Auch drei Tage nach dem Terrorangriff auf eine Konzerthalle bei Moskau ist das Entsetzen groß. Sowohl Politiker als auch Terrorismusforscher Peter Neumann warnen vor einer erneut wachsenden Gefahr islamistischen Terrors in Europa. Eine Gruppe sticht dabei hervor.

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Der Terrorismusexperte Peter Neumann sieht eine "recht große" Terrorgefahr in Deutschland und Westeuropa. Seit dem Beginn des Gaza-Kriegs im Oktober gebe es eine riesige "Mobilmachung von Islamisten, von Dschihadisten überall in Westeuropa", sagte Neumann am Montag im Deutschlandfunk.

In Deutschland seien drei oder vier Anschläge verhindert worden. Nun käme zusätzlich "der ISPK, also dieser Ableger des Islamischen Staats in Afghanistan, Zentralasien" dazu, der "sehr ambitioniert und aggressiv auch Anschläge im nichtmuslimischen Ausland versucht, darunter auch in Westeuropa".

Die Gruppe Islamischer Staat Provinz Khorasan (ISPK) hat ihren Ursprung in Afghanistan. Khorasan steht für eine historische Region in Zentralasien, die Teile von Afghanistan, Usbekistan, Turkmenistan und Tadschikistan sowie vom Iran umfasste. Das seien einige Gefahren, die hier zusammenkämen, "wo ich sage, die größte, aktuelle terroristische Bedrohung in Deutschland, in Europa, ist jetzt wieder von der islamistischen, von der dschihadistischen Seite", sagte Neumann.

Terrorismusforscher Neumann: Politik muss schwierige Balance halten

Für die Politik sei es immer eine schwierige Balance, die Menschen darauf hinzuweisen, dass eine derartige Gefahr tatsächlich existiere und zugleich die Menschen nicht unnötig in Unruhe zu versetzen. Der deutschen Regierung bescheinigt Neumann dabei, ausgewogen vorzugehen. "Ich glaube, die Bundesregierung kriegt das aktuell ganz gut hin."

Den Sicherheitsbehörden müsse man natürlich auch dafür gratulieren, dass sie so viele von den Anschlagsplänen verhindert hätten. Vergangene Woche etwa hatte es in Thüringen zwei Verhaftungen von mutmaßlichen IS-Anhängern gegeben, und um die Weihnachtszeit hatte es rund um Anschlagspläne auf den Kölner Dom Festnahmen gegeben.

Insgesamt aber würden die Fälle häufiger, sagte Neumann weiter. Seit Beginn des Gaza-Kriegs Anfang Oktober habe es in Europa acht versuchte terroristische Anschläge von dschihadistischer Seite gegeben. Im gesamten Jahr 2022 seien es in ganz Europa sechs versuchte derartige Angriffe gewesen, sagte Neumann unter Berufung auf Europol.

Der Terrorismusexperte verwies zugleich darauf, dass es jüngst zu einem Wechsel in der Herangehensweise von Terroristen gekommen sei. In den vergangenen Jahren habe man häufig Einzeltäter gesehen - Anhänger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS), die Propaganda im Internet konsumiert und dann auf eigene Initiative etwas unternommen hätten.

Nun komme mit dem ISPK wieder eine organisierte Gefahr hinzu - "eine recht professionelle Gruppe", die auch wieder in der Lage sei, Netzwerke zu organisieren. Das mache diese Gefahr noch mal stärker.

© dpa-infografik GmbH

Auch Ampel-Politiker sehen Europa durch islamistischen Terrorismus bedroht

Auch Politiker der Ampel-Koalition sehen eine große Gefährdung durch islamistischen Terrorismus in Europa. "Die Bedrohungslage durch islamistische Terroristen in Europa, auch und gerade in Deutschland, ist konstant hoch", sagte Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz der Düsseldorfer "Rheinischen Post".

Er fügte hinzu: "Zu welch abscheulichen und menschenverachtenden Taten Organisationen wie der IS in der Lage sind, belegen die zahlreichen verbrecherischen Anschläge der letzten Jahre."

Von Notz verwies auf die Sicherheitsherausforderung für die anstehende Fußball-Europameisterschaft in Deutschland. "Die deutschen Sicherheitsbehörden werden in den nächsten Monaten personell maximal gefordert sein und brauchen dafür die volle politische Unterstützung des Bundes und der Länder", sagte er.

Nötig seien ein enger Austausch und verbindliche Abstimmungen mit den internationalen Partnern, "um die Gefahr des islamistischen Terrors konsequent zu unterbinden".

Djir-Sarai: Kampf gegen Terror muss im Fokus bleiben

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte der Zeitung: "Vom IS und seinen regionalen Gruppierungen gehen weiterhin große Gefahren aus." Er betonte: "Der Kampf gegen den menschenverachtenden Terror muss nach wie vor im Fokus der Politik und der Sicherheitsbehörden bleiben." Auch dürften Konfliktregionen in Afrika, im Nahen und Mittleren Osten nicht aus dem Blick geraten.

In einem Moskauer Vorort waren am Freitagabend maskierte Angreifer in den voll besetzten Konzertsaal Crocus City Hall eingedrungen und hatten dort das Feuer eröffnet. Mindestens 137 Menschen wurden bei dem Angriff getötet, für den die Dschihadistenmiliz IS die Verantwortung übernahm. Drei Tage nach dem Angriff liegen noch immer fast 100 Verletzte im Krankenhaus. (dpa/AFP/ank)

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