- Am 6. Januar 2021 stürmten radikale Trump-Anhänger das Kapitol in Washington, um die Anerkennung von Joe Bidens Wahlsieg zu verhindern.
- Wie groß war Trumps Rolle dabei? Führte sein Anstacheln direkt zu der gewaltsamen Attacke, bei der mehrere Menschen ums Leben kamen?
- Der Untersuchungsausschuss hat eine klare Antwort, doch er krankt an etwas Entscheidendem, wie Expertin Natalie Rauscher erklärt.
Man spule zurück auf den 6. Januar 2021: Gerade läuft eine Sitzung des US-Kongresses zur Bestätigung des Präsidentschaftswahlergebnisses, als das Kapitol in Washington gestürmt wird. Es werden US-Flaggen geschwenkt, Sprechchöre rufen: "Hängt
Bewaffnete und kostümierte Trump-Anhänger dringen bis in Abgeordnetenbüros und den Senatssaal vor. Die Auszählung der Stimmen muss unterbrochen, zahlreiche Politiker in Sicherheit gebracht werden. Die Polizei setzt Tränengas und Pfefferspray ein, mehr als 700 Menschen wurden festgenommen, fünf Menschen sterben bei den Gewalttaten.
Juristische Aufarbeitung zum Sturm auf das Kapitol dauert an
Eingegangen in die Geschichtsbücher sind diese Ereignisse als "Sturm auf das Kapitol". Noch ist die juristische Aufarbeitung nicht abgeschlossen, ein Kongressausschuss untersucht die gewaltsame Erstürmung. Eine zentrale Frage dabei: Inwiefern war
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Denn der Ex-Präsident hatte lange im Vorfeld der Senatssitzung dazu aufgerufen, die Bestätigung von Demokrat
Hunderte Zeugen befragt
Sie folgten Trumps Ruf: "Wir werden zum Kapitol gehen und versuchen, unseren Republikanern – den Schwachen, denn die Starken brauchen unsere Hilfe nicht – den Stolz und die Kühnheit zu geben, die sie brauchen, um unser Land zurückzuerobern. Lasst uns die Pennsylvania Avenue entlanggehen!"
Die Bilder der Attacke, in der der Widerstand gegen die Wahlniederlage gipfelte, dürften noch hinreichend präsent sein. Über Monate rief der Untersuchungsausschuss sie hinter verschlossenen Türen Hunderten Zeugen wieder in Erinnerung – beispielsweise auch Trumps Tochter Ivanka. Parallel sichtete der Ausschuss große Mengen an Dokumenten und Beweismaterial.
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Steve Bannon verweigerte Kooperation
Eine der schärfsten Stellungnahmen kam von Ex-Justizminister William Barr: Der abgewählte Präsident, Donald Trump, habe ab Ende 2020 die Lüge verbreitet, die Automaten zur Stimmabgabe seien manipuliert worden.
Auch Politikwissenschaftlerin Natalie Rauscher beobachtet die Arbeit des Ausschusses. "Nach über einem Jahr Arbeit sind nun mehrere öffentliche Anhörungen geplant, einen Abschlussbericht soll es im September vor den Zwischenwahlen geben", sagt sie. Insgesamt seien mehr als 1.000 Zeugen gehört und 140.000 Dokumente zusammengetragen worden. "Viele ehemalige Mitarbeiter Trumps haben kooperiert, einige große Namen wie Steve Bannon nicht", sagt Rauscher.
Ex-Justizminister belastet Trump schwer
Ursprünglich forderte Präsident Biden einen unparteiischen Untersuchungsausschuss, oder einen aus Mitgliedern beider Kammern. Nun findet der Ausschuss aber nur im Unterhaus des Kongresses statt. "Er wurde durch eine Wahl im Repräsentantenhaus ins Leben gerufen, allerdings stimmte nur die Demokratische Mehrheit dafür und lediglich einige wenige Republikaner, die seitdem von ihrer Partei geächtet werden", erinnert Rauscher.
Die Republikanische Minderheit im Haus habe es abgelehnt, Vertreter im Ausschuss zu benennen und somit habe der Ausschuss auf Republikanischer Seite fast keine Zustimmung.
Namhafte ehemalige Mitarbeiter belasteten Ex-Präsident Trump jedoch schwer. So sagte der ehemalige Justizminister William Barr über Trumps Lüge, Automaten zur Stimmabgabe seien manipuliert worden: "Ich war ernüchtert, denn ich dachte: 'Oh Mann, wenn er das wirklich glaubt, dann hat er den Bezug zur Realität verloren.'"
Versuch eines Staatsstreiches
Der Ausschuss will nachweisen, dass der Gewaltausbruch das direkte Ergebnis einer Kampagne Trumps war. "Der Ausschuss spricht von einem versuchten 'Coup' – also Staatsstreich durch Trump, welcher in der Attacke auf das Capitol mündete", berichtet Rauscher. Auch die Gewaltandrohungen von rechtsextremen Gruppen wie den "Proud Boys" seien von Trump nicht abgelehnt, sondern sogar gutgeheißen worden.
"Der Ausschuss stellte dar, dass Trump versuchte, weiterhin im Amt zu bleiben, indem er die Wahl als gefälscht darstellte, obwohl es dafür keinerlei Beweise gab", sagt Rauscher. Einige "Proud Boys" seien bereits wegen Verschwörung und Volksverhetzung angeklagt worden, in weiteren Anhörungen werde detailliert über solche Aspekte berichtet werden.
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Trump schreibt Wutbrief
Trump hatte mit einem zwölfseitigen Wutbrief auf die Vorwürfe reagiert und sie zurückgewiesen. Er warf den Demokraten vor, das Land zu zerstören und sich nicht um die eigentlichen Probleme zu kümmern. "Auf Trumps Anhänger haben die Ergebnisse keine bis gar keine starke Wirkung", schätzt Rauscher.
Sie würden den Ausschuss ablehnen und die Ereignisse anders darstellen. "Sie sehen den Ausschuss eher als Kalkül der politischen Gegner und der Washingtoner Eliten, Trump schlecht darzustellen, ihm etwas anzuhängen und sich selbst Vorteile in den Zwischenwahlen zu verschaffen", erklärt die Expertin.
Glaubensbekenntnis für Trump-Anhänger
Er könne seine Anhänger mit der Behauptung des Wahlbetrugs nach wie vor erreichen und mobilisieren. "Umfragen zeigen, dass eine große Mehrheit der republikanischen Wähler immer noch glaubt, dass Biden die Wahl 2020 illegitim gewonnen hat. Es gibt sogar Hinweise darauf, dass je mehr darüber berichtet wird, dass die Wahl fair abgelaufen sei, desto weniger glauben dies Trumps Anhänger", sagt Rauscher.
The "Big Lie", also die angebliche Lüge, dass Trump die Wahl verloren hat, sei fast schon ein Glaubensbekenntnis für Trump-Anhänger geworden. Wirklich gefährlich werden könne der Ausschuss Trump nicht. "Der Ausschuss selbst kann dem Justizministerium empfehlen, Untersuchungen gegen Trump oder andere beteiligte Personen einzuleiten, allerdings ist das nicht bindend", sagt Rauscher. Im Moment scheine der Ausschuss in dieser Sache noch unentschlossen.
Neue Impulse für Gesetzgebung?
"Von der Untersuchung könnten neue Impulse für die Gesetzgebung ausgehen, die aber natürlich durch beide Kammern gehen muss", sagt die Expertin weiter. In einer so polarisierten Zeit seien große Würfe aber unwahrscheinlich.
"Für eine Wiederwahl Trumps wird der Ausschuss unter seinen Anhängern nicht gefährlich werden, aber das Thema könnte eventuell andere Wählergruppen – unentschlossene – eher abschrecken, wenn Trump nochmal zur Wahl stehen sollte", analysiert Rauscher. Allerdings sei auch das im Moment noch nicht absehbar. "Die schlechte wirtschaftliche Lage und die Inflation überschatten die Ergebnisse des Ausschusses im Moment eher", gibt sie zu Bedenken.
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