Die Spitäler kämpfen teils mit einer zu hohen Dichte an Patienten. Lange kann das nach Sicht von Tirols Ärztekammerpräsident nicht mehr gut gehen. Er fordert deshalb die Einführung einer Ambulanzgebühr. Aber auch ein "Belohnungssystem" ist aus seiner Sicht sinnvoll.
Tirols Ärztekammerpräsident Stefan Kastner mahnt von der wahrscheinlichen blau-schwarzen Bundesregierung die Wiedereinführung einer Ambulanzgebühr zur besseren Patientensteuerung als Teil einer dringend notwendigen Gesundheitsreform ein.
"Wer außerhalb einer Ambulanzzeit oder ohne entsprechende Vorgaben seine E-Card im Spital steckt, der soll dann einfach einen Zahlschein bekommen", sagte Kastner im APA-Interview. "Überlegen" müsse man sich dabei eine soziale Staffelung.
Die Zahlungsaufforderung könne der Betroffene ja dann bei der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) bzw. seiner Versicherung beeinspruchen. Diese würde dann nach Prüfung der Unterlagen entscheiden, ob es gerechtfertigt war oder nicht, dass derjenige das Krankenhaus aufsuchte. Eine Ausnahme von der Ambulanzgebühr wäre natürlich eine vorhandene Überweisung ins Spital.
Auch könnten verschiedene Ambulanzen unter bestimmten Umständen davon ausgenommen werden, wie etwa Unfallambulanzen: "Wenn jemand beispielsweise um 22.00 Uhr abends mit einem gebrochenen Fuß ins Spital kommt." Es müsse einfach ein "Regelwerk" geschaffen werden.
Die Ambulanzgebühr solle für Fälle gelten, bei denen es "wirkliche Alternativen" zur Krankenhausbehandlung gegeben hätte und das Aufsuchen des Spitals "willkürlich und nicht notwendig" gewesen sei, so Kastner.
Tirols Ärztechef für "soziale Staffelung"
Über die "Höhe der Befreiung bzw. die soziale Verträglichkeit" einer solchen Gebühr müsse man diskutieren, erklärte Tirols Ärztekammerpräsident und brachte eine "soziale Staffelung" ins Spiel. Die "klassische österreichische Lösung, die da lautet: 'Das können wir nicht machen, weil das und das'" dürfe hier jedenfalls nicht mehr gelten, plädierte Kastner dafür, "politische Verantwortung" wahrzunehmen.
Die Zeit dränge, denn der überbordende und teils nicht gerechtfertigte Zustrom in die Spitäler müsse eingedämmt werden. "Wir müssen die Patientensteuerung teilweise verpflichtend machen. Denn dass man wie in einem Selbstbedienungsladen überall aufschlagen kann, wo man will, wird es auf Dauer nicht spielen können", meinte Kastner.
Abseits der Ambulanzgebühr trat Tirols Ärztekammerchef erneut für ein Bonus- bzw. "Belohnungssystem" ein, um Patientenströme vermehrt weg von den Spitälern hin zu einem gestärkten, kassenärztlichen niedergelassenen Bereich zu lenken oder für eine andere schnelle Abklärung zu sorgen.
Dies könnte etwa über eine Ermäßigung des Sozialversicherungsbeitrages vonstatten gehen, sollte sich jemand zum Beispiel verpflichten, die Hotline "1450" in Anspruch zu nehmen, bevor er sich ins Spital begibt. Auch das Erreichen von gewissen Gesundheits-Vorsorgezielen bzw. Präventionszielen verbunden mit der folgenden Zahlung eines geringeren Selbstbehaltes wäre eine solche Anreiz-Maßnahme.
Strukturelle Gesundheitsreform schon im ersten Regierungsjahr nötig
Jedenfalls müsse die künftige Bundesregierung gleich zu Beginn der Legislaturperiode - "am besten noch im ersten Jahr" - eine "strukturell wirklich tiefgreifende Gesundheitsreform" über die Bühne bringen, sagte der Tiroler Ärztechef. Diese müsse "groß und nachhaltig gedacht werden" und dürfe keinesfalls wieder zu einer "Mini-Reform" verkommen wie jene des scheidenden Gesundheitsministers Johannes Rauch (Grüne).
"Es braucht eine Kehrtwende und eine Richtungsentscheidung", verlangte Kastner und machte gleichzeitig deutlich, wohin diese Richtung führen müsse: In Investitionen bzw. den Aufbau einer starken Struktur im niedergelassenen Bereich: "Es braucht einen Shift in diesen Bereich. Dann muss aber auch der Finanzierungsstrom dorthin gehen."
Man müsse eine "zweite Struktur aufbauen", um die ambulante wie stationäre Spitalsstruktur zu entlasten und diese in weiterer Folge mittelfristig im Sinne der Effizienz dort und da abzubauen.
Jedes Spitalsbett sei teurer als eine andere Struktur. Daher müssen man den Schwerpunkt künftig auf Übergangseinrichtungen, Übergangspflege, Akut-Reha und tagesklinische Leistungen legen. Es brauche "angepasste Investitionen in einen neuen Weg". Zuvor sei ein "Kassasturz im Gesundheitssystem" dringend nötig: "Denn wenn das so weitergeht, werden wir in fünf Jahren ein Desaster im Gesundheitsbereich haben."
Bezüglich der von der Bundesärztekammer geforderten Schaffung von zusätzlich 1.000 Kassenstellen mahnte Kastner ein, dass es in erster Linie darum gehe, dass diese Stellen dann auch wirklich besetzt werden. Das sei das Entscheidende.
Darüber hinaus werde die Gesundheitskasse nicht imstande sein, "1.000 Stellen mehr zu zahlen mit den gleichen Einnahmen". Hier müsse man über "andere Zuzahlungen nachdenken." Generell werde eine Gesundheitsreform ohne eine andere Finanzierungsvereinbarung nicht möglich sein.
Unmittelbare Einsparungen im Gesundheitssystem wären jedenfalls kontraproduktiv: "Es geht derzeit nicht mit weniger Geld. Aber ohne eine Effizienzsteigerung ist der Status quo nicht zu halten." In den niedergelassenen Bereich müssten laut Kastner "mindestens ein bis zwei Milliarden Euro hinverschoben" werden, um diese Effizienz letztlich zu erreichen.
Nächster Gesundheitsminister sollte "kein Newcomer" sein
Unbedingt müssten die Bundesländer mit an Bord geholt werden - denn ohne diese sei eine substanzielle Gesundheitsreform nicht möglich. Eine Bundesregierung bzw. ein Gesundheitsminister habe zu wenig Macht und Kompetenzen, um allein etwas bewegen zu können.
Die Probleme im Gesundheitsbereich seien "gleichzeitig ein Föderalismusproblem", wurde Kastner deutlich und sprach sich idealerweise für eine teilweise "Entmachtung" der Länder aus. Da letzteres aber nicht realistisch sei, müsse man einen gemeinsamen Weg gehen und die 15a-Vereinbarung in diesem Bereich aufschnüren, um dann wirklich an den Strukturen etwas verändern zu können.
"Wir müssen weg von diesem Kantönli-Denken", gab der Ärztekammerpräsident den Verantwortlichen, vor allem in den Ländern, mit auf den Weg. Österreich habe nach wie generell zu viele Krankenhäuser, die dieselben Leistungen anbieten.
In die Karten könnte einer FPÖ-ÖVP-Regierung die Tatsache spielen, dass es auch auf Länderebene immer mehr solcher politischer Konstellationen gebe, glaubte Kastner. Dieselben politischen Farben auf beiden Ebenen in Regierungsverantwortung könnten eine große Reform wahrscheinlicher machen.
Der nächste Gesundheitsminister sollte jedenfalls "kein Newcomer" sein und müsse auch nicht unbedingt aus dem Gesundheitsbereich kommen: "Er braucht extrem gute Erfahrung im politischen System und muss auch föderal akzeptiert sein." (apa/bearbeitet von thp)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.