Die Münchner Sicherheitskonferenz läuft auf Hochtouren. Regierungsvertreter, Diplomaten und Wissenschaftler sind vor Ort, darunter Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und US-Vizepräsident J.D. Vance.

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Vor dem Hintergrund von möglichen Verhandlungen der USA mit Russland über ein Ende des Ukraine-Kriegs ist die 61. Münchner Sicherheitskonferenz am Freitag eröffnet worden. Zu Beginn legten die Teilnehmer bei der Konferenz eine Schweigeminute für die mehr als 30 Verletzten des Anschlags von München ein. Veranstaltungschef Christoph Heusgen begrüßte besonders die Delegationen aus den USA und Ukraine und rief zu "Frieden durch Dialog" auf.

Trumps Vize schießt gegen EU

US-Vizepräsident J.D. Vance warnte dabei in seiner Rede die europäischen Verbündeten auf der Münchner Sicherheitskonferenz ungewöhnlich scharf vor einer Gefährdung der Demokratie.

Er nahm dabei indirekt Bezug auf die deutsche Debatte über eine Abgrenzung von der AfD: "Es gibt keinen Platz für Brandmauern", sagte er. "Die Demokratie beruht auf dem heiligen Grundsatz, dass die Stimme des Volkes zählt." Entweder man halte dieses Prinzip aufrecht oder nicht. "Wir sollten keine Angst vor unseren Bürgern haben, selbst wenn sie Ansichten äußern, die nicht mit ihrer Führung übereinstimmen."

Vance begegnet Vorwürfen der Europäer mit Gegenattacke

Mit seiner Rede überraschte Vance sein überwiegend europäisches Publikum im Hotel Bayerischer Hof. Es war erwartet worden, dass er auf die drängenden sicherheitspolitischen Fragen - von den Bemühungen um Frieden in der Ukraine bis zur Lastenteilung bei den Verteidigungsausgaben - eingehen würde. Die Sicherheitspolitik sparte er sich aber praktisch komplett und widmete sich stattdessen dem Thema Demokratie.

Dabei begegnete er Vorwürfen der Europäer mit einer denkwürdigen Gegenattacke. Die neue US-Regierung von Präsident Donald Trump trifft wegen ihres Umgangs mit Rechtsstaat und Demokratie bei den meisten Regierungen in der EU auf massive Vorbehalte. Nach seiner Wahlniederlage 2020 hatte der Milliardär den Wahlausgang nicht anerkannt und seine Anhänger zu einer Attacke auf das Parlament angestachelt, um das Wahlergebnis zu kippen. Trump ist es auch, der nun in seiner zweiten Amtszeit in schwindelerregendem Tempo und Ausmaß die Grenzen des Verfassungssystems austestet.

Der Präsident krempelt den Staatsapparat komplett um, entlässt in großem Stil Bundesangestellte, die nicht bedingungslos auf seiner Linie sind, stoppt ohne Zustimmung des Kongresses finanzielle Programme der USA im In- und Ausland, verweigert missliebigen Journalisten den Zugang zu Terminen und schränkt so die Pressefreiheit ein.

Trump-Vize attackiert EU-Bündnispartner

Vance versuchte in seiner Münchner Rede den Spieß umzudrehen. Er warf europäischen Verbündeten vor, Meinungsäußerungen als Desinformation zu verfolgen. Sicherlich sei ein Aufbau der Verteidigungsfähigkeit wichtig, sagte er. Aber er sei nicht in erster Linie besorgt wegen äußerer Akteure. "Ich bin wegen der Gefahr von innen besorgt, dass sich Europa von einigen der grundlegenden Werte zurückziehen könnte, von Werten, die mit den USA geteilt werden", sagte er: Und: "Wir müssen mehr tun, als über demokratische Werte zu reden, wir müssen sie leben."

Die Zuwanderung sieht Vance als drängendstes Problem für Europa und die Vereinigten Staaten. Er verwies auf den mutmaßlichen Anschlag in München, bei dem am Vortag ein Afghane mit einem Auto in eine Gruppe von Demonstranten gefahren war.

"In Washington ist ein neuer Sheriff in der Stadt."

US-Vizepräsident J.D. Vance

"Wie oft müssen wir diese entsetzlichen Rückschläge noch erleiden, bevor wir unseren Kurs ändern?" Kein Wähler in Europa habe dafür gestimmt, "die Schleusen für Millionen ungeprüfter Einwanderer zu öffnen". Die US-Regierung von Präsident Donald Trump fährt einen harten Kurs in der Migrationspolitik und forciert die Festnahme und Abschiebung von Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis. Das System Trump lobte Vance mit dem Satz: "In Washington ist ein neuer Sheriff in der Stadt."

Konkrete Angaben zu einem möglichen Truppenabzug der USA aus Europa machte Vance am Freitag nicht, obwohl dies von manchen vorab erwartet worden war. US-Präsident Donald Trump hatte sich in der Vergangenheit wiederholt dafür ausgesprochen, die Präsenz der US-Armee in Europa zu reduzieren und Militärstützpunkte zu schließen.

Als Teilnehmer sind bis Sonntag unter anderen 60 Staats- und Regierungschefs sowie über 100 Minister angekündigt – darunter der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und US-Vizepräsident JD Vance.

Steinmeier: Auf Deutschland ist Verlass

Bevor Vance sprach, hielt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nach Gastgeber Heusgen die Eröffnungsrede. Darin sicherte er den internationalen Partnern vorrangig ungeachtet der kurz bevorstehenden Bundestagswahl Verlässlichkeit und Stabilität zu. "Auf Deutschland ist Verlass. You can count on us", sagte Steinmeier. In neun Tagen wählen die Deutschen ein neues Parlament, ein gutes halbes Jahr früher als geplant. "Das ist in einem stabilitätsverwöhnten Land, einem Land, das Pläne liebt, zwar ungewöhnlich, aber ich versichere Ihnen: Es ist kein Grund zur Sorge."

"Unseren Partnern und Freunden sage ich: Deutsche Außen- und Sicherheitspolitik bleibt europäisch, bleibt transatlantisch und bleibt multilateral", sagte Steinmeier. Auch in einer Zeit des politischen Übergangs gelte: "Wir verfolgen unsere Interessen, wir suchen nach gemeinsamen Lösungen, wir stellen unsere internationalen Partnerschaften breiter auf", betonte der Bundespräsident.

Steinmeier wirft USA Rücksichts- und Regellosigkeit vor

Des Weiteren richtete Steinmeier seine Worte gegen die US-Regierung von Präsident Donald Trump, der er Rücksichtslosigkeit und einen Bruch mit althergebrachten internationalen Regeln vorwarf.

"Die neue amerikanische Administration hat ein anderes Weltbild als wir. Eines, das keine Rücksicht nimmt auf etablierte Regeln, auf gewachsene Partnerschaft und Vertrauen", sagte er. Es werde deshalb zentrale Aufgabe der kommenden Jahre sein, die Idee einer internationalen Gemeinschaft zu erhalten, mahnte er.

Steinmeier

Steinmeier wirft Trump-Regierung Rücksichtslosigkeit vor

"Die neue amerikanische Administration hat ein anderes Weltbild als wir", sagte Bundespräsident Steinmeier auf der Münchner Sicherheitskonferenz.

Von der Leyen will Sonderklausel für Verteidigung aktivieren

Im Anschluss sprach EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Sie will über die Aktivierung einer Sonderklausel zu den europäischen Schuldenregeln höhere Verteidigungsausgaben ermöglichen. "Ich werde vorschlagen, die Ausweichklausel für Verteidigungsinvestitionen zu aktivieren", sagte sie. "Dies wird es den Mitgliedstaaten ermöglichen, ihre Verteidigungsausgaben erheblich zu erhöhen."

Hintergrund des Vorschlags von der Leyens sind insbesondere die Bedrohungen durch Russland und die Ankündigung der USA, künftig deutlich weniger sicherheitspolitische Verantwortung für Europa übernehmen zu wollen. Man werde die Verteidigungsausgaben erheblich erhöhen müssen, sagte von der Leyen. (dpa/bearbeitet von lla)

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