Noch immer beherrscht der Abschiebepakt mit Ruanda die britische Innenpolitik. Vor Weihnachten konnte Premier Sunak eine Rebellion des rechten Flügels seiner Konservativen verhindern. Nun kommt es zum Showdown. Der Regierungschef benötigt im Wahljahr dringend Erfolge.
Zum Start des Wahljahrs weht dem britischen Premierminister
Die Rechten betonen, nur ein besonders hartes Vorgehen werde den Tories helfen, den gewaltigen Rückstand in den Umfragen auf die sozialdemokratische Labour-Partei aufzuholen. Votieren am Mittwochabend mindestens 28 Tory-Abgeordnete gegen den Entwurf, scheitert das Gesetz - und Sunak würde in eine schwere Krise stürzen.
Dabei geht es um das Vorhaben der konservativen Regierung, irregulär eingereiste Migranten ohne Prüfung ihres Asylantrags und ungeachtet ihrer Herkunft nach Ruanda zu schicken. Sie sollen in dem ostafrikanischen Staat, dem Kritiker Menschenrechtsverletzungen vorwerfen, um Asyl bitten. Eine Rückkehr nach Großbritannien ist ausgeschlossen. Dazu soll Ruanda qua Gesetz zum sicheren Drittland erklärt werden. Eine weitere richterliche Überprüfung unter Berufung auf Menschenrechte in Großbritannien soll ausgeschlossen werden.
Ruanda-Pakt ist zentrales Versprechen von Sunak
Kritiker des Vorhabens sind empört, darunter das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen. Sie werfen der Regierung vor, die Pläne, mit denen Migranten von einer Fahrt in kleinen Booten über den Ärmelkanal abgeschreckt werden sollen, verstießen gegen Verpflichtungen zum Schutz von Asylsuchenden. Sunak weist alle Vorwürfe zurück. Es sei Wunsch der Wähler, das Problem ein für alle Mal zu lösen. Zuletzt war die Zuwanderung nach Großbritannien deutlich gestiegen. Das liegt auch an der britischen Migrationspolitik seit dem Brexit, so hat London seitdem keine Rücknahmeabkommen mehr mit der EU.
Der Ruanda-Pakt wurde einst vom damaligen Premier Boris Johnson erdacht - nach Ansicht von Kritikern nur, um vom "Partygate"-Skandal abzulenken. Gegner des Vorhabens verweisen darauf, dass die Regierung bereits mehrere Millionen Pfund an Ruanda gezahlt hat, ohne dass dort ein Mensch angekommen ist. Von einem politischen Trick spricht die Labour-Partei. Der genaue Termin für die britische Parlamentswahl steht noch nicht fest, gerechnet wird aber mit einer Abstimmung im Herbst.
Für Sunak ist das Abkommen mit dem autoritären Präsidenten Paul Kagame ein zentraler Baustein bei seinem Versprechen, die Zahl der Migranten zu senken. Am Dienstag bestätigte Sunaks Sprecher, dass bis Frühling die ersten Abschiebeflüge abheben sollen. Um Verfahren zu beschleunigen, sollen eigens Richter abgestellt werden. Dennoch können es sich Experten nicht vorstellen, dass der Plan funktioniert.
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Innerhalb der Tories droht die Revolte von rechts
Vor allem aber muss Sunak den Widerstand in den eigenen Reihen überwinden. Prominente Rechtskonservative wie Ex-Innenministerin Suella Braverman und der frühere Migrations-Staatssekretär Robert Jenrick kündigten an, sie würden gegen das Gesetz stimmen, falls Sunak nicht auf ihre Änderungswünsche eingeht.
Der rechte Flügel der Konservativen fordert, dass auch ein Einspruch vor internationalen Gerichten wie dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof nicht mehr möglich sein dürfe, der im Juni 2022 einen Abschiebeflug in letzter Sekunde verhindert hatte. Ansonsten gäbe es zu viele Schlupflöcher. Doch Sunak und die moderaten Kräfte lehnen das ab - aus Angst, internationale Abkommen zu brechen. Sie machen geltend, es handle sich bereits um die schärfste Gesetzgebung der Geschichte.
Der öffentliche Druck auf Sunak ist groß, zuletzt hatte eine Umfrage im Auftrag des "Telegraph" seinen Tories schwere Verluste vorhergesagt und die Migrationsfrage als zentrales Thema genannt. Am Dienstagabend legten die stellvertretenden Parteigeschäftsführer Lee Anderson und Brendan Clarke-Smith ihre Ämter nieder, um sich den Rebellen anzuschließen. Analysten sprachen von einem "Bürgerkrieg" innerhalb der Tory-Partei. "Es sieht so aus, als würde es chaotisch werden und Schaden hinterlassen", kommentierte der Sender Sky News.
Die Abstimmungszahlen vom Dienstagabend dürften die Sorgen in der Downing Street vergrößern. Sunak hat zum Start des Wahljahres einen Erfolg bitternötig. Eine Niederlage dürfte seine Autorität deutlich schwächen. Doch selbst wenn er das Ruanda-Votum gewinnt, wäre der Streit innerhalb seiner Partei noch lange nicht vorbei. (dpa/thp)
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