Donald Trump sorgt mit Wahlkampf-Äußerungen zur Nato für Empörung und Entsetzen. Animiert er Kreml-Chef Wladimir Putin zu weiteren Angriffen gegen Nachbarn? Wir beantworten die wichtigsten Fragen zu Trumps umstrittenen Aussagen.
Wie sieht die Zukunft der Nato aus, wenn
Was hat Trump genau gesagt?
Der Republikaner erzählte seinen Anhängern bei einer Wahlkampfveranstaltung im US-Bundesstaat South Carolina, dass ihn der "Präsident eines großen Landes" einmal gefragt habe, ob die USA dessen Land auch dann noch vor Russland beschützen würden, wenn es die Verteidigungsausgaben nicht zahle. Er habe dann geantwortet: "Nein, ich würde Euch nicht beschützen." Vielmehr noch: Er würde Russland "sogar dazu ermutigen, zu tun, was auch immer zur Hölle sie wollen".
Wer könnte Trump die Frage gestellt haben?
Darüber sagte Trump nichts - letztlich ließ er sogar offen, ob er von einer wahren oder erfundenen Begebenheit berichtete. Der Republikaner sagte nämlich auch: "Nehmen wir an, das ist passiert."
EU-Kommissar Thierry Breton äußerte im französischen Sender LCI die Vermutung, dass sich Trump auf ein Gespräch mit EU-Kommissionspräsidentin
Warum gelten die Äußerungen Trumps als problematisch?
Die Nato setzt als Verteidigungsbündnis auf das Prinzip Abschreckung und dafür ist vor allem Artikel 5 des Nordatlantikvertrags relevant. Er regelt die Beistandsverpflichtung in der Allianz und besagt, dass ein bewaffneter Angriff gegen einen oder mehrere Alliierte als ein Angriff gegen alle angesehen wird. Indem Trump deutlich macht, dass Alliierte mit aus seiner Sicht zu niedrigen Verteidigungsausgaben unter ihm als Präsident nicht auf US-Hilfe zählen könnten, konterkariert er das Abschreckungsprinzip. Besonders kritisch ist die Sache, weil die USA eine atomare Supermacht sind, deren Abschreckungspotenzial von anderen Alliierten nicht kompensiert werden kann.
Welche europäischen Alliierten zahlen aus Sicht von Trump zu wenig?
Spezifiziert hat Trump das zuletzt nicht - gemeint sein dürften aber zumindest alle Bündnispartner, die nicht die Nato-Zielvorgabe von Verteidigungsausgaben in Höhe von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erreichen. Das waren zuletzt insbesondere süd- und westeuropäische Länder wie Belgien, Luxemburg, Spanien und Portugal. Nato-Alliierte in unmittelbarer Nähe zu Russland würden abgesehen von Norwegen nicht unter die Trump-Definition fallen und müssten sich eigentlich keine Sorgen machen. Finnland, Lettland und Estland lagen 2023 deutlich über zwei Prozent. Ebenfalls Polen und Litauen, die an die russischen Exklave Kaliningrad grenzen.
Was ist mit Deutschland?
Die Bundesrepublik kam im vergangenen Jahr nach vorläufigen Nato-Zahlen nur auf Verteidigungsausgaben von 1,6 Prozent des BIP. In diesem und den kommenden Jahren soll die Zwei-Prozent-Marke aber mithilfe eines Sondervermögens von 100 Milliarden Euro erreicht werden. Wenn Trump nur Staaten mit Ausgaben von unter zwei Prozent die Unterstützung versagen würde, wäre Deutschland damit sicher. Nach Nato-Angaben werden in diesem Jahr vermutlich etwa 20 der derzeit 31 Alliierten das Zwei-Prozent-Ziel erreichen.
Was ist das Ziel von Trump?
Das ist die große Frage. Wenn es ihm darum geht, die Alliierten mit den Äußerungen zu höheren Verteidigungsausgaben und mehr Eigenverantwortung zu bewegen, könnte auch eine zweite Amtszeit des Republikaners für die Nato glimpflich enden. Anders könnte es aussehen, wenn Trump sein Land wirklich aus der Nato führen will - dann würde sich für das Bündnis die Existenzfrage stellen. Fakt ist, dass der Kurs von Trump nicht neu ist. Bereits in seiner ersten Amtszeit warf er europäischen Alliierten wie Deutschland eine Trittbrettfahrer-Einstellung vor und drohte deswegen zeitweise sogar mit einem Austritt der USA aus dem Bündnis.
Hat Trump nicht einen Punkt, wenn er Europäern Vorwürfe macht?
Zumindest ist der Republikaner nicht der erste US-Präsident, der den Europäern zu geringe Verteidigungsausgaben vorwirft. Beim Nato-Gipfel 2014 war es insbesondere der damalige demokratische Präsident Barack Obama, der sich für das Zwei-Prozent-Ziel einsetzte. Hinter vorgehaltener Hand äußerten Nato-Beamte in der Vergangenheit sogar die Vermutung, dass die Amtszeit von Trump für die Nato vielleicht gar nicht so schlecht gewesen sei. Der Gedanke dahinter: Wegen Trump investierten Alliierte mehr in Verteidigung und sorgten dafür, dass die Allianz zu Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine besser dastand.
Wie sieht Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg die Debatte?
Der Norweger reagierte am Wochenende ungewöhnlich scharf auf die Äußerungen Trumps. "Jede Andeutung, dass die Verbündeten sich nicht gegenseitig verteidigen werden, untergräbt unsere gesamte Sicherheit, einschließlich der der USA, und erhöht das Risiko für amerikanische und europäische Soldaten", warnte er.
Wenige Wochen zuvor hatte sich Stoltenberg mit Blick auf eine mögliche Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus noch vergleichsweise entspannt geäußert. "Ich bin zuversichtlich, dass sich die USA weiterhin zur transatlantischen Partnerschaft bekennen werden - unabhängig davon, wer zum Präsidenten gewählt wird", sagte er zum Jahreswechsel der Deutschen Presse-Agentur. Die Nato mache die Vereinigten Staaten sicherer und stärker. Keine andere Großmacht auf der Welt, weder Russland noch China, habe etwas Vergleichbares zu dem, was die Vereinigten Staaten mit der Nato hätten.
Spielt auch der Ukraine-Krieg eine Rolle in der aktuellen Diskussion?
Ja. Viele in der Nato fürchten Trump nicht nur wegen seiner Äußerungen zur Beistandspflicht, sondern auch, weil er in der Ukraine-Politik der USA einen Kurswechsel einleiten könnte. Als Horrorszenario gilt, dass er die US-Unterstützung für die Ukraine zurückfährt oder ganz stoppt - und damit dafür sorgt, dass Russland mit seinem Angriffskrieg große Chancen auf einen Erfolg hat. (dpa/jos)
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