Seit seinem desaströsen Auftritt bei der TV-Debatte mit Donald Trump wird die Kritik an US-Präsident Joe Biden immer lauter. Was dabei in den Hintergrund gedrängt wird: Die Gefahr für die US-Demokratie durch eine Amtszeit Trump 2.0.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Katharina Ahnefeld sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Im Jahr 2016 konnte sich fast niemand vorstellen, dass Donald Trump tatsächlich US-Präsident wird. Ein Immobilien-Tycoon und Reality-TV-Star als Nachfolger des ersten Schwarzen US-Präsidenten Barack Obama sprengte so manche Vorstellungskraft. Expertinnen und Experten und auch die meisten Umfragen sollten sich gewaltig irren.

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Im Jahr 2024 könnte Trump erneut das höchste Amt in den USA erringen. Diesmal zweifelt niemand daran, dass das Realität werden kann. Ausgerechnet der amtierende US-Präsident Joe Biden, einst angetreten, um eine weitere Amtszeit des Republikaners zu verhindern, erscheint aktuell als unfreiwilliger Wegbereiter.

TV-Debatte mit Trump geriet für US-Präsident Biden zum Desaster

Biden hat sich zahlreiche Patzer geleistet. Sein Auftritt bei der TV-Debatte mit Trump war für die Demokratische Partei desaströs. Die Forderung nach einer jüngeren Kandidatin oder einem jüngeren Kandidaten ist naheliegend. Mittlerweile haben selbst wohlmeinende Köpfe Zweifel, dass Biden fit genug für eine weitere Amtszeit ist. Wer davon profitiert? Donald Trump.

Der hat bereits angekündigt, das Land grundlegend umkrempeln zu wollen. Ein Beispiel: Bei einer TV-Diskussion auf Fox News fragte der Moderator: "Versprechen Sie heute Abend, dass Sie Ihre Macht nicht missbrauchen und Vergeltung üben werden?" Trumps Antwort: "Nein, nein, nein ­– außer am ersten Tag." Er würde die Grenzen schließen und wie verrückt nach Öl bohren. Später versuchte er, den Satz als Scherz zu deklarieren.

Sowieso spricht er offen über seine Pläne für eine erneute Präsidentschaft. Er wolle elf Millionen Menschen abschieben und zahlreiche Regierungsbeamte durch Getreue ersetzen, sagte er etwa dem "Time Magazine". Die Judikative möchte er instrumentalisieren, um Gegner wie Joe Biden vor Gericht zu bringen, wie er in Reden betont. Als möglicher Justizminister unter Trump wird Mike Davis gehandelt, ein Mann, der davon fantasiert, Menschen in Massen zu deportieren und politische Gegner in einen "Gulag" zu stecken. Die Ukraine-Hilfen und die zentrale Rolle der USA im westlichen Verteidigungsbündnis NATO sind Trump ein Dorn im Auge.

"Project 25": Pläne für eine erneute Präsidentschaft Donald Trumps

Republikanerin Liz Cheney, eine der wenigen Trump-Kritikerinnen in ihrer Partei, sagte Anfang des Jahres in einem Fernsehinterview: "Falls er wieder gewählt wird, sind die Schutzschilde, die Leute, die ihn beim letzten Mal gestoppt haben, nicht mehr da."

Denn damals kam die Präsidentschaft selbst für Trump derart überraschend, dass er auf etablierte Beamte im Regierungsapparat angewiesen war – die ihn von seinen radikalsten Vorhaben wie dem Austritt aus der NATO abhielten oder verhinderten, dass die Corona-Pandemie völlig außer Kontrolle geriet. In einer erneuten Präsidentschaft wird es diese "Schutzschilde" nicht geben. Und auch aus seiner eigenen Partei dürfte ihm kaum noch jemand die Stirn bieten.

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Einen konkreten Vorgeschmack auf eine zweite Amtszeit Trumps gibt das "Project 25" der rechten Denkfabrik Heritage-Foundation. Die darin enthaltenen Pläne sehen unter anderem die Ausweitung der Macht des US-Präsidenten, die Entlassung tausender Beamter, weitreichende Steuersenkungen und einen Verkaufsstopp für die Abtreibungspille vor. "Unser Ziel ist es, eine Armee von abgestimmten, überprüften, geschulten und vorbereiteten Konservativen zusammenzustellen, die sich am ersten Tag an die Arbeit machen, um den Verwaltungsstaat zu dekonstruieren", heißt es in dem Papier.

All das wäre nicht weniger als ein umfassender Umbau des US-Rechtsstaates. Zwar hat sich Trump zuletzt vom "Project 25" distanziert. Nicht zu leugnen ist aber, dass hochrangige Angestellte aus Trumps erster Amtszeit und weitere Verbündete daran mitgewirkt haben.

Supreme Court als Helfershelfer: US-Präsident als "König"?

Das Immunitäts-Urteil des Supreme Courts dürfte Trump außerdem Aufwind gegeben haben. Ex-Präsidenten genießen nun für offizielle Amtshandlungen während ihrer Zeit im Oval Office absolute Immunität. Der Exekutive sind damit kaum Grenzen gesetzt. "Bei jeder Ausübung seiner Amtsgewalt ist der Präsident nun ein König, der über dem Gesetz steht", sagte laut Associated Press Sonia Sotomayor, eine der drei Richterinnen und Richter des Obersten Gerichtshofs, die gegen das Urteil stimmten.

Zumindest in der Theorie könnte Trump einen Putsch anzetteln, nach Gusto über die Nationalgarde verfügen, einen politischen Gegner eliminieren lassen – und es als offizielle Amtshandlung bezeichnen. Übertrieben? Wir sprechen hier von einem Mann, der nach seiner Niederlage gegen Biden einen Mob aufstachelte, das Kapitol, und damit die Herzkammer der US- Demokratie, zu erstürmen und bis heute an der Mär einer gestohlenen Wahl festhält.

Im besten Fall stürzt Donald Trump die USA in erneute vier Jahre Chaos – und das in einer international höchst angespannten Gemengelage. Im schlimmsten Fall führt es das mächtigste Land der Welt in Richtung einer Autokratie.

Verwendete Quellen

Ungarns Regierungschef Orban stattet Trump Besuch ab

Im Rahmen seiner als «Friedensmission» inszenierten Staaten-Tour besucht der Regierungschef des Nato-Landes Russland, China – und nun Trump in Florida.
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