- Der frühere österreichische Spitzenbeamte und Staatsmanager Thomas Schmid belastet Ex-Kanzler Sebastian Kurz gegenüber der Staatsanwaltschaft schwer.
- Es geht um Korruption und Postenschacher, Kurz könnte eine Haftstrafe drohen.
- Doch vor einem U-Ausschuss schweigt Schmid trotz Strafandrohung beharrlich. Mit gutem Grund, meint Polit-Experte Josef Votzi.
Ob Thomas Schmid ein Parteibuch der konservativen ÖVP habe, wollten die Abgeordneten wissen. Kein Kommentar.
Ob die Unterschrift auf den Einvernahmeprotokollen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKSta) von ihm stamme? Kein Kommentar.
Gute zwei Stunden lang schwieg der einst enge Vertraute von Ex-Kanzler
Seit gut einem Jahr galt die Schlüsselfigur jenes Skandals, der Kanzler Kurz das Amt kostete, als untergetaucht. Es hieß, er habe sich in die Niederlande abgesetzt. Vorladungen zum U-Ausschuss über mutmaßliche Korruption im Umfeld der ÖVP ließ er verstreichen. Dann wurde vor ein paar Wochen bekannt, dass Schmid im Sommer immer wieder inkognito nach Wien gekommen sei: Mehr als ein Dutzend Mal habe er bei der WKSta ausgesagt.
Thomas Schmid strebt Deal mit Staatsanwaltschaft an
Inzwischen weiß man, dass der 47-Jährige einen Deal mit der Staatsanwaltschaft anstrebt: Um einer Gefängnisstrafe zu entgehen, hat er eingewilligt, den Anklägern als Kronzeuge alles zu erzählen, was er über die mutmaßlichen juristischen Regelbrüche der Konservativen weiß.
Die Einvernahmeprotokolle sind inzwischen öffentlich geworden. Schmid stellt sich als Befehlsempfänger dar – als einen Mann fürs Grobe, der nur umsetzte, was ihm von oben angewiesen wurde. Es ist kein Geheimnis, dass die WKSta auf Kurz, den einst so populären, jungen Regierungschef zielt. Wenn es stimmt, was Schmid in den Einvernahmen erzählt hat, könnte dem Ex-Politiker eine Haftstrafe drohen. Kurz bestreitet die Vorwürfe, Schmid verbreite Unwahrheiten, um die eigene Haut zu retten.
Außer Streit steht, dass es in der Ära von Kurz gelinde gesagt zu Unregelmäßigkeiten kam. Da wäre der Vorwurf der Medienkorruption: Die Zeitung "Österreich" wurde in den Jahren 2016 bis 2021 aus dem Finanzministerium mit Inseraten in Millionenhöhe bedacht. Schmid war dort bis 2019 Generalsekretär und konnte als solcher diese Gelder verteilen.
In dieser Zeit wurden auch mit Steuergeldern mutmaßlich im Sinne der ÖVP getürkte Umfragen in Auftrag gegeben, die in "Österreich" veröffentlicht wurden – garniert mit Berichten und Kommentaren, die Kurz bejubelten und seine politischen Gegner schlecht machten. Der Doppelpass mit dem Boulevard begann schon, als Kurz noch Außenminister einer SPÖ-geführten Regierung war. Das Ziel: Der Jungpolitiker sollte erst ÖVP-Chef werden, dann Neuwahlen provozieren, um schließlich das Kanzleramt zu übernehmen. Der Plan ging auf.
Als das im Oktober vergangenen Jahres bekannt wurde, musste Kurz als Regierungschef seinen Hut nehmen. Er hat in der Zwischenzeit bei dem umstrittenen US-Investor und deklarierten Trump-Unterstützer Peter Thiel angeheuert. Bis heute beteuert er, von verbotenen Machenschaften nichts gewusst zu haben.
Auch mit dem Postenschacher in seiner Regierungszeit will Kurz nicht in Verbindung gebracht werden, ebenso wenig damit, dass sich ÖVP-Parteispender wie der Unternehmer Siegfried Wolf über Steuernachlässe in Millionenhöhe freuen durften. Verantwortlich dafür: Thomas Schmid. "Die ÖVP ist die Hure der Reichen", schrieb er damals in einer Chatnachricht an eine ihm unterstellte Mitarbeiterin.
Der ausgebildete Jurist und Politikwissenschaftler aus dem noblen Tiroler Skiort Kitzbühel war nicht immer so schweigsam wie jetzt. Ganz im Gegenteil: Als der Staatsanwaltschaft bei Ermittlungen in einer anderen Causa sein Mobiltelefon in die Hände fiel, fanden die Ermittler dort hunderttausende Chatnachrichten, in denen Schmid offenherzig über getürkte Umfragen, Postenschacher und Inseratenkorruption schrieb. Etwa über "Österreich"-Herausgeber Wolfgang Fellner. "Fellner ist ein Kapitalist. Wer zahlt, schafft an." Die Inserate auf Steuerkosten seien ein "geniales Investment".
Schmid belastet Ex-Kanzler Kurz schwer
2019 wurde Schmid zum Chef der Beteiligungsgesellschaft ÖBAG ernannt, einem der bestdotierten Jobs, den die Alpenrepublik zu vergeben hat. "Kriegst eh alles, was du willst", schrieb der damalige Regierungschef Kurz. "Ich liebe meinen Kanzler", antwortet Schmid. Das war einmal. Nun belastet Schmid (der als ÖBAG-Chef schon im Vorjahr gehen musste) sein einstiges Idol schwer.
Warum aber schweigt er dann vor dem U-Ausschuss? Dort gilt in Österreich die Wahrheitspflicht. Wer beim Flunkern erwischt wird, muss mit einer Anklage vor Gericht rechnen. Immer wieder ist es in der Vergangenheit vorgekommen, dass sich Zeuginnen und Zeugen dort bei der einen oder anderen Frage entschlagen haben. Etwa dann, wenn sie – wie auch Schmid – bereits Beschuldigte der Staatsanwaltschaft sind und fürchten müssen, sich so selbst zu belasten.
Dass aber jemand nicht einmal auf die einfachsten Fragen antwortet, ist unüblich – und möglicherweise sogar strafbar. "Damit wird der Ausschuss ad absurdum geführt", zürnt der zuständige Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl. Er spricht von saftigen Sanktionen: Pro ungerechtfertigter Aussageverweigerung könne dem schweigenden Zeugen der Anklage eine Beugestrafe zwischen 500 und 10.000 Euro drohen.
"Man kann davon ausgehen, dass Schmid eine Beugestrafe lieber ist als eine Haftstrafe", sagt Josef Votzi im Gespräch mit unserer Redaktion. Der freie Publizist gehört zu den in Justiz und allen politischen Lagern am besten vernetzten Beobachtern des Landes. Schmids Strategie sei offensichtlich: "Er will bloß keinen Fehler machen und dem Ausschuss nicht einmal einen kleinen Finger reichen. Wenn er eine Antwort gibt, läuft er Gefahr, sich zu weiteren Aussagen hinreißen zu lassen."
Votzi geht auch davon aus, dass Schmid mit dieser Strategie durchkommt. Die sei wohl mit seinem Anwalt abgesprochen, dessen Kanzlei auf die Vertretung von reuigen Sündern spezialisiert ist: "Es ist zudem keineswegs sicher, dass eine Beugestrafe verhängt wird", sagt der Politkenner.
Und es gibt wohl noch einen Grund, warum Schmid in der Öffentlichkeit schweigt: Seine Einvernahme bei der WKSta ist noch nicht abgeschlossen, den Kronzeugenstatus – der ihm Straffreiheit oder zumindest eine besonders milde Buße garantieren soll – hat er noch nicht in der Tasche. "Schmid fokussiert sich jetzt wohl voll auf die Justiz", sagt Votzi.
"Sein wichtigster Entscheidungspunkt ist das Gericht, wo sich in den kommenden Wochen und Monaten entscheiden wird, ob er den Kronzeugenstatus bekommt", so Votzi. Welchen Eindruck Schmid vor einem U-Ausschuss des Parlaments macht, dürfte da wohl nebensächlich sein: "Von der Politik hat er ohnehin nichts mehr zu erwarten."
Eine nicht unwichtige Rolle spielt dabei die grüne Justizministerin Alma Zadic. Sie hat schon vor der Einvernahme Schmids klargestellt, dass dieser nur zu Themen befragt werden darf, die die "Interessen der Strafverfolgungsbehörden" nicht gefährden. Was das im Detail bedeutet, ist nicht immer ganz eindeutig. Klar ist aber: Wenn Zeuge Schmid vor einem politischen Ausschuss schweigt, kann er sich zumindest grundsätzlich auf die Order der Justizministerin berufen.
Dazu muss man wissen, dass Sebastian Kurz als Kanzler immer wieder im Clinch mit der WKSta – dem schärfsten Schwert der österreichischen Justiz – lag. Als diese vor zwei Jahren begann, im ÖVP-Umfeld zu ermitteln, machte der junge Regierungschef massiv Stimmung gegen die Anklagebehörde. Dort gebe es "linke Zellen", denen es nur darum ginge, der ÖVP zu schaden. Schon damals hatte sich Zadic deutlich hinter die WKSta gestellt und den konservativen Koalitionspartner in die Schranken gewiesen.
Nach Sicherstellung der verfänglichen Chatnachrichten von Thomas Schmid ist ein Machtkampf zwischen der WKSta und anderen Justizbehörden entbrannt. Ein besonders scharfer Kritiker der WKSta war Christian Pilnacek, der mächtige, ÖVP-nahe Generalsekretär im Justizministerium. Auch er stolperte über Chatnachrichten, die nahelegten, dass er Einfluss auf die Ermittlungen nehmen wollte.
Etwa als der frühere Finanzminister und Kurz-Vertraute Gernot Blümel einvernommen werden sollte. "Wer vorbereitet Gernot auf seine Vernehmung?", schrieb Pilnacek an dessen Kabinettschef. Zadic hat Pilnacek inzwischen entmachtet. Die Justizministerin hat klargestellt, dass die Arbeit der Staatsanwaltschaft nicht behindert werden darf – auch wenn diese gegen den Koalitionspartner ÖVP ermittelt.
Noch gibt es keine Anklagen, für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung. Mit Thomas Schmid als Zeugen der Staatsanwaltschaft ist aber ein gerichtliches Nachspiel für Ex-Kanzler Kurz sehr wahrscheinlich geworden.
Schmid ebnete Kurz den Weg ins Kanzleramt
Ganz uneigennützig dürfte Schmids frühere Unterstützung für Kurz aber wohl nicht gewesen sein. Davon ist zumindest Polit-Kenner Votzi überzeugt: "Meine Einschätzung ist, dass er in Kurz eine goldene Aktie für seine Karriere gesehen hat." Daher habe Schmid alles in seiner Macht Stehende getan, um diesem den Weg ins Kanzleramt zu ebnen.
Die Wege der beiden Männer haben sich bereits vor mehr zehn Jahren gekreuzt. Damals wurde Sebastian Kurz mit gerade einmal 24 Jahren Staatssekretär für Integration und residierte im Innenministerium. Schmid war bereits rechte Hand des damaligen Finanzministers, sein Büro lag nur wenige Fußminuten entfernt. Früher oder später musste man sich über den Weg laufen.
"Schmid hatte damals offenbar das Gefühl, wie ein Underdog behandelt zu werden", sagt Votzi. "Einer, der nicht in eine Position gelangt, die seinen Fähigkeiten gerecht wird." Eigentlich hatte der Jurist aus Tirol eine diplomatische Karriere angestrebt, war aber an dem strengen Auswahlverfahren für Spitzenjobs im Auswärtigen Amt gescheitert.
Im aufstrebenden Jungpolitiker Kurz sah er laut Votzi einen Verbündeten, in dessen Fahrwasser er mit nach oben schwimmen könne. Unter Kanzler Kurz wurde Schmid schließlich immerhin ÖBAG-Chef. Doch bald darauf sickerten die Chatnachrichten an die Öffentlichkeit, Schmid musste gehen, auch für Kurz wurde es eng.
In seiner Einvernahme schilderte Schmid, wie sein letztes Treffen mit dem damals bereits angezählten Kanzler verlief. Kurz habe ihn bedrängt, ihm alle Chatnachrichten auszuhändigen und zudem eine schriftliche Erklärung zu unterschreiben, wonach er, Kurz, von allem nichts gewusst habe. In diesem Moment dürfte bei Schmid der Groschen gefallen sein: "Da habe ich mir gedacht, er spinnt", erzählte er der Staatsanwaltschaft.
Nun will er offenbar alles tun, um selbst möglichst unbeschadet aus der Affäre zu kommen.
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