Reinhold Mitterlehner trat an, die ÖVP - und auch die Koalition - zu retten. Die zähen Verhandlungen zur Steuerreform verdeutlichen vor allem eins: Es wird weiter gestritten. Über die Uneinigkeit zwischen den Großparteien freuen darf sich die FPÖ.

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Seit gut einem Jahr ist die Regierung Faymann II im Amt. Es sind jedoch nicht die politischen Errungenschaften, mit denen sich die Große Koalition in der Zeit hervorgetan hat. Neo-Parteichef Reinhold Mitterlehner und der neue Finanzminister Hans Jörg Schelling sollten helfen, die Partei zu modernisieren. Auch die SPÖ zeigte sich zunächst zuversichtlich: Mit Mitterlehner lasse sich konsensorientiert zusammenarbeiten.

Trotzdem ist die erhoffte frische Brise ausgeblieben: Die Regierung streitet sich weiter. Zwar hat eine der beiden Regierungsparteien ihr Führungspersonal ausgetauscht hat, die jeweiligen Standpunkte von SPÖ und ÖVP sind allerdings nach wie vor einzementiert. Vor allem bei der lange angekündigten Steuerreform wird deutlich, wie wenig bereit beide sind, aufeinander zuzugehen. Die SPÖ beharrt weiterhin auf einer Vermögenssteuer, die vom neuen Finanzminister Hans Jörg Schelling strikt abgelehnt wird. Und der Druck steigt - schließlich hat sich die Regierung mit dem 17. März selbst eine Deadline für die Reform gesetzt.

Der lachende Dritte

Vom Sand im Getriebe der Regierung profitiert die FPÖ. Parteichef Heinz-Christian Strache kann sich auf seinem Beobachterposten zurücklehnen und darauf warten, dass SPÖ und ÖVP ihre Wähler weiter frustrieren und verlieren. So prophezeiten schon vergangenen Sommer diverse Umfragen der FPÖ Platz eins bei den nächsten Wahlen.

Das Linzer Market-Institut sah die FPÖ in einer Umfrage für den "Standard" bei 27 Prozent. Die SPÖ lag bei 22, die ÖVP nur noch bei 19 Prozent. Ähnlich eine Umfrage von "Unique research" für das "Profil", welche die FPÖ bei 28 Prozent sah, die SPÖ bei 25 und die ÖVP bei 22 Prozent.

Möchten die Regierungsparteien einen Bundeskanzler Strache verhindern, braucht es Lösungen. Bedenklich stimmen müsste sie die Entwicklung seit 1945 insgesamt. Aus den ehemaligen Großparteien, die etwa 1970 gemeinsam 93,1 Prozent der Stimmen (SPÖ: 48,4; ÖVP: 44,7) erreichten, sind inzwischen höchstens mittelgroße Parteien geworden. 1994 brachte es die SPÖ noch auf 34,9 Prozent, die ÖVP auf 27,7 Prozent. Anfang Jänner haben sie es laut Market-Umfrage mit Werten knapp über 20 Prozent zu tun, während die FPÖ bei 26 Prozent liegt. Damit kann Strache mit Platz eins bei den nächsten Wahlen zumindest spekulieren, auch wenn er bei der Kanzlerfrage nur 15 Prozent erreicht (Faymann: 18 Prozent, Mitterlehner 21 Prozent).

Ein Personalwechsel ist auch keine Lösung

"Das ist Krisenmanagement, aber keine Lösung des Problems", kommentierte Ex-ÖVP-Chef Erhard Busek laut "Presse" kurz nach dem Personalwechsel im Sommer. Eine solche Lösung könne es nur geben, "wenn sich die ÖVP überlegt, wofür sie steht und was sie tut".

Wofür genau die Volkspartei steht, werden die kommenden Verhandlungswochen zeigen. Einigkeit mit der SPÖ gibt es dahingehend, dass der Eingangssteuersatz bei der Einkommensteuer auf 25 Prozent sinken soll. Die Bildungsdebatte ist mit dem Wechsel an der ÖVP-Spitze vorerst zum Nichtthema geworden.

Die Kritik in der Bevölkerung in Sachen Hypo-Skandal führte zumindest zu neuen Verfahrensregeln bei U-Ausschüssen. Seit Jahresbeginn kann eine Minderheit, konkret ein Viertel der Abgeordneten, einen U-Ausschuss erzwingen.

Umsetzen konnte die Regierung sonst bisher wenig. Von einer Verwaltungsreform ist nichts zu sehen. Bei den Themen Sicherheit und Bildung scheint ein Konsens in weiter Ferne. Und was die Steuerreform betrifft, wird es wohl äußerst zähe Verhandlungen geben.

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