Der Rückzug der Russen aus Syrien hat großen Einfluss auf die Expansionspläne Wladimir Putins und die militärische Präsenz des Moskau-Regimes in Afrika. Wir ordnen die Situation ein.

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Wladimir Putin steht im Ukraine-Krieg unter Druck. Die Armee des Kreml-Autokraten kann ukrainische Verbände seit Monaten nicht aus der russischen Grenzregion Kursk vertreiben, wo wegen der hohen Verluste nun sogar wohl die von Diktator Kim Jong-un entsandten nordkoreanischen Soldaten wieder abgezogen wurden.

Wladimir Putin war bei Umsturz in Syrien machtlos

Mehr noch: Putins Handeln steht laut westlichen Beobachtern international bei Verbündeten verstärkt unter Beobachtung, nachdem das durch Moskau jahrelang unterstützte brutale Regime von Diktator Baschar al-Assad in Syrien im Dezember binnen weniger Tage in sich zusammenstürzte. Muss Putin jetzt auch um seinen Einfluss in Afrika bangen?

"Der Sturz des Assad-Regimes in Syrien bedeutet für Russland einen herben Rückschlag und fügt Moskaus Großmacht-Image schweren Schaden zu", erklärt Klaus Gestwa, Direktor des Instituts für Osteuropäische Geschichte und Landeskunde an der Eberhard Karls Universität in Tübingen, unserer Redaktion. "In Afrika und im Nahen Osten werden viele genau beobachtet haben, wie schnell Moskau seinen langjährigen Verbündeten in Syrien wie eine heiße Kartoffel fallen ließ. Das schürt Misstrauen und Argwohn, dass der Kreml alles andere als ein verlässlicher Partner ist."

Russland übt Einfluss in Mali, Burkina Faso und Niger aus

Gestwa kennt die russische Politik sehr gut. Der Osteuropa-Historiker lebte und studierte einst in Moskau sowie in Sankt Petersburg. Und: Gestwa hält auch in den Kriegswirren informelle Kontakte in die Russische Föderation. "Nach 2014 ist Russland zum größten Rüstungslieferanten in Afrika aufgestiegen und hat sich neben der Waffenhilfe sogar mit Söldnertruppen in die inneren Angelegenheiten von 23 afrikanischen Ländern eingemischt", sagt er.

Er nennt Beispiele: "In Mali, Burkina Faso und Niger beeinflussten russische Kräfte mithilfe einer aggressiven Charmeoffensive die dortigen Militärcoups und sorgten mit einer Desinformationskaskade dafür, dass sich die Putsch-Regierungen im Rekordtempo von ihren europäischen Partnern entfremdeten und in Russland ihren Retter sahen."

Putins russische Söldner: "Leibgarde für Afrikas Diktatoren"

Russische Söldner würden "Afrikas Diktatoren" als eine Art "Leibgarde dienen, um sie vor Attentaten sowie Umsturzversuchen zu schützen. Zum Überlebenspaket, das Russland den Militär-Regimen angeboten hat, gehören besonders Luftabwehrsysteme am jeweiligen Herrschaftszentrum. Darüber hinaus sollen sich russische Söldnertruppen im Kampf gegen Aufständische und islamische Terrormilizen einbringen", sagt Gestwa.

Russland liefert afrikanischen Staaten laut Gestwa auch Energieträger, Dünger und Getreide. Als Gegenleistung gebe es Bodenschätze. "Solange beide Seiten ihre Verpflichtungen einhalten, funktioniert dieses Tauschgeschäft." Der Kreml stünde dennoch vor Problemen: So reiche die Zahl russischer Söldner "kaum aus, um im Kampf gegen die Terrormilizen und andere Gegner der Putschisten die Oberhand zu behalten. Daher gibt es keine Garantie, dass Despoten und Warlords in afrikanischen Staaten nicht irgendwann die Zusammenarbeit mit Moskau aufkündigen."

Problem für Putin: Ukraine macht in Afrika Druck auf Moskau

Ferner versuche die von Putin angegriffene Ukraine, auch in Afrika den Druck auf Putin zu erhöhen. So sei etwa die Zahl der Anschläge in Mali zuletzt stark gestiegen. "Die Ukraine hilft den Tuareg-Rebellen in Mali mit Militärberatern und vor allem mit Kampfdrohnen gegen russische Söldnertruppen", erklärt Gestwa. "Damit griffen die Tuareg-Rebellen im Juli 2024 bei Tin Zaouatine an der malisch-algerischen Grenze russische Verbände an und töteten 84 Russen sowie 47 Soldaten der malischen Armee."

Der ukrainische Militärgeheimdienst hatte sich zu einer Beteiligung an dem Angriff bekannt. Vor allem Libyen wird laut Gestwa für Russland ein zunehmend wichtiges Drehkreuz in Afrika. Er schildert Spekulationen russischer Blogger, wonach Putins Marine-Truppen aus Syrien von Tartus nach Tobruk am Mittelmeer verlegt werden könnten. Die Herausforderungen blieben gewaltig.

So sorge der Untergang des 142 Meter langen russischen Frachters "Ursa Major" im Dezember vor der Küste Spaniens für Nachschubprobleme für Putins Söldner in Afrika, die "sich kaum auf dem Luftweg kompensieren lassen. Muss der von Russland genutzte Militärflughafen im syrischen Hmeimim aufgegeben werden, kann das Transportflugzeug Iljuschin Il-76, das eine Reichweite von 5.000 Kilometern hat, wegen der Sperrung des ukrainischen Luftraums ohne Zwischenlandung in Hmeimim Libyen nicht mehr mit voller Ladung erreichen", erklärt Gestwa.

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Andere afrikanische Staaten ließen sich gar nicht mehr erreichen, sagt er: "Das wird Auswirkungen auf das russische Afrikakorps haben, das sich ohne gesicherten Nachschub aus Russland zunehmend aus dem Land selbst versorgen muss."

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