Welche Art von Gesellschaft der US-Rechten vorschwebt, lässt sich in Florida beobachten. Gouverneur Ron DeSantis hat dort eine Vielzahl Gesetze erlassen, die vor allem Frauen und Minderheiten unterdrückt. Es ist alarmierend, dass diese Politik vielen Republikanern und reaktionären Figuren als Inspiration dient.
In den USA wird im Januar eine neue Zeitrechnung beginnen.
Wer wissen will, was die rechte Bewegung vorhat, muss nach Florida schauen. Der Bundesstaat im Südosten des Landes ist nicht nur der Wohnsitz von Donald Trump und vieler rechter Medienfiguren und Aktivisten, die von hier aus agitieren. Florida war in den vergangenen Jahren auch ein Labor für reaktionäre Gesetzgebung.
Seit
Widersprüche gehören zum Programm
Zunächst aber: Was sollte man über DeSantis wissen?
Seine Karriere ist in vieler Hinsicht exemplarisch für republikanische Machtzirkel. DeSantis studierte an der Elite-Universität Harvard Jura, ist Millionär und betreibt als Gouverneur eine Steuerpolitik, von der primär wohlhabende Menschen profitieren. Zugleich jedoch inszeniert er sich als Kämpfer der Arbeiterklasse gegen die Eliten.
Ähnlich widersprüchlich ist es, dass DeSantis häufig von einer "Führung des gesunden Menschenverstandes" spricht, während er sich immer wieder wissenschaftlichen Erkenntnissen entgegenstellt, etwa im Bereich des Klimaschutzes. Dass DeSantis an der republikanischen Basis beliebt ist, liegt stark daran, dass er sich früh gegen Covid-Restriktionen stellte und Ressentiments gegen Immigranten und Linke instrumentalisiert.
Abtreibungsverbot gegen den Mehrheitswillen
DeSantis hat in seinen fünf Jahren als Gouverneur kaum einen Stein auf dem anderen gelassen. Unter anderem lockerte er das Waffenrecht, sodass die Bürger von Florida ohne gesonderte Lizenz eine Schusswaffe mit sich tragen dürfen. Um gegen
Auch das Abtreibungsrecht hat DeSantis verschärft. Seit Mai 2024 sind Schwangerschaftsabbrüche in Florida ab der sechsten Woche verboten – also bevor viele Menschen überhaupt von ihrer Schwangerschaft wissen.
Bei einem Volksentscheid vor wenigen Wochen stimmten zwar 57 Prozent der Wähler in Florida für eine Stärkung des Abtreibungsrecht. Als Hürde war aber eine Zustimmung von 60 Prozent festgelegt worden. Obwohl das Referendum gezeigt hat, dass die Mehrheit Abtreibungsrechte will, hält DeSantis an der repressiven Regelung fest. Er hat angekündigt, dass Florida einer von 20 Bundesstaaten bleibt, in denen Abtreibungen stark kriminalisiert sind.
"Don’t say gay"
Es gibt zwei Felder, auf denen DeSantis einen besonders verbissenen Kampf führt. Zum einen ist das die Bildungspolitik, zum anderen betrifft es das Leben von Transmenschen. In beiden Bereichen hat er Gesetze verabschiedet, die von Experten massiv kritisiert werden.
Im Juli 2022 ging ein Gesetz in Kraft, das in der Öffentlichkeit als "Don’t Say Gay Law" bekannt ist. Lehrkräften ist es dadurch verboten, mit ihren Schülern über Fragen von sexueller Identität und Orientierung zu sprechen. Seit die von rechten Funktionären besetzte Schulbehörde das Gesetz ein Jahr später erweiterte, gilt das Verbot sogar für alle Jahrgänge bis zur 12. Klasse.
Seit 2021 wurden in Florida insgesamt über 4.500 Bücher aus den Schulbibliotheken entfernt, um Kinder vor "Indoktrination" zu schützen, wie es von Seiten der Regierung heißt. Unter den "banned books" sind Klassiker wie "1984" von George Orwell und sogar eine Adaption von Anne Franks Tagebuch. Zu den Absurditäten gehört es, dass nahezu alle Bürger Bücherverbote in Gang setzen können, egal, ob sie familiären oder professionellen Bezug zum Schulwesen haben.
Rassismus soll keine Rolle spielen
Auch im Universitätsbereich herrschen repressivere Regeln. Durch die 2023 verabschiedete "Senate Bill 266" ist es öffentlichen Universitäten nicht mehr erlaubt, DEI-Programme zu fördern. DEI steht für "Diversity, Equity and Inclusion” – Diversität, Chancengleichheit und Inklusion.
Und dann wäre da noch der "Stop WOKE Act", ein Gesetzespaket, mit dem DeSantis unter anderem die schulische Auseinandersetzung mit Rassismus deutlich einschränkt. Schülern sollen von "Schuld und Scham" befreit werden, wie DeSantis erklärt hat. Des Weiteren hat der Gouverneur wichtige Posten im Hochschulwesen mit reaktionären Kräften besetzt und ungewünschte Fachbereiche schließen lassen. Viele dieser Projekte wurden von der Gruppe "Moms for Liberty" vorangetrieben, die in der Stadt Melbourne, östliches Florida, ihre Zentrale hat.
Kampf gegen Transmenschen
Auf kaum eine andere Bevölkerungsgruppe hat es der Gouverneur von Florida so abgesehen wie auf Transmenschen. Durch die "Senate Bill 264" sind geschlechtsangleichende Behandlungen für alle Betroffenen unter 18 Jahren verboten. Das gilt nicht nur für chirurgische Eingriffe, sondern auch für Pubertätsblocker und Hormontherapien, und selbst dann, wenn Ärzte es ausdrücklich unterstützen. Bei Missachtung drohen sogar Gefängnisstrafen.
Transmädchen sind in Florida vom Mädchensport ausgeschlossen. Sie müssen sich mit den Jungen messen. An vielen Orten ist es Transmenschen zudem untersagt, die ihrem Geschlecht entsprechenden Toiletten zu benutzen.
Anerkannte Institutionen wie die American Civil Liberties Union (ACLU) verurteilen die anti-Trans-Gesetze scharf. Die Bürgerrechtsorganisation National Association for the Advancement of Colored People (NAACP) warnt, dass Florida "offen feindselig gegenüber Afroamerikanern, People of Color und LGBTQ+-Personen" sei. Sogar vor Reisen in den Bundesstaat wird gewarnt.
Florida als rechtes Vorbild
Florida ist zu einer Festung der Rechten geworden. Der Medienmacher Ben Shapiro etwa ist vor ein paar Jahren in den Bundesstaat gezogen, um hier seinen Podcast aufzunehmen. Der rechtsradikale Aktivist Tim Gionet, bekannt als "Baked Alaska", lebt inzwischen auch dort. Verschiedene schwerreiche Trump-Unterstützer wie Stephen A. Schwarzman und Timothy Mellon haben ihren Wohnsitz in Florida.
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Die New York Times berichtete 2022, dass sich Florida "wie ein Bundesstaat im Fieber" anfühle und seine Identität in rasantem Tempo verändere. Viele Progressive beschreiben längst ein Klima der Angst. DeSantis trat während seiner Kandidatur in den republikanischen Vorwahlen 2023/2024 mit dem Slogan "Make America Florida" auf. Sein in diesem Jahr veröffentlichtes Buch heißt "Mut frei zu sein: Was Amerika von Florida lernen kann". Und tatsächlich haben andere republikanische Gouverneure in den vergangenen Jahren bereits ähnliche Gesetze wie die beschriebenen erlassen.
Während Trump noch vor einigen Jahren abfällig über DeSantis sprach, lobt er ihn mittlerweile für seine "großartige Arbeit" als Gouverneur. Man kann also davon ausgehen, dass Trump und die Republikaner einige der Entwicklungen von Florida auf die USA übertragen wollen.
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