US-Präsident Trump nimmt Demonstranten gegen Anti-Corona-Maßnahmen in Schutz, obwohl deren Ziel seinen eigenen Richtlinien entgegenläuft. Der Wahlkämpfer schiebt Verantwortung in der Krise auf die Gouverneure ab - von denen heftiger Widerspruch kommt.

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US-Präsident Donald Trump hat die von ihm angeheizten Proteste gegen Schutzmaßnahmen wegen der Corona-Pandemie in mehreren Bundesstaaten verteidigt. "Das sind großartige Menschen", sagte Trump am Sonntagabend (Ortszeit) bei seiner täglichen Pressekonferenz im Weißen Haus mit Blick auf die Demonstranten.

In der Debatte um die Rückkehr zum Normalbetrieb in den USA warnte der Virologe und Präsidentenberater Anthony Fauci vor voreiligen Schritten. "So schmerzhaft es auch ist", man müsse sich an die vorsichtigen Richtlinien für eine schrittweise Wiedereröffnung halten, sagte Fauci dem US-Sender ABC News.

Trump hatte vergangene Woche neue Richtlinien veröffentlicht, wonach Bundesstaaten in drei Phasen zur Normalität zurückkehren sollen. Die Entscheidung liegt aber bei den Gouverneuren. Die Richtlinien sehen vor, dass die Zahl der nachgewiesenen Coronavirus-Infektionen vor Eintritt in jede neue Phase über einen 14-tägigen Zeitraum abgenommen haben.

Proteste gegen Richtlinien des Weißen Hauses

Am Wochenende kam es in mehreren demokratisch und republikanisch regierten Bundesstaaten zu Protesten, bei denen Teilnehmer gegen Richtlinien des Weißen Hauses zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus verstießen. Trump sagte am Sonntagabend, die Menschen hätten einen "Lagerkoller" und wollten "ihr Leben zurück". "Ich habe noch nie so viele amerikanische Flaggen bei Protesten gesehen", fügte er hinzu. Mit Blick auf die Schutzmaßnahmen sagte Trump: "Einige Gouverneure sind zu weit gegangen."

Der Republikaner Trump hatte für Empörung gesorgt, als er am Freitag auf Twitter zur "Befreiung" der demokratisch regierten Bundesstaaten Michigan, Minnesota und Virginia aufgerufen hatte. Die Proteste bekamen in konservativen US-Sendern wie Fox News viel Sendezeit, es handelte sich aber jeweils nur um mehrere Dutzend oder einige Hundert Demonstranten. Durch die Coronakrise verloren in den vergangenen Wochen rund 22 Millionen Amerikaner ihre Jobs.

Mehrere US-Medien berichteten, dass sich in Denver (Colorado) am Sonntag Krankenhausbedienstete Teilnehmern eines Autokorsos in den Weg stellten. Auf einem Video war zu sehen, wie eine Frau einen Mann in Klinikleidung und mit Schutzmaske anschrie, der sich vor ihrem Auto auf die Straße gestellt hatte. Sie hielt ihm ein Schild mit der Aufschrift "Land of the Free" entgegen.

Virologe Fauci dämpfte Erwartungen an eine schnelle Rückkehr zum wirtschaftlichen Normalbetrieb. "Wenn wir das Virus nicht unter Kontrolle bringen, wird die wirkliche wirtschaftliche Erholung nicht stattfinden", sagte Fauci ABC News. Die Gefahr sei, zurückgeworfen zu werden, wenn man es überstürze. Als Voraussetzung für eine von Trump angestrebte schrittweise Wiedereröffnung der Wirtschaft gelten flächendeckende Tests.

An Tests mangelt es allerdings, wie republikanische und demokratische Gouverneure der Bundesstaaten beklagen. Trump schob allerdings ihnen die Verantwortung für die Tests zu. Die Gouverneure "wollten bei der Öffnung totale Kontrolle über ihre Staaten haben, aber jetzt wollen sie, dass wir, die Bundesregierung, die Tests ausführen", sagte der Präsident am Sonntag. Es gebe jede Menge Test-Kapazitäten, die von den Gouverneuren nur nicht genutzt würden.

Der republikanische Gouverneur von Maryland, Larry Hogan, dementierte Trumps Aussagen zur Verfügbarkeit von Coronavirus-Tests. Die Kapazitäten seien immer noch "nicht annähernd dort, wo sie sein sollten", sagte er am Sonntag dem Sender CNN. Er fügte hinzu: "Zu versuchen, das abzuwälzen, zu sagen, dass die Gouverneure viele Tests haben und einfach zur Arbeit schreiten sollten, dass wir irgendwie unseren Job nicht machen, das ist einfach absolut falsch." Zudem kritisierte er Trumps Äußerungen mit Blick auf die Proteste. Hogan ist Vorsitzender der Vereinigung der Gouverneure in den USA, die sowohl Republikaner als auch Demokraten umfasst.

Unter Druck wegen Präsidentenwahl

Trump ist wegen der im November bevorstehenden Präsidentenwahl unter Druck. Nach einer am Sonntag veröffentlichten Umfrage des Senders NBC und der Zeitung "Wall Street Journal" zeigen sich nur 44 Prozent zufrieden damit, wie Trump die Corona-Krise managt - 52 Prozent sind unzufrieden. Trumps Aussagen dazu trauen nur 36 Prozent, 52 Prozent misstrauen ihnen.

Der Präsident hatte zu Beginn der Corona-Krise noch versucht, die Gefahr durch das Virus kleinzureden. Er verglich die Krankheit Covid-19 mit der Grippe. Am Sonntag sagte Trump, es sei überhaupt nicht dasselbe wie die Grippe. "Es ist ehrlich gesagt sogar ein ganz anderer Tod. Es ist ein ganz anderer Tod. Das ist brutal."

In den USA gibt es nach einer Übersicht der Johns-Hopkins-Universität (Stand Montagvormittag Ortszeit) mehr als 760 000 bestätigte Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus - mit Abstand mehr als in jedem anderen Land der Welt. Mehr als 40 000 Menschen starben demnach infolge einer Covid-19-Erkrankung. Trump dementiert, dass die USA tatsächlich das Land mit den meisten Todesopfern seien. Er wirft China vor, die wahren Todeszahlen dort zu verschweigen.

Die Zahl der Corona-Patienten in den Krankenhäusern im besonders schwer von Covid-19 betroffenen US-Bundesstaat New York ist indes weiter rückläufig. "Wenn dieser Trend anhält, haben wir den Höhepunkt überschritten", sagte New Yorks Gouverneur Andrew Cuomo am Sonntag. An den strikten Maßnahmen zur Eindämmung der Virusausbreitung müsse aber weiter festgehalten werden. Die Ausgangsbeschränkungen in New York waren kürzlich bis Mitte Mai verlängert worden.  © dpa

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