Facebook erntete schon früher Kritik, weil es terroristische Propaganda nicht von seiner Plattform entfernte. Nun enthüllt eine Studie des "Counter Extremism Project", dass die Freundschaftsvorschlags-Funktion Tausende Extremisten des Islamischen Staates miteinander bekannt machte.
Der Social-Media-Riese Facebook wurde in der Vergangenheit wiederholt kritisiert, weil er terroristische Propaganda nicht ausreichend von seiner Plattform fernzuhalten vermochte. Nun werden neue Vorwürfe laut: Der US-Konzern soll es Dschihadisten erleichtert haben, sich weltweit aktiv zu vernetzen und Mitglieder zu rekrutieren.
Das geht aus einer Studie des "Counter Extremism Project" hervor, die im Laufe des Monats veröffentlicht wird und über die der britische "Telegraph" vorab berichtete. In ihrer Studie zeigen die Autoren auf, wie über die Freundschaftsvorschlags-Funktion Extremisten leicht zueinander finden.
Über die Funktion "Personen, die du vielleicht kennst" bekommen Facebook-Nutzer regelmäßig Vorschläge für Freundschaftsanfragen. Dazu sammelt die Seite persönliche Informationen über ihre Nutzer. Dieselben Informationen, die auch dazu verwendet werden, gezielte Werbung zu platzieren. So will Facebook Menschen mit gemeinsamen Interessen zusammenbringen.
Das ist praktisch für Menschen mit exzentrischen Hobbys, Kontaktängsten oder diejenigen, die einfach nur alte Schulfreunde finden wollen, ohne lange suchen zu müssen.
Es erleichtert aber auch Terrororganisationen die Kontaktaufnahme mit Sympathisanten und potenziellen Attentätern.
Dutzende IS-Freundschaftsvorschläge
Die Forscher analysierten die Facebook-Aktivitäten von 1.000 Unterstützern der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) in 96 Ländern. Dabei entdeckten sie, dass Nutzer mit islamistischen Ansichten routinemäßig über die Vorschlag-Funktion von Facebook miteinander bekannt gemacht wurden.
Gregory Waters, einer der Autoren der Studie, beschreibt im "Telegraph", wie er von Freundschaftsvorschlägen für IS-Anhänger bombardiert wurde, nachdem er mit einem aktiven Extremisten über die Webseite Kontakt aufgenommen hatte.
Auch sein Forscherkollege Robert Postings wurde, nachdem er einige Nachrichtensites über einen islamistischen Aufstand auf den Philippinen besucht hatte, binnen Stunden mit Freundschaftsvorschlägen Dutzender Extremisten aus dieser Region überhäuft.
Facebook verteidigt sich
Ein Facebook-Sprecher äußerte sich zu den Vorwürfen: "Es gibt keinen Platz für Terroristen auf Facebook. Wir arbeiten hart daran, sicherzustellen, dass keine Terroristen oder Terrorgruppen die Seite nutzen, und wir entfernen auch Inhalte, die Terrorismus gutheißen oder unterstützen."
Von den wegen IS- und Al-Kaida-Hintergrund entfernten Inhalten würden 99 Prozent von den automatisierten Systemen entdeckt, erklärte der Sprecher weiter. Der Ansatz funktioniere also.
Es gebe aber keine einfache technische Lösung, um Online-Extremismus zu bekämpfen, hieß es vonseiten des sozialen Netzwerks. Facebook investiere Millionen Dollar, um terroristische Inhalte zu identifizieren und zu entfernen, und werde das auch weiterhin tun.
Facebook ermöglicht schnelle Radikalisierung
Laut den Forschern des "Counter Extremism Project" liegt das Problem in der Funktionsweise von Facebook. Es "hat in seinem Wunsch, so viele Menschen wie möglich zu verbinden, versehentlich ein System geschaffen, das Extremisten und Terroristen verbindet", erläuterte Studienautor Postings. So könnten potenzielle Sympathisanten rasch radikalisiert werden.
In einem von den Wissenschaftlern dokumentierten Fall schickte ein indonesischer IS-Unterstützer im März 2017 eine Freundschaftsanfrage an einen nicht-muslimischen Nutzer in New York.
Während des ersten Kontakts erklärte der amerikanische Nutzer, dass er nicht religiös sei, aber Interesse am Islam habe. In den folgenden Wochen und Monaten schickte der indonesische Nutzer ihm zunehmend radikale Botschaften und Links, darunter IS-Propaganda, die alle von seinem Ziel geliked wurden.
Innerhalb von sechs Monaten habe sich der zuvor religiös nicht festgelegte Mann zu einem radikalisierten Muslim und IS-Unterstützer gewandelt, sagte Postings dem "Telegraph".
Terroristisches Material bleibt häufig stehen
Die Studie belegt zudem Versäumnisse von Facebooks Seite, terroristisches Material von der Website zu entfernen. Von den 1.000 untersuchten IS-Profilen war nach einem halben Jahr noch über die Hälfte zugänglich.
Dabei sei es wichtig, "Profile zu entfernen, die IS-Propaganda verbreiten, zu Angriffen auffordern und die Gruppe anderweitig unterstützen", sagte Postings. "Dass die Mehrheit der IS-Profile in dieser Datenbank von Facebook nicht gelöscht wurde, ist besorgniserregend."
Selbst wenn terroristisches Material identifiziert und die anstößigen Beiträge entfernt worden seien, sei das Profil des Nutzers oft unangetastet geblieben. Die Forscher fanden auch zahlreiche Beispiele für IS-Profile, die wieder freigeschaltet wurden, nachdem sich der Nutzer bei den Moderatoren über seine Sperrung beschwert hatte.
Einem britischen Terrorverdächtigen gelang es laut den Autoren, seinen Facebook-Account neunmal wiederherzustellen - trotz geposteter IS-Propagandavideos.
Für Co-Autor Waters zeigt dieses Projekt "Facebooks Unfähigkeit oder Unwillen", extremistische Inhalte auf seiner Website effizient zu bekämpfen.
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