Immer wieder wird behauptet, Rettungsaktionen für Migranten im Mittelmeer würden weitere Migranten anlocken. Eine aktuelle Studie zeichnet ein völlig anderes Bild - und widerspricht rechten Parteien.

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Rettungsaktionen für Migranten, die auf dem Mittelmeer in Seenot geraten, ziehen einer Studie zufolge keine zusätzlichen Migranten nach sich. Bestimmende Faktoren für den Aufbruch von Migranten seien vielmehr sich verschlimmernde Konflikte, Naturkatastrophen und steigende Preise für Lebensmittel in der Heimat. So heißt es in einer Studie, die die renommierte Fachzeitschrift "Scientific Reports" am Donnerstag veröffentlichte.

"Es gibt keine Verbindung zwischen lebensrettenden Aktionen im Meer und der Zahl der Migranten", sagte Julian Wucherpfenning von der Berliner Hertie School, einer der Ko-Autoren der Studie. "Rettungsaktionen retten vor allem Leben, aber sie ziehen keine zusätzlichen Migranten an", bekräftigte Ramona Rischke vom Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung.

Die Wissenschaftler analysierten Daten aus der Zeit von 2011 bis 2020 von der EU-Grenzschutzagentur Frontex, der libyschen und tunesischen Küstenwache, der Internationale Organisation für Migration (IOM) und einer Nichtregierungsorganisation, die die Identität von Migranten ermittelt, die im Mittelmeer sterben. Aus diesen Daten entwickelten sie ein Modell, um die Faktoren für den Aufbruch von Migranten zu ermitteln.

Studie widerlegt Argument von Rechtspopulisten

Das Ausmaß der Rettungsaktionen im Mittelmeer spielt der Studie zufolge dabei keine Rolle. Dies gelte auch für den Fall der Operation "Mare Nostrum", bei der die italienische Küstenwache 2013 und 2014 etwa 100.000 Migranten im Mittelmeer aus Seenot rettete.

Damit widerlegt die Studie ein Argument von Politikern wie der italienischen Ministerpräsidentin Georgia Meloni, die in Rettungsaktionen einen zusätzlichen Beweggrund für potenzielle Migranten sieht. Ihre rechtsgerichtete Koalition erließ ein Gesetz gegen Seenotrettung und setzte daraufhin das Rettungsschiff "Geo Barents" von Ärzte ohne Grenzen fest. Solche Maßnahmen zur Behinderung von Seenotrettern führen laut der Studie aber nicht zu weniger Überfahrten, sondern nur zu weniger Rettungen - und somit mehr Toten.

Die Route von Nordafrika über das Mittelmeer gilt als die weltweit gefährlichste. Seit 2014 haben nach Angaben der IOM mehr als 20.000 Migranten im Mittelmeer ihr Leben verloren oder werden als vermisst gemeldet. Die meisten von ihnen ertranken.

EU-Parlament will mehr sichere Fluchtwege

Die letzte verheerende Katastrophe mit hunderten Toten ereignete sich im Juni vor der griechischen Küste. Überlebende gaben der griechischen Küstenwache eine Mitschuld daran, dass das Boot kenterte.

In Zukunft will die EU die Seenotrettung verstärkt selbst in die Hand nehmen. Das Parlament verabschiedete dazu eine Resolution. Demnach sollen die EU-Länder und die europäische Grenzschutzagentur Frontex genügend Schiffe, Ausrüstung und Personal zur Verfügung stellen für einen "proaktiveren und koordinierteren Ansatz" zur Rettung von Menschenleben.

Außerdem soll die Kooperation mit Ländern außerhalb der EU davon abhängig gemacht werden, dass sie Menschenhändler und Schleuser bekämpfen. Sichere und legale Fluchtwege seien der beste Weg, um Todesopfer auf hoher See zu vermeiden, so die Abgeordneten. Menschen in Drittländern sollten zudem mehr Informationen darüber bekommen, wie gefährlich der Weg über die Meere nach Europa ist. (afp/dpa/lko)

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