Ein Mitarbeiter eines Atomkraftwerkes, der von Islamisten ausspioniert wird. Ein Dschihadist, der jahrelang in einem Kernkraftwerk arbeitet. Kriminelle, die versuchen, radioaktives Material an Terroristen zu verkaufen. Die Gefahr, dass Terroristen nukleares Material als Waffe verwenden könnten, ist da. Aber wie groß ist sie wirklich? Und welchen Schaden können sie anrichten?

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Hinweise, dass islamistische Terroristen es auf radioaktives und nukleares Material abgesehen haben, gibt es immer wieder.

Zuletzt in Belgien, als Ermittler ein mit versteckter Kamera aufgenommenes Video fanden, das das Haus eines renommierten belgischen Kernforschers zeigte. Laut Medienberichten wurde das Band von zwei der Attentäter von Brüssel aufgezeichnet.

Ob sie den Nuklearwissenschaftler entführen oder erpressen wollten, ist unklar, allerdings ist schon alleine die Verbindung von Terroristen zu Nuklearmaterial eine, die Angst macht.

Und zwar in mehrfacher Hinsicht: Terroristen könnten sich radioaktives Material beschaffen und eine sogenannte schmutzige Bombe bauen. Sie könnten aber auch ein Atomkraftwerk als Waffe benutzen, indem sie es von außen oder von innen angreifen.

Material für "schmutzige Bombe" verfügbar

Wege zur "schmutzigen Bombe" gibt es potenziell einige: Etwa über Händler, die mitunter sogar hochangereichertes, also waffenfähiges, Uran oder auch Cäsium anbieten. Die Nachrichtenagentur AP berichtete vor einigen Monaten, dass kriminelle Banden Terrorgruppen wie dem sogenannten Islamischen Staat (IS) mehrfach radioaktives Material angeboten haben.

Zudem sollen Unterstützer oder Kämpfer des IS im Irak Uran gestohlen haben. Es muss sich aber nicht einmal um Handels- oder Diebesgut handeln. Solches Material komme "an einer Vielzahl von Plätzen zum Einsatz", auch an Orten in Syrien und im Irak, die vom IS überrannt worden seien, sagte Leonard Spector, Experte für weltweite Nuklearwaffenbegrenzung, der Freien Presse.

Wenn es um den Diebstahl radioaktiver Stoffe geht, könnten in unseren Breiten vor allem Forschungseinrichtungen oder Krankenhäuser bedroht sein. Dazu müssten sich die Terroristen vor Ort jedoch genau auskennen, so Spector. "Zudem kommt man auch dort ohne Begleitpersonal gar nicht erst in die Sicherheitsbereiche."

Obwohl das Risiko, dass Terroristen eine "schmutzige Bombe" bauen könnten, seit Jahren bekannt sei, sei noch nie eine aufgetaucht. Die meisten Länder hätten erkannt, wie wichtig es sei, radioaktives Material zu schützen.

"15 Leute können Schwierigkeiten bringen"

Doch wie sieht es mit dem Schutz von Atomkraftwerken aus? Hier gibt es mehrere Bedrohungsszenarien, nämlich Angriffe von außen und von innen - wobei letztere bei der Mehrheit der Experten als gefährlicher gelten.

"Die Räumung des belgischen Atomkraftwerks [nach den Anschlägen in Brüssel in der vergangenen Woche, Anm. d. Red.] zeigt, dass, wenn Innentäter detailliertes Wissen haben, unter Umständen die Gefahr wesentlich größer ist" als bei Angriffen von außen, sagte etwa der Physiker Götz Neuneck vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik (IFSH) in einem Interview mit Deutschlandradio Kultur.

Zwar sei es nicht wirklich einfach, ein Atomkraftwerk zu sabotieren: "Man muss wissen, wo die Verwundbarkeiten liegen."

Andererseits seien die Sicherheitsstandards oft "nicht so furchtbar hoch". Ein sehr gut trainiertes Team von 10 bis 15 Leuten könne ein Atomkraftwerk durchaus in Schwierigkeiten bringen, so Neuneck.

Ein Beispiel für solche Schwierigkeiten ist ein Vorfall aus dem Jahr 2014, ebenfalls in Belgien. Damals ließ ein Unbekannter im Kraftwerk Doel nahe Antwerpen 65.000 Liter Öl aus einer Turbine laufen. Sie lief heiß, das AKW fuhr herunter.

Das Provozieren eines solchen atomaren Zwischenfalls hätte nach Ansicht des US-Experten Spector vor allem psychologische Auswirkungen.

Allein der Schock, dass in einem Atomkraftwerk etwas passieren könne, werde für große Aufregung sorgen. "Wirklich Schaden für die Bevölkerung zu erzielen, ist unwahrscheinlich", sagt Spector.

Lage durch Selbstmordattentäter "unkalkulierbar"

Die offensichtlichen Schutzmechanismen von Atomkraftwerken gegen Angriffe von außen sind dicke Betonwände, Stahltüren und Panzerglas. Wo ihre Schwachstellen liegen, verraten die Behörden aus Sicherheitsgründen nicht.

In Sachen "Innentäter" geben sie aber immerhin einige Anforderungen an potenzielle Mitarbeiter in Atomkraftwerkes preis: Jeder werde auf seine Zuverlässigkeit hin überprüft.

So müsse ein Bewerber zum Beispiel in einem Fragebogen seine Wohnsitze der letzten zehn Jahre angeben. Wenn die routinemäßigen Nachfragen bei Polizei, Verfassungsschutz und beim Bundeszentralregister der Justiz unbedenklich waren, dürfe der AKW-Betreiber einen Zugangsausweise ausstellen. Alle fünf Jahre finde eine weitere Überprüfung statt.

Hundertprozentige Sicherheit ist dadurch wohl nicht gegeben. Gerd Rosenkranz vom Berliner Expertengremium "Agora Energiewende" gab in einem Focus-Interview zu bedenken: "Während terroristische Anschläge früher so vorbereitet wurden, dass die Attentäter auf jeden Fall entkommen sollten, ist die Lage bei Selbstmordattentätern völlig unkalkulierbar geworden."

Für viele Fachleute - auch für Gotz Neuneck - lautet deswegen der einzige Weg: Radioaktives und nukleares Material muss komplett verschwinden. Gerade vor dem Hintergrund, dass es eben nicht überall gleich gut gesichert werde, sei langfristig die einzige Lösung, das Material zu eliminieren.

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