen. Wie könnte also neue Koalition aussehen? Bald könnte die FPÖ teil der Regierung sein.
Blau-Schwarz
Das ist die wahrscheinlichste Option. In den Wahlumfragen liegt die FPÖ laut Umfrage des Market-Instituts seit über einem Jahr konstant bei über 30 Prozent – das ist mehr, als SPÖ oder ÖVP bei der letzten Wahl erreicht haben. Sofern da nichts mehr passiert, haben die Freiheitlichen unter ihrem Parteichef Heinz-Christian Strache den ersten Platz sicher. Gründe sind nicht nur Fremdenhass, sondern auch Angst um die eigene Sicherheit und vor Terrorismus. Die FPÖ hat sich schon vor der Flüchtlingskrise als Partei mit strengem Asylkurs und einer harten Linie gegen ausländische Verbrecher profiliert. Außerdem sind gerade starke Oppositionsparteien für "Proteststimmen" sehr attraktiv.
FPÖ und ÖVP haben bei den bestimmenden Themen mehr Überschneidungen als SPÖ und ÖVP. Beide sind für eine restriktive Asylpolitik, zum Beispiel einen starken Grenzschutz, mehr Geld für die Landesverteidigung und die Kürzung der Mindestsicherung für Flüchtlinge. Die ÖVP dürfte wohl ihre Kernressorts, Wirtschaft und Finanzen, behalten, weshalb hier wenig Veränderung zu erwarten wäre – die roten Ressorts könnte die FPÖ übernehmen. Das würde einen blauen Bildungs- oder Sozialminister bedeuten.
Rot-Grün-Pink
Mit dieser Variante könnte sich der linke Flügel der SPÖ durchsetzen und gemeinsame Sache mit den Grünen und den Neos machen. Anliegen gibt es viele: Gesamt- und Ganztagesschule, Rauchverbot, Erbschafts- und Vermögenssteuern sind gerade für SPÖ und Grüne Kernthemen. Tendenziell sind beide Parteien eher für mehr als für weniger Regulierung. Rot-Grün allein wird sich jedoch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht ausgehen – deshalb müssten die Neos als Juniorpartner her.
Und die könnte es in der Koalition zerreißen. Neue oder höhere Steuern und mehr Regulierung gefallen den Pinken gar nicht. Es bleibt zweifelhaft ob den Neos die Übernahme von zwei Ressorts so wichtig ist - es spricht auch viel dafür, dass sie mit diesem Schritt die Parteibasis und Teile ihrer Wählerschaft vergraulen. Gesellschaftspolitisch haben die Neos mit Rot und Grün in jedem Fall einiges gemeinsam: Die meisten von ihnen fordern die Öffnung der Ehe für Homosexuelle oder Integration statt Bestrafung für Flüchtlinge. Insofern könnte man diese Variante als durchaus fortschrittliche Koalition bezeichnen.
Schwarz-Grün-Pink
Mit dieser Möglichkeit würden sich die Neos wieder viel leichter tun: Wirtschaftspolitisch sind sie wesentlich näher an der ÖVP, in den letzten Jahren haben die Schwarzen immer wieder pinke Kernthemen aufgegriffen, zum Beispiel bei der Schulautonomie. Die ÖVP könnte vermutlich auch in diesem Szenario ihre Kernressorts behalten und mit einigen Zugeständnissen an die Grünen und Neos gut aussteigen.
In dieser Koalition könnten sich die Grünen allerdings schwerer tun. Zwar würden sie – wie in den Landesregierungen mit der ÖVP – ihre Anliegen nach vorne bringen, jedoch nicht so sehr wie eigentlich gewünscht. Vor allem im Umwelt- und möglicherweise auch im Bildungsbereich sind hier Veränderungen nach Vorstellung der Grünen möglich – aber umfassende linke Politik würden sie wohl nur mit der SPÖ machen können.
Blau-Rot
Die Tabu-Variante. Momentan bespricht die SPÖ offenbar einen Kriterienkatalog, will also definieren, wann sie mit der FPÖ koalieren könnten. Viele in der SPÖ, zum Beispiel Vertreter der Wiener Flächenbezirke oder die SPÖ im Burgenland, sehen die FPÖ als legitimen Partner, mit der man gemeinsame Politik machen kann. Mit Hans Peter Doskozil ist auch der rote Verteidigungsminister ein "Rechter" unter den Linken.
Es ist möglich, dass die FPÖ mit den Sozialdemokraten wirtschaftspolitisch mehr weiterbekommt – ihr Programm sieht neben großzügiger Unternehmerförderung auch einige staatliche Eingriffe vor, denen die ÖVP eher skeptisch gegenüberstehen dürfte. Am Flüchtlingskurs könnte es mit der SPÖ aber scheitern, wenn sich die selbsternannten "Pragmatiker" in der Partei nicht durchsetzen. Vermutlich würde die FPÖ vor allem Themen wie Sicherheit und somit das Innen- und Verteidigungsministerium übernehmen, die SPÖ würde sich auf ihre Kernressorts Bildung und Soziales konzentrieren.
Ausblick
Eine neuerliche Koalition zwischen Rot und Schwarz ist unwahrscheinlich, die beiden Parteien dürften keine Mehrheit erreichen. Die beste Verhandlungsposition hat in jedem Fall die ÖVP – sollte die SPÖ sich nicht auf das gefährliche Experiment mit den Freiheitlichen einlassen, hat sie als einzige Partei alle Optionen offen.
Gleichzeitig ist aber wichtig zu bedenken, dass ein Szenario mit FPÖ-Beteiligung wahrscheinlich ist – die stärkste Partei "auszuschließen", wie Parteichef
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