Was bedeutet der EU-Binnenmarkt für die Bürger? Unter anderem mehr Einkommen. Sagt eine Bertelsmann-Studie rund zwei Wochen vor der Europawahl. Wie stark profitieren die Deutschen? Und warum schneidet das Nicht-EU-Mitglied Schweiz am besten ab?
Der EU-Binnenmarkt wirkt sich einer Studie zufolge positiv auf das Einkommen der Bürger aus: Der größte Wirtschaftsraum der Welt steigere das Einkommen etwa in Deutschland pro Kopf und Jahr um geschätzte 1.046 Euro, für die EU-Bürger insgesamt seien es im Durchschnitt statistisch rund 840 Euro.
Zu diesem Ergebnis kommt eine am Mittwoch veröffentlichte Studie der Bertelsmann Stiftung knapp zwei Wochen vor der Europawahl.
Dabei fallen die in allen 28 EU-Staaten untersuchten Auswirkungen regional unterschiedlich aus. "Nicht jeder profitiert gleichermaßen, aber alle gewinnen", sagte Stiftungsvorstand Aart de Geus. Der Binnenmarkt sei "größter Treiber für unseren Wohlstand".
EU-Binnenmarkt erhöht Einkommen um insgesamt 420 Milliarden
Die Autoren gehen davon aus, dass insgesamt EU-weit rund 420 Milliarden Euro Einkommenszuwächse jährlich durch den 1993 eingeführten Binnenmarkt erzielt werden.
Auf Deutschland entfalle das größte Plus - zusammengerechnet etwa 86 Milliarden Euro. Grundsätzlich gehörten vor allem Länder und Regionen mit hoher Exportorientierung und starker Industrie zu den Gewinnern.
Auf Bundesländerebene erzielt Nordrhein-Westfalen mit 18,6 Milliarden Euro - rechnerisch pro Person jährlich 1.042 Euro - die höchsten Einkommenszuwächse. Bayern bringe der EU-Binnenmarkt knapp 15,4 Milliarden jährliches Einkommensplus (1.198 Euro) und Baden-Württemberg fast 13,2 Milliarden Euro (1.211 Euro), schätzt die Studie, die das reale Bruttoinlandsprodukt pro Kopf und Jahr misst.
Dagegen fallen die Einkommenssteigerungen in eher strukturschwachen Ländern wie Mecklenburg-Vorpommern mit 700 Euro pro Person, in Sachsen-Anhalt mit 692 Euro und Brandenburg mit 672 Euro vergleichsweise gering aus.
Schweiz profitiert am stärksten
Die Analyse stellt zudem fest, dass ausgerechnet die Schweiz - Nicht-EU-Mitglied, aber über bilaterale Verträge mit dem europäischen Binnenmarkt besonders verbunden - mit 2.914 Euro Einkommensplus pro Kopf und Jahr am stärksten profitiert. Es folgen Luxemburg (2.834 Euro) und Irland (1.894 Euro).
Unter den besonderen Gewinnern sind auch Belgien, Österreich, die Niederlande. Frankreich (1.074 Euro) und Deutschland (1.046 Euro) gehören noch zu den Top-Ten-Profiteuren. Niedriger seien Zuwächse bei Staaten mit geringerer Wettbewerbsfähigkeit, etwa Spanien, Portugal oder Griechenland mit rund 400 bis 600 Euro pro Person und Jahr.
Potenzial noch nicht ausgeschöpft
Was sind die Gründe für die Einkommensgewinne? Das Wegfallen von Zöllen und anderen Hemmnissen lasse den Handel wachsen, schildern die Autoren. Es gebe mehr Wettbewerb, was sich positiv auf Produktion und Preise auswirke. Handelskosten würden gesenkt.
Der Binnenmarkt berge noch viel Potenzial für weitere Wohlstandsgewinne - vor allem beim Handel mit Dienstleistungen, meinte die Stiftung in Gütersloh.
Zum anstehenden Brexit prognostizierte Studien-Mitautor Dominic Ponattu, ein vollständiger Austritt der Briten aus dem Binnenmarkt würde das Land hart treffen. Das gelte besonders für den Großraum London und die Bewohner in den industrie- und innovationsstarken Südregionen. (hub/dpa)
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