Der Verfassungsgerichtshof in Wien kippt das Adoptionsverbot für homosexuelle Paare. Es gibt "keine sachliche Grundlage" für die Regelung - und auch der Schutz der Ehe ist kein Argument. Bis 31. Dezember muss das Gesetz repariert werden.

Mehr aktuelle News

Lesbische und schwule Paare dürfen wohl bald Wahlkinder adoptieren: Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat das Adoptionsverbot im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) sowie im Gesetz über die Eingetragene Partnerschaft aufgehoben. Es gilt eine Reparaturfrist bis 31. Dezember 2015, wie das Gericht mitteilte.

Der Verfassungsgerichtshof gibt damit einem lesbischen Paar Recht, das sich mit einem Antrag an den VfGH gewandt hatte. Derzeit ist für die gemeinsame Adoption eines Wahlkindes im Unterschied zu Stiefkindern die Ehe Bedingung. Im Gesetz über die Eingetragene Partnerschaft wird die gemeinsame Adoption durch solche Partnerschaften auch ausdrücklich verboten.

Bisher war es Homosexuellen lediglich möglich, das leibliche Kind des Partners oder der Partnerin zu adoptieren ("Stiefkindadoption"). Diese Regelung wurde 2013 geschaffen, nachdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Österreich wegen des Verbots verurteilt hatte.

"Schutz der Ehe" ist kein Argument

Laut Verfassungsgerichtshof gibt es "keine sachliche Rechtfertigung für eine aufgrund der sexuellen Orientierung unterscheidende Regelung". Außerdem werde dadurch eine Ungleichbehandlung zwischen eingetragenen Partnern bei der gemeinsamen Adoption und (gleich- oder verschiedengeschlechtlichen) Partnern bei der Stiefkindadoption geschaffen.

Grundsätzliche Bedenken, dass es dem Wohl des Kindes schade, wenn es mit gleichgeschlechtlichen Partnern aufwachse, seien "von vorneherein ungeeignet", das Verbot zu rechtfertigen, urteilte das Gericht. Auch der "Schutz der Ehe" oder der traditionellen Familie seien kein geeignetes
Argument dafür.

SPÖ und NEOS jubeln

Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) zeigte sich in einer ersten Stellungnahme erfreut über die Entscheidung des VfGH. "Das ein wichtiger Schritt für mehr Rechte für Homosexuelle", teilte sie per Aussendung mit. Gleichgeschlechtliche Paare sollten mit heterosexuellen Paaren gleichgestellt werden.

"Lippenbekenntnisse sind zu wenig, es braucht gesetzliche Änderungen. Gleiches Recht für gleichgeschlechtliche Liebe ist ein Menschenrecht", sagte Heinisch-Hosek. "Die Politik muss der Lebensrealität von Regenbogenfamilien endlich gerecht werden. Sie gilt es anzuerkennen und zu unterstützen."

Auch die NEOS stellen sich hinter die Entscheidung des VfGH. "Es ist schön zu sehen, dass diese ungerechtfertigte Ungleichbehandlung aufgehoben wurde", sagte NEOS-Justzisprecherin Beate Meinl-Reisinger. "Traurig ist, dass wir dafür wieder eine höchstgerichtliches Urteil gebraucht haben." Die SPÖ pocht seit längerem auf ein Recht für Fremdkindadoption für homosexuelle Paare, ist bisher aber immer an der ÖVP gescheitert.

"Meinung wird nicht geändert"

Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter (ÖVP) hatte Anfang März 2014 mit einem Interview für Aufhebens in seiner Partei gesorgt. In einem Interview sprach er sich für ein allgemeines Adoptionsrecht für Homosexuelle aus. ""Ich denke, es gibt genug gute Beispiele dafür, dass sich Kinder in homosexuellen Partnerschaften wohlfühlen können. Ich vertrete da eine sehr viel liberalere Anschauung, als man von einem tief verwurzelten Tiroler Katholiken annehmen möchte", sagte er damals dem "Standard".

Seine Partei war anderer Ansicht: Der Vorstoß sei "womöglich die persönliche Meinung" Rupprechters, mutmaßte Generalsekretär Gernot Blümel, aber "die Parteimeinung dazu ist ganz klar eine andere und wird auch nicht geändert". Unterstützung innerhalb der ÖVP kommt lediglich aus der Steiermark, wo sich der designierte Landesrat Christopher Drexler über den "erfrischend offenen gesellschaftspolitischen Zugang" freute.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.