Außenminister Sebastian Kurz stellt sich gegen die Türkei: Er schlägt einen neuen Nachbarschaftsvertrag statt EU-Beitrittsverhandlungen vor. Ankara reagiert beleidigt - und blockiert alle Nato-Programme, an denen Österreich beteiligt ist.
Die EU soll bei ihrer Neuordnung nach einem Brexit die Beitrittsperspektive der Türkei begraben. Stattdessen soll ein Nachbarschaftsvertrag das Verhältnis zu Ankara regeln: So lautet der Vorschlag von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP).
In einem Papier macht sich Kurz Gedanken über eine Position der Bundesregierung, bevor Österreich im ersten Halbjahr 2018 - in dem voraussichtlich die Endverhandlungen zum Brexit anstehen - den EU-Vorsitz übernimmt. Ein Entwurf des Dokuments liegt der Austria Presse Agentur vor.
"Es wird Zeit, dass Europa das Verhältnis zur Türkei klärt", heißt es in dem Papier. Im Gegensatz zu anderen Beitrittskandidaten - etwa Serbien oder Mazedonien - bewege sich die Türkei "seit Jahren weg von der EU".
Der gescheiterte Putschversuch im Juli 2016 habe diesen Prozess noch beschleunigt. Es gebe "dramatische Auswirkungen auf Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie".
"Beitritt dieser Türkei ist undenkbar"
Die Erfahrungen mit Ankara in Sachen Menschenrechte und Demokratieverständnis seien eindeutig negativ. "Der Beitritt dieser Türkei zur EU ist daher undenkbar", heißt es in dem Papier.
Erwähnt werden auch die "inakzeptablen Provokationen im Zusammenhang mit Wahlkampfauftritten in EU-Mitgliedstaaten". Das Dokument sei allerdings keine Reaktion allein auf die jüngsten Auseinandersetzungen.
Kurz fordert "realistischen Ansatz"
Gleichzeitig sei die Türkei ein wichtiger regionaler und wirtschaftlicher Partner der EU. Beide hätten ein Interesse an möglichst engen und konstruktiven Beziehungen auf Augenhöhe und auf allen Ebenen.
Ein Nachbarschaftsvertrag könne wirtschaftliche, aber auch außen- und sicherheitspolitische Gemeinsamkeiten definieren. In dem Vertrag sollen nach Ansicht von Kurz weder eine Beitrittsoption, noch die Personenfreizügigkeit im Rahmen eines Binnenmarkts enthalten sein.
Während für die Türkei die EU verschlossen bleiben soll, sei die Beitrittsperspektive für die sechs Staaten des Westbalkans weiter zu verfolgen. "Sie ist und bleibt der wesentliche Ansporn für Reformen", heißt es in dem Dokument über erfolgte und erhoffte Fortschritte auf dem Westbalkan.
Türkei reagiert mit Nato-Blockade
Nach Informationen der deutschen Tageszeitung "Die Welt" blockiert die Regierung in Ankara die militärische Zusammenarbeit zwischen den 28 Nato-Ländern und ihren Partnerstaaten. Auslöser ist ausgerechnet der Streit mit Österreich: Es sind alle Partnerschaftsprogramme der Nato betroffen, an denen Österreich trotz seiner Neutralität beteiligt ist.
Betroffen ist demnach vor allem das Programm der Partnerschaft für den Frieden (PfP). Bisher gebe es keine Anzeichen darauf, dass die Türkei einlenken wird.
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