Im Interview spricht USA-Experte Martin Thunert darüber, was das Attentat auf Donald Trump für den US-Wahlkampf bedeutet und auf welche Frage es nun ankommt.
Die Wahlkampfveranstaltung in Butler (Pennsylvania) hatte gerade erst begonnen, da knallte es plötzlich laut. Ein Schütze hatte von einem Dach aus auf Donald Trump geschossen. Der Ex-Präsident und Präsidentschaftskandidat der Republikaner trug nur eine leichte Verletzung am Ohr davon, ein Zuschauer kam jedoch ums Leben, zwei weitere wurden schwer verletzt. Der Attentäter selbst wurde vom FBI erschossen. Fragen an Martin Thunert vom Center for American Studies der Uni Heidelberg:
Herr Thunert, kurz nach dem Anschlag streckte
Martin Thunert: Es wird jetzt darauf ankommen, wie die Trump-Kampagne und die Republikaner, aber auch das übrige mediale und politische Amerika, das Attentat interpretieren. Wird es als Mordversuch eines isolierten Einzeltäters gedeutet oder als ein organisierter Versuch, Trumps Wahlkampagne systematisch zu zerstören – entweder durch die Ermordung des Ex-Präsidenten oder durch Einschüchterung des Kandidaten und der Besucher zukünftiger Wahlkampfveranstaltungen?
Experte: Attentat bedeutet Verschnaufpause für Demokraten
Glauben Sie, dass Trump die Wahl durch einen "Opferbonus" jetzt so gut wie gewonnen hat?
Im Juni 1968 wurde der damalige Gewinner der Vorwahlen der Demokraten, Robert F. Kennedy, der Bruder des 1963 ermordeten Präsidenten JFK, ermordet. Die Wahl im November 1968 gewann aber der Republikaner Richard Nixon. Zumindest damals gab es also keinen "Opferbonus" für den Kandidaten der Demokraten, Hubert Humphrey, der dann statt Robert Kennedy ins Rennen um die Präsidentschaft geschickt wurde und verlor. Ich denke, dass es auch 2024 keinen automatischen Opferbonus geben wird. Entscheidend wird aber sein, wie das Attentat auf Donald Trump in den nächsten Wochen kontextualisiert und kommunikativ gedeutet wird.
Was bedeutet das Attentat für den Wahlkampf der Demokraten?
Die Demokraten werden weiterhin die Frage beantworten müssen, ob sie mit Präsident Biden oder einer anderen Kandidatin oder einem anderen Kandidaten in die Wahl gehen wollen. Die Demokraten haben sich mit ihrer Unterstützung Bidens als Präsidentschaftskandidaten für die Jahre 2025 bis 2029 in eine Sackgasse manövriert, aus der sie jetzt selbst herausfinden müssen. Entweder mit einem Festhalten an Biden oder mit einem Prozess, der Biden einen gesichtswahrenden Rückzug ermöglicht und in die Nominierung von Vize-Präsident Harris oder einer anderen Kandidatin oder eines anderen Kandidaten mündet.
Aber nun wird eine andere Debatte in den Fokus der Öffentlichkeit rücken.
Natürlich haben die Entwicklungen seit Ende Juni eher den Republikanern als den Demokraten in die Hände gespielt, daran ändert sich vorerst nichts. Allerdings richtet sich die mediale Aufmerksamkeit der nächsten Tage nicht mehr ausschließlich auf Biden und die Demokraten. Sie erhalten eine kleine Verschnaufpause.
Inwiefern könnte das Attentat einen gewalttätigen Wahlkampf prophezeien?
Die gerade auch in Deutschland medial verbreitete Auffassung, dass die Gewalt in Wahlkämpfen und in der Politik in den USA ausschließlich von den Trump-Anhängern ausgeht, muss zumindest dann in Frage gestellt werden, wenn sich herausstellen sollte, dass der getötete Attentäter schon zuvor als externer oder Partei-interner Trump-Gegner in Erscheinung getreten ist. Auch die Motivlage des Täters und sein Hintergrund werden von Interesse sein.
Wie könnte das Attentat zur Radikalisierung beitragen?
Wir sollten froh sein, dass Ex-Präsident Trump nicht schwerer verletzt oder gar getötet wurde. Dass Trumps Anhänger die Schuld an diesem Attentat den links-liberalen und progressiven Kräften und den diesen zuneigenden Medien in die Schuhe schieben werden, scheint vorhersehbar und wird die aufgeheizte Stimmung nicht abkühlen. Die Sicherheitsvorkehrungen bei allen künftigen Wahlkampfveranstaltungen werden sicherlich überprüft und gegebenenfalls verschärft werden müssen.
Über den Gesprächspartner
- Dr. Martin Thunert ist Politikwissenschaftler und Dozent am Heidelberg Center for American Studies (HCA) der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg.
Welche Fragen wirft der Anschlag in puncto Sicherheit auf?
Es war nach dem jetzigen Stand ein klares Attentat mit Tötungsabsicht auf einen Präsidentschaftskandidaten und Ex-Präsidenten. Ein geübter Schütze hat mindestens einen Menschen – vermutlich aus der Anhängerschaft Trumps – ermordet, zwei weitere schwer verletzt und den Kopf einen Ex-Präsidenten und jetzigen Präsidentschaftskandidaten gestreift und dessen Gehirn knapp verfehlt. Dem Secret Service, dessen Aufgabe es ist, Präsidenten, Ex-Präsidenten und mutmaßliche Präsidentschaftskandidaten zu schützen, wird man einerseits danken müssen, dass dessen Scharfschützen den Attentäter ausschalteten, bevor dieser noch mehr Unheil anrichten konnte. Andererseits wird sich der Secret Service fragen lassen müssen, wie der Schütze überhaupt in diese Schussposition kommen konnte, die zu Toten und Verletzten bei einer bis dahin friedlichen Wahlkampfveranstaltung mit Trump führte.
Noch ist nichts über das Tatmotiv bekannt und viele Fragen sind offen. Der Schütze soll aber eingetragener Republikaner gewesen sein, der in der Vergangenheit aber auch Geld an die Demokraten spendete. Es gibt Spekulationen über eine Inszenierung. Was halten Sie davon?
Ich würde dazu raten, zum jetzigen Zeitpunkt, jegliche öffentliche Spekulation über ein inszeniertes Attentat oder ähnliches zu unterlassen. Deswegen werde ich mich daran auch nicht beteiligen. Stand jetzt wird die Tat vom FBI als ein Attentatsversuch auf Trump und seinen Wahlkampf gewertet, der leider Menschenleben kostete und offenbar die Kampagne beenden oder einschüchtern sollte – Punkt.
Verwendete Quellen
- Gespräch mit Marthin Thunert
- tagesschau.de: Was über das Attentat auf Trump bekannt ist
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