Die türkische Regierungspartei AKP plant zum zweiten Mal nach 2016 ein Gesetz, das Vergewaltiger Minderjähriger vor Strafe schützen könnte. Voraussetzung ist die einvernehmliche Verheiratung des Opfers mit dem Täter. Die Protestwelle der Empörung rollt neuerlich an.
Um Mitglied der Europäischen Union zu werden, musste sich die Türkei vor 15 Jahren einen möglichst westlichen Anstrich verleihen und sich nach außen tolerant, weltoffen und modern geben. In der Nacht vom 3. auf den 4. Oktober 2005 begannen die Beitrittsverhandlungen der EU mit der Türkei. Aufgenommen wurde die Türkei bis heute nicht.
Es genügte offensichtlich nicht, dass die türkische Regierung gewisse Gesetze umformulierte, von denen sie glaubte, sie könnten mit Werten und Ansichten kollidieren, die im westlichen und säkularisierten Teil Europas verbreitet sind - und so dem Aufnahmeprozess im Wege stehen.
In weiten Teilen der Türkei widerspricht das vorherrschende Frauen-Bild westlichen Gepflogenheiten. Speziell, wenn es um das Selbstbestimmungsrecht der Frauen über ihren Körper geht. Besonders heikel wird dieser Punkt, wenn es sich bei den Frauen noch um Mädchen handelt, also um Minderjährige.
Gesetz soll wieder auf den Stand vor 2005 zurückgedreht werden
Bis 2005 bot ein entsprechendes Gesetz in der Türkei Vergewaltigern Minderjähriger einen Schutz vor Bestrafung, wenn sie ihr Opfer anschließend heiraten. Nach dem Willen der Regierungspartei AKP sollte dies ab 2016 wieder so sein. Doch landesweiter Widerstand ließ die AKP von ihrem Vorhaben abrücken.
Aufgegeben hat die Partei von Präsident Recep Tayyip Erdogan ihr Reformvorhaben aber keineswegs. Es sei weiterentwickelt worden. Für Frauenrechtlerinnen bleibt der Gesetzentwurf aufgrund seines Ziels allerdings nach wie vor unannehmbar und löst Empörung aus.
Missbrauch von Kindern soll legalisiert werden
Er solle lediglich dazu dienen, den Missbrauch von Kindern, die in Teilen der Türkei traditionell früh verheiratet werden, im Nachhinein zu legalisieren.
Derzeit wird die Zahl der in der Türkei inhaftierten Vergewaltiger auf 4.000 geschätzt. Dies berichtete die englische Tageszeitung "Independent". Wer aktuell ein unter 15 Jahre altes Mädchen in der Türkei vergewaltigt, wandert für drei Jahre ins Gefängnis.
Aykan Erdemir, Türkei-Direktor der Foundation for Defense of Democracies, erklärte im Gespräch mit der Zeitung "Die Welt", was die geplante Reform beinhalte. Vergewaltigern werde Freilassung garantiert, so sie sich bereit erklärten, ihre minderjährigen Opfer zu heiraten. Die Eheschließung müsse einvernehmlich erfolgen. Und die Opfer müssten mindestens zwölf Jahre alt sein.
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