Die Abhör-Affäre um veröffentlichte Gespräche von Bundeswehr-Offizieren rückte ihn ins Zentrum der Öffentlichkeit: Ingo Gerhartz. Nun wird darüber diskutiert, ob er als oberster Offizier der Luftwaffe noch zu halten ist.
Ingo Gerhartz ist ein General, wie man ihn sich vorstellt. Groß und kräftig, mit markanter Glatze. Ein echter Pilot, wie er auch gerne zu Schau stellt. Es gibt Aufnahmen von ihm auf YouTube, die ihn dabei zeigen, wie er 2021 mit einem Eurofighter-Jet über Israel fliegt. Das gemeinsame Manöver sollte die Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen Deutschland und dem Bündnispartner in Nahost unterstreichen. Ehrensache, dass der oberste Flieger dabei selbst einen der Jets flog.
2500 Flugstunden soll Gerhartz angeblich gesammelt haben, unter anderem in Afghanistan. Das macht ihn beliebt bei der Truppe: Der Inspekteur der Luftwaffe ist einer von ihnen. Hochgeschätzt, nicht nur bei den eigenen Soldaten, sondern auch im Verteidigungsministerium. Wie gut das Verhältnis zwischen Verteidigungsminister
Welche Verantwortung hat Gerhartz für die abgehörten Gespräche?
Der aktuelle Skandal um die geleakten Gespräche könnte für Gerhartz zum Problem werden. Als ranghöchster Offizier der Luftwaffe und Teilnehmer des Gesprächs muss er sich den Vorwurf gefallen lassen, nicht genug getan zu haben, um solche sensiblen Unterhaltungen vor russischer Spionage zu schützen. Statt mit einer abhörsicheren Leitung wurde über eine Webex-Schalte kommuniziert.
Nach jüngsten Ermittlungen soll ein "individueller Anwendungsfehler" verantwortlich dafür sein, dass das Gespräch hochrangiger Bundeswehr-Offiziere über das Waffensystem Taurus abgehört werden konnte. Demnach hatte einer der Teilnehmer aus Singapur an dem Gespräch teilgenommen und damit riskiert, dass Dritte die Unterhaltung mithören konnten.
Pistorius stellte sich demonstrativ vor seinen obersten Luftwaffen-General und erklärte, sollte bei den Ermittlungen nicht "Schlimmeres" herauskommen, werde er keinen "meiner besten Offiziere Putins Spielen opfern".
Verdienter Offizier
Gerhartz war die Karriere in der Luftwaffe quasi in die Wiege gelegt. Geboren in Cochem in Rheinland-Pfalz, wuchs er unweit des Fliegerhorsts Büchel auf. Dort sind die letzten US-amerikanischen Atomwaffen auf deutschem Boden gelagert – und die deutschen Jets, die diese im Ernstfall transportieren sollen.
Als er 2018 oberster Pilot der deutschen Bundeswehr wurde, war die Luftwaffe vor allem dann in den Schlagzeilen, weil mal wieder ein Regierungsflieger der Flugbereitschaft liegen blieb und ein Großteil der Jets aufgrund mangelnder Ersatzteile am Boden blieben. Das hat Gerhartz inzwischen behoben. 75 bis 80 Prozent der Eurofighter sind einsatzbereit. Auch ein Großteil des neuen Bundeswehr-Sondervermögens konnte Gerhartz für die Luftwaffe reservieren, so, dass eine weitere Modernisierung der Flotte mit F35-Jets zu erwarten ist.
Sollte ausgerechnet dieser verdiente Offizier über eine ärgerliche Affäre stürzen, die vielmehr die offensichtlichen Probleme der digitalen Kommunikation der Armee offenbaren, als die individuelle Schuld des obersten Chefs, wäre das beinahe tragisch. Die Luftwaffe und die Bundeswehr brauchen Offiziere wie ihn.
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Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels wurde Ingo Gerhartz im 2. Absatz als Generalinspekteur der Luftwaffe bezeichnet. Dies ist jedoch falsch, Gerhartz ist Inspekteur der Luftwaffe.
Verwendete Quellen
- youtube.com: German Eurofighter Typhoon jets in the sky of Israel - Blue Flag 21 exercise with german airforce
- bundeswehr.de: Lebenslauf
- tagesspiegel.de: Ein beliebter Chef, der noch selbst fliegt
- focus.de: Jetzt erklärt Pistorius, wie es zum Abhör-Skandal kommen konnte
- zeit.de: So einen lässt man nicht einfach fallen
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