Bei der ersten Debatte der republikanischen Präsidentschaftsbewerber kam es zum Schlagabtausch der Trump-Konkurrenz. Das meiste Charisma – und die radikalsten Positionen – hatte Quereinsteiger Vivek Ramaswamy zu bieten. Der größte Trump-Herausforderer blieb während des unterhaltsamen TV-Duells dagegen eher blass.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Thomas Fritz sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Mit Kritik an Donald Trump ist bei den Stammwählern der Republikaner normalerweise kein Blumentopf zu gewinnen. Der Ex-Präsident boykottierte die erste Debatte der republikanischen Präsidentschaftsbewerber in der Nacht von Mittwoch zu Donnerstag in Milwaukee (Wisconsin). Direkter Kritik ging er also aus dem Weg. Anwesend war Trump, der parallel dem rechten Journalisten Tucker Carlson ein Interview gab, natürlich trotzdem.

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Würden sich seine acht anwesenden Widersacher von dem Mann, der sich derzeit mehreren Anklagen zu stellen hat, distanzieren? Wer bekam den schmalen Grat zwischen Trump-Kritik und dem Warmhalten von Trumps größtenteils treu ergebener republikanischer Wählerbasis am besten hin? Oder wagte es gar jemand, den 77-Jährigen ohne Umschweife für seine Skandale, seine gefährliche Rhetorik und seine Verantwortung für den Kapitolsturm im Januar 2021 zu verurteilen?

DeSantis bestätigt Vorurteile

Die meisten Blicke waren natürlich auf Ron DeSantis gerichtet, den Gouverneur von Florida und laut Umfragen derzeit aussichtsreichsten Trump-Herausforderer. DeSantis wird nachgesagt, kein bestechender Rhetoriker und etwas hölzern zu sein – und diese Vorurteile bestätigte der 44-Jährige bei der Debatte. Oft schrie DeSantis seine Argumente in den Raum, als wolle er seine Defizite durch höhere Lautstärke wieder wettmachen. Wohl den lautesten Applaus bekam DeSantis als er gegen die Corona-Maßnahmen und die für sie aus seiner Sicht verantwortlichen "Deep-State-Bürokraten" wie Anthony Fauci wetterte.

Auch sonst fiel der Trump-Herausforderer durch Positionen auf, die hierzulande als radikal gelten würden. Er würde US-Special Forces über die Grenze zu Mexiko schicken, um Mitglieder von Drogenkartellen dort töten zu lassen, und weigere sich, den Klimawandel als menschengemacht anzuerkennen.

Ramaswamy: "Ich bin der einzige, der nicht gekauft wurde"

Auffällig war auch sein schmallippiges Lob für den früheren Vizepräsidenten Mike Pence, der dem Druck Trumps widerstand und den Wahlsieg von Joe Biden im Januar 2021 nicht für unrechtmäßig erklärte. Er habe "keinen Beef damit", sagte DeSantis kurz und knapp. Er war sichtlich bemüht, Trump-Wähler nicht zu verprellen und thematisch im Hier und Jetzt zu bleiben, statt über die Fehler des Ex-Präsidenten zu reden.

Als Trump-Fan outete sich dagegen Biotech-Unternehmer Vivek Ramaswamy. Für ihn, der bei Wahlkampfauftritten schon mal überzeugend ein Lied des Rappers Eminem vorträgt und in den Umfragen zuletzt auf Rang drei lag, ist Trump der größte amerikanische Präsident im 21. Jahrhundert. Der Sohn indischer Einwanderer hat Selbstbewusstsein, Witz, ein gewinnendes Lächeln und Charisma. Er inszenierte sich als Quereinsteiger, der mit dem politischen Establishment mal so richtig aufräumen wolle. "Ich bin der einzige auf der Bühne, der nicht gekauft wurde", rief Ramaswamy. Das Publikum buhte.

Und Konkurrent Chris Christie landete wenig später wohl den Witz des Abends. "Ich habe genug von einem Typen, der sich wie ChatGPT anhört." Gemeint war das KI-basierte Chatprogramm. Da musste selbst Ramaswamy lachen.

Er will die Bundespolizei abschaffen

Ansonsten fiel der 38-Jährige durch noch radikalere Positionen als DeSantis auf: Bundespolizei FBI auflösen, das Bildungsministerium abschaffen und die Armee an der Südgrenze gegen illegale Einwanderung und Drogenschmuggel einsetzen (was selbst illegal wäre). Der Klimawandel? "Eine Falschmeldung". Der Mann, der sich großspurig einen "Patrioten, der die Wahrheit sagt" nannte, blieb nur bei einem Thema auffallend still. Was er denn gegen die grassierende Schusswaffengewalt in den USA zu unternehmen gedenke, wollte das gut vorbereitete Moderatorenduo des Senders Fox News wissen. Zur zweifelhaften Rolle der US-Waffenlobby um die National Rifle Association (NRA), ein Großsponsor vieler republikanischer Politiker, sagte Ramaswamy – wie alle anderen Kandidaten – kein Wort.

Wer austeilen kann, muss auch einstecken: Nikki Haley, Ex-Botschafterin bei den UN und ebenfalls Tochter indischer Vorfahren, verpasste Ramaswamy beim Thema Ukraine einen ordentlichen Punch. Ramaswamy sagte: "Die Ukraine ist keine Priorität für die Vereinigten Staaten". Haley entgegnete, dass die Ukraine die erste Verteidigungslinie (gegen Russland und letztlich auch gegen dessen Verbündeten China) sei. "Du hast keine außenpolitische Erfahrung und man sieht es." Hier waren auch die Bruchlinien innerhalb der Republikanischen Partei gut zu sehen. Während Pence, Christie und Haley Kiew im Krieg gegen Russland weiter unterstützen wollen, würden DeSantis oder Ramaswamy als Präsident dort "kein US-Steuergeld mehr verschwenden".

republikanische Präsidentschaftskandidaten
Die republikanischen Präsidentschaftskandidaten: (v.l.n.r.) Asa Hutchinson, Chris Christie, Mike Pence, Ron DeSantis, Vivek Ramaswamy, Nikki Haley, Tim Scott und Doug Burgum. © picture alliance/dpa/AP/Morry Gash

Nach einer Stunde erste Trump-Attacke

Auch der dröge Mike Pence arbeite sich an Ramaswamy ab. "Ich bin der am besten qualifizierte Republikaner in diesem Rennen", sagte der streng gläubige Christ und ergänzte. "Wir dürfen keinen Anfänger ins Weiße Haus lassen". Und Ramaswamy? Der schien die Angriffe fast zu genießen, musste immer wieder lachen und nutzte sie als Steilvorlage für Gegenangriffe. Von seinen Extrem-Positionen mal abgesehen, brachte der Unternehmer frischen Wind in die Runde und konnte bei vielen Wählern schon allein aufgrund seiner Unverfrorenheit wahrscheinlich Punkte sammeln.

Ziemlich genau bis zur Hälfe der zweistündigen Debatte sprachen die Kandidatinnen und Kandidaten ausschließlich über Sachthemen – bis die Sprache auf den sprichwörtlichen Elefanten im Raum kam. Gemeint ist natürlich Ex-Präsident Donald Trump. Den Anfang machte Asa Hutchinson, der blasse und im Rennen chancenlose Ex-Gouverneur von Arkansas. Er forderte mehr Respekt für das Justizsystem der USA. "Und der beginnt an der Spitze mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten" so Hutchinson. Trump, "der unter Anklage steht", habe das System mit seinen Attacken gegen Richter und Staatsanwälte beschädigt. Wie immer, wenn es gegen den 77-Jährigen ging, waren im Publikum mal mehr, mal weniger laute Buhrufe zu hören.

Buhrufe nach Kritik an Trump

Von denen gab es in den Minuten darauf noch einige. Mike Pence, der alte Weggefährte Trumps, sagte über seinen Ex-Boss und seine Rolle vor dem Kapitolsturm: "Er hat mich gebeten, ihn über die Verfassung zu stellen. Ich habe mich für die Verfassung entschieden. Und ich würde es immer wieder machen". Auch Nikki Haley griff Trump scharf an: "Trump ist der unbeliebteste Politiker in Amerika. Wir können mit ihm keine landesweiten Wahlen gewinnen." Chris Christie stimmte mit ein: Trumps Verhalten sei unter der Würde des Amtes des US-Präsidenten, er sei "moralisch disqualifiziert", um noch einmal Präsident zu werden. Sollte er selbst gewählt werden, wolle er das Beste aus allen Amerikanern herausholen.

Noch vor Jahren undenkbar: Immerhin ein Teil der Kandidaten wagte auch auf der großen Bühne den Bruch mit dem Paten der Republikaner. Für den Lacher des Abends sorgte am Ende der Sendung Christie, der nach den jüngsten Kongress-Anhörungen zu Ufo-Phänomenen gefragt wurde. "Ich kriege die Ufos-Frage!?", musste Christie laut lachen. Seine Antwort: Die USA hätte größere Probleme als Ufos.

Was ist das Fazit nach der ersten Debatte der Republikaner? Der Gewinner des Abends war eine Gewinnerin. Nikki Haley (51) vereinte Sachkenntnis, eine überzeugende Ansprache und einen moralischen Kompass. Ihr ging zwar etwas das Charisma von Vivek Ramaswamy und der Witz von Chris Christie ab. Aber vom Gesamtpaket her würde die frühere UN-Botschafterin als Frau und immer noch frisch wirkendes Gesicht auch für viele moderate Wählerinnen und Wähler sicherlich eine gute Alternative zum greisen Joe Biden sein. Die eher unbekannten Herausforderer Tim Scott, Senator aus South Carolina, und Doug Burgum, der Gouverneur von North Dakota, konnten keine großen Akzente setzen.

Auch Ron DeSantis verpasste es, gegen Trump zu punkten. Er versuchte mit Law & Order bei den Wählern anzukommen, wirkte ansonsten aber zu krampfig und zu laut, ihm fehlte Charme und Überzeugung. Und Donald Trump? Der wiederholte bei Tucker Carlson viele seiner alten Lügen wie die angeblich gestohlene Wahl 2020 und bot keine positive Vision für die Zukunft des Landes an. Mit diesem "Programm" führt Trump das Feld der republikanischen Präsidentschaftsbewerber derzeit meilenweit an.

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