Zwei Jahre lang hat sich Donald Trump nicht bei US-Kampftruppen im Ausland blicken lassen. Ausgerechnet jetzt, wo er das Militär durchgeschüttelt hat und von Problemen umringt ist, fliegt er in den Irak und will mit pathetischen Bildern sein Debakel vergessen machen.

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Mehr als 20 Stunden lang herrscht Funkstille. Am Dienstagabend schickt Donald Trump noch Weihnachtsgrüße per Twitter raus in die Welt - sogar an die von ihm verhassten Medien. Dann ist plötzlich Ruhe auf dem wichtigsten Kommunikationskanal des US-Präsidenten. Nachdem Trump vorher über Tage eine echte Tirade per Twitter abgefeuert hat, kommt auf einmal nichts mehr. Stunden um Stunden digitalen Schweigens - das ist die Welt nicht gewohnt von Trump. Am Mittwochnachmittag (Ortszeit) kommt schließlich die Auflösung: Der Präsident ist heimlich zum Weihnachts-Truppenbesuch in den Irak geflogen. Es ist seine erste Visite bei Kampftruppen im Ausland überhaupt - sie fällt in besonders bewegte Zeiten.

Nacht-und Nebel-Aktion

Reisen in Krisengebiete werden aus Sicherheitsgründen nie vorher angekündigt, ein solcher Trip des US-Präsidenten ist besonders heikel. Daher die Nacht-und Nebel-Aktion: Trump und seine Frau sind am späten Dienstagabend in Washington aufgebrochen. Am frühen Mittwochabend (Ortszeit) landen sie im Irak. Es ist eine Visite von nur wenigen Stunden: Die beiden schütteln Hände, reden mit Soldaten, machen Selfies mit ihnen, danken für ihren Einsatz. Trump hält eine kurze Rede - und dann geht es schon wieder zurück.

Eigentlich sind Weihnachtsbesuche bei Soldaten üblich. Trump war zuvor aber überhaupt noch nie bei Truppen in Kampfgebieten. Das brachte ihm viel Kritik ein. In den vergangenen Monaten wuchs der Druck auf ihn, Soldaten im Einsatz einen Besuch abzustatten. Bei seinem Irak-Trip sagt Trump nun, es habe zuvor schon mehrere Anläufe für Truppenbesuche gegeben, aber sie seien immer aus Sicherheitsgründen abgesagt worden. Und ja, er habe sich bei diesem Trip durchaus Sorgen gemacht wegen der Sicherheitslage.

Truppenstärke stark reduzieren

Einen bewegteren Zeitpunkt hätte sich Trump für seinen Irak-Besuch kaum aussuchen können. Das US-Militär steckt in großen Turbulenzen. Trump kündigte vor wenigen Tagen an, alle US-Soldaten aus Syrien abzuziehen - mit der Begründung, die Terrororganisation IS sei komplett besiegt. National und international sorgte das für einen Aufschrei. Kurz darauf kündigte Verteidigungsminister James Mattis seinen Rückzug an - wegen grundlegender inhaltlicher Meinungsverschiedenheiten mit Trump. Auch und gerade die Syrien-Entscheidung wollte er nicht mittragen.

In Afghanistan will Trump ebenfalls die Truppenstärke stark reduzieren und angeblich die Hälfte der Soldaten dort abziehen. Offiziell verkündet ist das noch nicht - aber es hagelt längst Kritik von vielen Seiten im In- und Ausland.

"Nicht weiter Weltpolizist"

Trump entschied sich nun also nicht dafür, zu Soldaten nach Syrien oder Afghanistan zu fliegen, sondern in den Irak. Dort ist bisher immerhin keine Reduzierung der Zahl an Soldaten geplant. Trump nutzt seine Visite bei den Truppen im Irak, um den umstrittenen Abzug aus Syrien zu verteidigen. "Die USA können nicht weiter der Weltpolizist sein", sagt er da. "Es ist nicht fair, wenn die Last allein auf uns liegt." Inzwischen betont Trump, der IS sei "weitgehend" besiegt, den Rest müssten die Türkei und andere Staaten der Region erledigen.

All das erinnert an das, was eben am Ort von Trumps Besuch - im Irak - geschah mit der Terrorgruppe Al-Kaida. 2006 tötete die US-Armee deren berüchtigten Anführer Abu Musab al-Sarkawi. Das Terrornetzwerk galt einige Jahre später im Irak als entscheidend geschwächt - um 2014 unter dem Namen IS große Teile des Landes zu überrennen. Trump hält dennoch an seiner Syrien-Entscheidung fest. Das macht er bei seinem Blitzbesuch im Irak klar.

Innenpolitische Turbulenzen

Seine Stippvisite fällt auch in eine Phase anderer innenpolitischer Turbulenzen. Wegen eines erbitterten Streits mit den oppositionellen Demokraten über den Haushalt und eine Grenzmauer zu Mexiko stehen seit Tagen die Regierungsgeschäfte in den USA teilweise still. Ein schnelles Ende ist nicht in Sicht. Die erste Tage des "Shutdown" wurden noch dazu begleitet von deutlichen Kursverlusten an der Börse. Aktienkurse rauschten zeitweise steil bergab, an den Aktienmärkten ging Verunsicherung um - auch wegen des erratischen Regierungsstils in den USA. Der Haushaltsstreit trug nicht gerade zur Entspannung bei. Erst am Mittwoch erholten sich die Aktienkurse an der Wall Street kräftig.

Trump musste wegen des "Shutdowns" seinen Weihnachtsurlaub in Florida absagen und die Tage stattdessen im Weißen Haus verbringen. Er nutzte die unverhoffte zusätzliche Zeit, um per Twitter in alle möglichen Richtungen zu keilen. Der Höhepunkt seiner weihnachtlichen Tirade: Ein Tweet an Heiligabend. "Ich bin ganz allein (ich Armer) im Weißen Haus", schrieb der mächtigste Mann der Welt da. Er warte darauf, dass die Demokraten zurückkämen und einem Deal zur Grenzsicherung zustimmten. Das Gefühl von - zumindest politischer - Vereinsamung scheint bei ihm durchaus berechtigt zu sein. Denn das Jahr geht für Trump auf denkbar ungeschmeidige Weise zu Ende.

Pathetisches PR-Video

Zumindest von seinem Irak-Besuch will Trump erfreuliche Bilder hinterlassen. Nach seiner Visite twittert er am Mittwoch einen Videoclip von seinem Trip dorthin. Darin: ein lächelnder, händeschüttelnder Präsident umringt von Soldaten, die Selfies mit ihm machen und sich Autogramme abholen. Dazu: Herzschmerzmusik mit maximal patriotischem Text. Und Trumps Kommentar in Großbuchstaben: "GOTT SEGNE DIE USA!" Nach etwa 22 Stunden Sendepause ist Trump also zurück - mit dem Versuch, sein Debakel der vergangenen Tage vergessen zu machen.

(dpa/af)

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