Greta Thunberg und Teile von Fridays for Future stehen in der Kritik: Ihnen wird Israelhass vorgeworfen. Der deutsche FFF-Ableger geht auf Distanz. Doch reicht das noch aus?

Dieser Meinungsbeitrag stellt die Sicht von Fabian Hartmann und Joshua Schultheis dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Als Hamas-Terroristen am 7. Oktober rund 1.400 Menschen in Israel ermordeten, schwieg Greta Thunberg. Die Gründerin von Fridays for Future (FFF) und vielleicht bekannteste Aktivistin der Welt meldete sich erst zwei Wochen später mit einem Foto zu Wort: "Stand with Gaza" steht auf dem Pappschild, das sie in die Kamera hält. Daraufhin wurde ihr einseitige Parteinahme und Empathielosigkeit mit jüdischen Opfern vorgeworfen.

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Auf dem Instagram-Account von "Fridays for Future International" wurde wenig später ein Beitrag veröffentlicht, in dem behauptet wird, Israel begehe einen "Genozid" in Gaza und die westlichen Medien würden die Öffentlichkeit systematisch über die Situation in Nahost belügen. Der deutsche FFF-Ableger distanzierte sich von dem internationalen Account – nicht zum ersten Mal. Doch reicht eine Distanzierung noch aus? Oder sollten die deutschen Klimaaktivisten einen neuen Namen für ihre Bewegung finden?

Pro: Wer redet wie die Hamas, kann kein Namensgeber für Klimaschutz sein

Von Fabian Hartmann

Israel als "Apartheidssystem", westliche Medien, die in Bezug auf Nahost "lügen" und ein "Genozid", der an den Palästinensern begangen wird: Dieses verschwörungstheoretische Geraune kommt nicht von irgendwoher. Nein, es ist der internationale Instagram-Account von Fridays for Future, der solch verquere Botschaften absetzt.

Ausgerechnet jene Bewegung, die sich mit ihrem Einsatz für Klimaschutz einen Namen gemacht hat, verrennt sich beim Konflikt zwischen Israel und der radikal-islamischen Hamas völlig. Dumpfe, antisemitische Stimmungsmache – vorgetragen vor einem Millionenpublikum. Ein Einzelfall? Mitnichten.

Es ist ausgerechnet Klima-Ikone Greta Thunberg, die mit verstörenden Aussagen auffällt. Auf X, ehemals Twitter, postete Thunberg wenige Tage nach dem Massaker der Hamas in Israel ein Foto, das sie mit weiteren Aktivisten zeigt. Darunter heißt es, man streike "aus Solidarität mit Palästina und Gaza", die Welt müsse ihre Stimme erheben für "Gerechtigkeit und Freiheit für die Palästinenser". Kein Wort zum Leid der Israelis.

Es fügt sich in das Bild, das Fridays for Future auf internationaler Bühne abgibt. Die Gruppe spricht sich zwar, rein formal, gegen Antisemitismus aus. Im Fall Nahost aber sind die Rollen für die Klimaschützer klar verteilt: hier der Aggressor Israel, da die unterdrückten Palästinenser. Kein Wunder also, dass FFF in der Vergangenheit auch israelfeindliche Boykottaufrufe unterstützt hat.

Es ist ehrenwert, dass der deutsche Ableger von Fridays for Future sich immer wieder davon distanziert und auf antisemitische Tendenzen hinweist. Auch jetzt. Und ja: Luisa Neubauer, das deutsche Gesicht der Klimabewegung, hat auf der Pro-Israel-Demo vor dem Brandenburger Tor gesprochen. Doch wie glaubwürdig sind ihre Solidaritäts-Bekundungen, wenn sie einer Organisation angehört, die international im Trüben fischt?

Dabei sollte klar sein: Wer redet wie die Hamas, kann kein Namensgeber für Klimaschutz sein. Der deutsche Ableger von Fridays for Future sollte die nötigen Konsequenzen daraus ziehen – und sich abtrennen und umbenennen. Je schneller, desto besser.

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Contra: Der Name Fridays for Future gehört nicht Greta Thunberg

Von Joshua Schultheis

Die Strukturen von Fridays for Future sind kompliziert. Als die Bewegung 2019 entstand, konnte sich erst einmal jede und jeder unter ihrem Namen an Schulstreiks beteiligen, eigene Ortsgruppen bilden oder Social-Media-Accounts erstellen. Eine zentrale Organisation, die all das reguliert, gibt es bei FFF bis heute nicht. Weder ist Greta Thunberg gewählte Repräsentantin aller FFF-Gruppen, noch ist der "internationale" Instagram-Account legitimiert, im Namen der gesamten Bewegung Beiträge zu verfassen.

Beide fielen nun mit ihrer entlarvend einseitigen Haltung zum Nahostkonflikt auf. Thunberg fand keine angemessenen Worte für das schlimmste Massaker an Jüdinnen und Juden seit dem Holocaust und in dem sozialen Netzwerk verbreiteten FFF-Aktivisten israelfeindliche Verschwörungstheorien. Dem Kampf gegen die globale Erderwärmung erwiesen sie damit einen Bärendienst.

Der deutsche Ableger der Klimabewegung tickt bei diesem Thema jedoch anders. Bundessprecherin Luisa Neubauer zeigt immer wieder Haltung, wenn es um Antisemitismus und Israelhass geht – und weiß dabei den Großteil der deutschen Klimaaktivisten hinter sich. Auch jetzt distanzierte sich FFF Deutschland deutlich von den Ansichten der internationalen Gruppe. Was bisher aber fehlt, ist klare Kritik an Greta Thunberg.

Der offensichtlichste Grund für diese Leerstelle: Man fürchtet den offenen Bruch mit der Gründerin und bekanntesten Vertreterin der Bewegung. Darauf müssen es die deutschen Klimaschützer aber ankommen lassen. Wagen sie diesen Schritt nicht, droht ihnen die wichtigste Währung abhandenzukommen, die sie haben: die Akzeptanz in weiten Teilen der bundesrepublikanischen Politik und Öffentlichkeit.

Mit einer Distanzierung von der Klima-Ikone auf Abwegen würde aber nicht die Notwendigkeit einhergehen, die Bezeichnung "Fridays for Future" abzulegen, wie manche nun fordern. Andersherum wird ein Schuh draus: Der Name steht wie kein anderer für den Kampf junger Menschen gegen die Klimakatastrophe. Verdient haben ihn vor allem diejenigen, die sich wirklich im Sinne dieses Zieles verhalten. Wenn Thunberg das nicht mehr tut, ist öffentliche Kritik seitens hellsichtigerer Klimaaktivisten nötig. Der Name "Fridays for Future" gehört ihr aber nicht.

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