Die neue US-Regierung greift Grundrechte an, demontiert Behörden, stellt wichtige Programme ein. Geltende Gesetze und die Verfassung werden dabei immer wieder ignoriert. Werden wir Zeugen eines Staatsstreichs?

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Lukas Hermsmeier sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Wenn neu gewählte Regierungen ihre Arbeit aufnehmen, herrscht in den ersten Wochen meist Aktionismus. Es werden neue Gesetzesvorhaben und Personalien vorgestellt, große Pläne verkündet. Den Versprechen aus dem Wahlkampf sollen schließlich Taten folgen. So ist das üblicherweise.

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Was Donald Trump und seine Verbündeten seit der Amtseinweihung am 20. Januar machen, ist jedoch alles andere als normal.

In den USA findet derzeit ein autoritärer Umbau des Staates statt, in vielen Punkten gegen die Verfassung und am Parlament vorbei. Renommierte Politikwissenschaftler und Historiker bezeichnen die Vorgänge als einen "Putsch" und eine "Machtergreifung". Die Washington Post schreibt von einem "Blitzkrieg gegen Washington". Dass sich das Land in einer Verfassungskrise befindet, wird mit jedem Tag offensichtlicher.

Trump gegen die Verfassung

Trump hat bislang über 60 Executive Orders vorgestellt, also Präsidialverfügungen, für die es keine Zustimmung des Kongresses braucht. Solche Verfügungen müssen sich mit der Verfassung und anderen Gesetzen vertragen. Bei Trump aber ist genau das nicht der Fall.

Der neue Präsident greift Grundrechte an, zum Beispiel das Recht auf die US-Staatsbürgerschaft per Geburt. Er plant, ganze Behörden abzuschaffen, etwa das Bildungsministerium und die Entwicklungshilfe. Er stellt vom Kongress genehmigte Programme und Zahlungen ein. Er lässt wichtige Informationen zur Gesundheitsversorgung von staatlichen Websites löschen. Und er hat Tausende Staatsbeamte feuern lassen, um dafür Loyalisten in Position zu bringen.

Eingriffe solcher Tragweite darf der US-Präsident laut Verfassung nicht eigenständig vornehmen – es braucht dafür parlamentarische Beschlüsse. Doch Trump fegt über das geltende Recht hinweg. Alle Macht soll im Weißen Haus gebündelt werden.

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Musk an der Schaltzentrale des Staates

Eine zentrale Rolle in diesem Staatsstreich spielt Elon Musk, Chef der Unternehmen SpaceX, Tesla und X, der mit geschätzten 400 Milliarden Dollar Vermögen der reichste Mann der Welt ist.

Im Wahlkampf hatte Musk insgesamt 288 Millionen Dollar für Trumps Kampagne gespendet. Nach seinem Sieg im November beauftragte Trump im Gegenzug Musk damit, eine neue Abteilung unter dem Namen Department of Government Efficiency (DOGE) zu leiten. Bürokratieabbau und Sparmaßnahmen wurden als offizielle Ziele genannt. Die Staatsausgaben sollen um sage und schreibe zwei Billionen Dollar gekürzt werden, heißt es.

Zahlreiche Experten haben in den vergangenen Wochen und Monaten gemahnt, dass es bei DOGE längst nicht nur darum gehe, den Staat "schlanker" und "effizienter" zu machen. Stattdessen, so die Warnung, würden demokratische Prinzipien ausgehebelt werden und Millionen von Menschen unter den existenziellen Streichungen leiden. Auch auf die Gefahr, einem einzelnen Menschen wie Musk – ohne jegliche parlamentarische Legitimation – so viel Macht zu geben, wurde zigfach hingewiesen.

Die ersten drei Wochen unter der neuen Regierung haben genau diese Befürchtungen bestätigt. Trump und Musk untergraben die sowieso schon fragile Demokratie in den USA.

Es droht "irreparabler Schaden"

Wie Anfang Februar enthüllt wurde, hat Musk Zugang zum Zahlungssystem des Finanzministeriums und zu vielen anderen zentralen Behörden. Zusammen mit einem kleinen Team von extrem jungen und unerfahrenen Softwareingenieuren sitzt der Multimilliardär also an den Schaltstellen des Staates.

Musk hat Einsicht in Verträge zwischen dem Staat und anderen Konzernen, was ihm massive Wettbewerbsvorteile bringt. Allein im vergangenen Jahr schlossen Musks Unternehmen rund 100 Verträge im Wert von mehreren Milliarden Dollar mit der US-Regierung ab. Je mehr illegale Insiderinformationen er hat, desto besser für sein Geschäft. Korruption in Reinform.

Dazu kommt, dass Musk und sein Team auf hochsensible Daten wie Sozialversicherungsnummern und Kontodetails zugreifen können. Ein Bundesrichter in New York intervenierte bereits und sprach von der Gefahr eines "irreparablen Schadens".

Gerichte werden ignoriert

Ob sich die Regierung an entsprechende Gerichtsentscheidungen hält, muss bezweifelt werden. In ersten Fällen wurde die Justiz bereits ignoriert. Ein weiterer Bundesrichter urteilte in dieser Woche, dass sich das Weiße Haus der gerichtlichen Anweisung widersetzt habe, Bundeszuschüsse in Milliardenhöhe freizugeben.

Die führenden Figuren der Republikanischen Partei verstecken ihren autoritären Charakter dabei nicht im Geringsten. "Richter dürfen die legitime Macht der Exekutive nicht kontrollieren", schrieb Trumps Vize J.D. Vance vor wenigen Tagen auf der Plattform X.

Behörden werden demontiert

Die Trump-Regierung schlägt mit voller Wucht in fast alle Richtungen. Millionen von Immigranten droht die Abschiebung, trans Menschen wird die Existenz abgesprochen, Klimaschutz und Diversitätsprogramme werden gestoppt. Nur große Unternehmen und reiche Leute profitieren von der neuen Agenda. Sie können auf Steuererleichterungen und Deregulierungen des Marktes bauen.

Zum Ziel der Trump-Regierung gehört es, ungeliebte Behörden dysfunktional zu machen. So wurde beispielsweise beschlossen, die Entwicklungsbehörde USAID zu demontieren. USAID operiert mit einem Jahresbudget von rund 40 Milliarden Dollar in über 100 Ländern. Tausenden Mitarbeitern wurde nun die Beurlaubung verkündet.

Auch die Verbraucherschutzbehörde, das Consumer Financial Protection Bureau (CFPB), steht vor dem Aus. Der neu eingesetzte Direktor des Haushaltsbüros im Weißen Haus, Russell Vought, hat angewiesen, dass das CFPB einen großen Teil der Arbeit einstellt. Vought ist einer der Vordenker des "Project 2025", wie der rechtsradikale Regierungsleitfaden der Organisation "Heritage Foundation" heißt.

Chaos gehört zur Strategie

Beobachter aus der Wissenschaft sind alarmiert. "Wir befinden uns mitten in einer Verfassungskrise", sagt der Rechtswissenschaftler Erwin Chemerinsky von der University of California zur New York Times. "Es gab in den ersten 18 Tagen der Trump-Präsidentschaft viele verfassungswidrige und illegale Aktionen. So etwas haben wir noch nie gesehen."

Ähnlich klingt die Juraprofessorin Kimberly Wehle von der Baltimore Law School. "Sie schreddern die Verfassung; sie ist weg", sagt sie zur Washington Post. Trump verwandle sich in einen "Monarchen mit unbegrenzter Macht".

Fünf ehemalige US-Finanzminister, darunter Lawrence Summers und Timothy Geithner, veröffentlichten Anfang dieser Woche in der New York Times ein Gastbeitrag, in dem sie die amerikanische Demokratie im "Belagerungszustand" beschrieben. Historiker wie Timothy Snyder und Adam Tooze nennen es einen Putsch.

Eine dritte Amtszeit?

Tatsächlich geht die Trump-Regierung in solch einem schwindelerregenden Tempo vor, dass Justiz, progressive Kräfte, Medien und die allgemeine Öffentlichkeit kaum hinterherkommen. Überforderung und Chaos gehören zur Strategie. Und man kann davon ausgehen, dass die Regierung all ihre Entscheidungen bis zur letzten Instanz durchboxen wird.

Wenn am Ende der Supreme Court entscheidet, stehen die Chancen nämlich nicht schlecht, dass Trump recht behält. Sechs der neun Richter des Obersten Gerichtes sind den Republikanern zugeneigt. Es wundert insofern nicht, dass Trump, wie die New York Times berichtet, hinter den Kulissen bereits von einer möglichen dritten Amtszeit für ihn spricht, obwohl auch das verfassungswidrig wäre.