Die Trump-Administration hat es auf die US-Universitäten abgesehen. Unter dem Deckmantel der Kostenersparnis droht vielen unliebsamen Projekten das Aus. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler machen sich Sorgen. Deutschland will ihnen mit einem verlockenden Angebot helfen.
Führende deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben dazu aufgerufen, gezielt um Forscherinnen und Forscher aus den USA zu werben, die dort unter der Regierungspolitik von Präsident
Beteiligt sind auf deutscher Seite die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Nicola Fuchs-Schündeln, Ulrike Malmendier, Monika Schnitzer, Moritz Schularick, Achim Truger, Georg von Weizsäcker und Martin Werding sowie die Präsidentin der Hertie School, Cornelia Woll.
Malmendier, Schnitzer, Truger und Werding sind zudem Teil des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung – auch "Wirtschaftsweisen" genannt. Sie schlagen ein "Meitner-Einstein-Programm" vor, um unter dem Dach der Deutschen Forschungsgemeinschaft und finanziert vom Bundesforschungsministerium bis zu 100 Professuren einzurichten.
Offener Brief an die US-Regierung
In den USA ist das Klima an den Universitäten und Forschungseinrichtungen seit der Machtübernahme von Donald Trump rauer geworden. Forschende fürchten eine größere Einflussnahme der Trump-Administration auf ihre Forschung – etwa durch die Streichung von Mitteln – und ein Verfall der amerikanischen Wissenschaftskultur.
In einem offenen Brief an die Regierung – unterzeichnet von rund 1.900 Forscherinnen und Forscher – warnen sie vor dieser dramatischen Entwicklung. "Es könnte Jahrzehnte dauern, bis der Schaden für das wissenschaftliche Unternehmen unseres Landes behoben ist", heißt es unter anderem darin.
"Die Kürzungen zwingen die Einrichtungen dazu, die Forschung (einschließlich der Erforschung neuer Behandlungsmethoden für Krankheiten) zu unterbrechen, Lehrkräfte zu entlassen und keine Doktoranden mehr einzustellen – die Pipeline für die Wissenschaftler der nächsten Generation", schreiben die Wissenschaftler.
Es herrsche ein "Klima der Angst". "Forschende, die Angst haben, ihre Finanzierung oder ihren Arbeitsplatz zu verlieren, entfernen ihre Namen aus Veröffentlichungen, geben Studien auf und schreiben Förderanträge und Papiere um, um wissenschaftlich korrekte Begriffe (wie 'Klimawandel') zu streichen, die von den Behörden als bedenklich eingestuft werden."
Erste Wissenschaftler haben sogar schon den Schritt gewagt und die USA verlassen. Marci Shore, Timothy Snyder und Jason Stanley sind drei prominente Geisteswissenschaftler von der renommierten Yale-Universität. Sie machen sich große Sorgen über die Entwicklung in den USA. In einem Interview mit der "Zeit" sagte Stanley: "Was wir jetzt sehen – das ist Faschismus."
Universitäten in Angst vor der Trump-Administration
Derzeit im Fokus der US-Regierung ist die weltweit bekannte Harvard-Universität. Die Trump-Administration stellt Fördergelder in Milliardenhöhe an die Elite-Hochschule auf den Prüfstand. Verträge und Bundeszuschüsse im Umfang von insgesamt rund neun Milliarden US-Dollar (etwa 8,3 Milliarden Euro) würden ins Visier genommen, teilten mehrere Behörden in einer gemeinsamen Erklärung am Montag mit.
Die Überprüfung werde eine Taskforce zur Bekämpfung von Antisemitismus durchführen. Harvard habe es versäumt, Studierende vor antisemitischer Diskriminierung zu schützen, erklärte Bildungsministerin Linda McMahon. Das habe den Ruf der Elite-Uni gefährdet. Für viele Forschende und Studierende sei das aber nur ein vorgeschobener Grund, um Einfluss auf die Forschung und Lehre zu nehmen.
Der Präsident der Universität in Cambridge, Alan Garber, schrieb in einer Mitteilung, dass ein Stopp der Finanzierung lebensrettende Forschung zum Stillstand bringen und wichtige wissenschaftliche Innovation gefährden würde. Es sei wichtig, Antisemitismus zu bekämpfen. Es handele sich um ein ernstzunehmendes Problem. "Es ist präsent auf unserem Campus", schrieb Garber. Die Universität wird nach den Worten ihres Präsidenten mit der Taskforce der US-Regierung zusammenarbeiten, um diese über bereits vorgenommene sowie künftige Maßnahmen gegen Antisemitismus zu informieren.
US-Behörden wiesen in ihrer Mitteilung darauf hin, dass die Überprüfung auf jene der Columbia-Universität folge. Die renommierte New Yorker Hochschule machte zuletzt Zugeständnisse an die US-Regierung, die weithin als Kapitulation gewertet wurden. Sie erklärte sich bereit, ihre Richtlinien für Proteste, Sicherheitsregeln und die Abteilung für Nahost-Studien umfassend zu überarbeiten.
Zuvor hatte die US-Regierung Druck gemacht mit der Ankündigung, 400 Millionen US-Dollar (etwa 368 Millionen Euro) an Bundesmitteln für die Uni nur bei weitreichenden Änderungen wieder freizugeben. Sie warf der Hochschule vor, jüdische Studierende nicht ausreichend vor Belästigungen und Bedrohungen auf dem Campus geschützt zu haben. Die Uni war im vergangenen Frühjahr zum Schauplatz großer propalästinensischer Proteste geworden. Auch an der Harvard-Universität fanden Proteste statt.
Deutschland will Wissenschaftler aufnehmen
Deutschland soll nun von dem Weggang der Forschenden aus den USA profitieren. "Es geht um mehr als nur Personalgewinnung, es geht darum, Deutschlands Innovationskraft zu stärken und seine Rolle als starke Wissenschaftsnation neu zu behaupten", sagte Woll dazu der Nachrichtenagentur AFP. "Wenn Forschende die Freiheit haben, international zu arbeiten, sind sie unabhängiger von ihren Heimatinstitutionen und resilienter gegenüber Bedrohungen", hob die Professorin für internationale politische Ökonomie hervor.
Der Name des Programms der Deutschen Forschungsgemeinschaft erinnert an Lise Meitner und
"Das Exil von Meitner und Einstein ist symbolhaft für eine Erfahrung, die prägend und tragisch für die deutsche Wissenschaftslandschaft ist: Durch Intoleranz, Repression und Vertreibung verlor Deutschland viele seiner klügsten Köpfe", heißt es in dem Aufruf. Seither siedelte sich stets ein hoher Anteil der weltbesten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den USA an, angelockt von dortigen Netzwerken, hohem Prestige, dem Versprechen auf wissenschaftliche Freiheit und großzügige Forschungsmittel.
"Nun bekommt das Bild der US-amerikanischen Wissenschaftslandschaft Risse, da die Trump-Regierung Studierenden mit Ausweisungen droht, viele Finanzmittel sperrt und inhaltliche Prioritäten diktiert", heißt es jedoch weiter. Universitäten würden mit der Drohung des Entzugs von Fördermitteln unter Druck gesetzt. Dies alles sei "ein enormes Risiko für alle Länder der Welt", weil so "eine der weltweit wichtigsten Quellen von Innovation" beschnitten werde.
Chance für Deutschland und Europa
Die Entwicklungen in den USA bedeuteten zugleich jedoch auch "eine Chance für Deutschland und Europa" heißt es weiter. "Wir können den Braindrain umkehren und dadurch nicht nur unsere eigene Innovations- und Forschungskraft stärken, sondern auch den weltweiten Verlust an Wissensfortschritt abfedern". Deutschland könne "von den Ideen neu gewonnener Spitzenkräfte enorm profitieren".
Dies sei jedoch kein Selbstläufer, da die betroffenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler selbst über gute Netzwerke verfügten und in der Regel sehr gut bezahlt würden. "Wir müssen uns strecken und großzügige sowie zielgenaue Pläne erstellen, um Professorinnen und Professoren sowie jüngere Forschende aus den USA anzuwerben", fordern sie daher.
Das "Meitner-Einstein-Programm" soll sich demnach an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler richten, deren Arbeit in den USA nicht oder nur eingeschränkt fortgeführt werden kann. Zugleich sollte ein Schwerpunkt auf strategischen Zukunftsfeldern liegen, in denen der Innovationsbedarf in Deutschland besonders groß sei.
Genannt werden etwa künstliche Intelligenz und Robotik, klima- und gesundheitsrelevante Forschungsgebiete. Vor allem solle die Entscheidung über eine Programmteilnahme aber auf Grundlage wissenschaftlicher Exzellenz erfolgen.
"Die amerikanische Wissenschaftspolitik, so dramatisch sie sich für die USA gestaltet, bietet für Deutschland und Europa die Chance, die eigene Forschungslandschaft dynamischer zu gestalten", betonen die Autorinnen und Autoren. "Nutzen wir sie, zum Wohle der Wissenschaft." (tel)
Verwendete Quellen
- Material von afp und dpa
- Die Zeit (Plus-Content): "Was wir jetzt sehen – das ist Faschismus"
- Offener Brief der US-Forscher: Public Statement on Supporting Science for the Benefit of All Citizens
- Spiegel Online: US-Universitäten unter Trump: Gebt Amerikas Spitzenforschern eine neue Heimat!
- Süddeutsche Zeitung: "Es wird einen Bürgerkrieg geben"