Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) hat seine Regierungserklärung am Freitag im Nationalrat dazu genutzt, um den Kompromiss als "Erfolg für das ganze Land" zu loben. Ähnlich Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ), der zudem die Abgrenzung zur FPÖ wiederholt hervorstrich. Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (NEOS) stimmte die Bevölkerung auf "durchaus zwei harte Jahre" ein. Von FPÖ-Obmann Herbert Kickl kam Kritik, er attestierte der Koalition "Feigheit vor dem Souverän".

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Diese "vielleicht schwierigste" Regierungsbildung sei nur möglich gewesen, "weil alle drei Parteien über ihren Schatten gesprungen sind", erklärte der neue Kanzler. Das Programm der Dreierkoalition sei "eine Mischung aus Bewährtem und Neuem". Bewährt habe sich in der Vergangenheit in den entscheidenden Momenten der Republik der Konsens der konstruktiven Kräfte, sagte Stocker und verwies auf die Zusammenarbeit zwischen ÖVP und SPÖ nach Ende des Zweiten Weltkriegs, als Wegbereiter des Wirtschaftswunders und des Beitritts zur Europäischen Union.

Stocker - trotz Erkrankung am Podium - brach auch eine Lanze für die Sozialpartnerschaft als "österreichisches Unikat auf der Weltbühne", mit dem Konflikte zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern von der Straße an den Verhandlungstisch verlegt wurden. Neu sei die Konstellation im Dreierformat, wodurch die Koalition stabiler und breiter werde und einen zusätzlichen Blickwinkel erhalte.

Regierung steht vor "historischen Herausforderungen"

Der Bundeskanzler sprach von historischen Herausforderungen, vor denen die neue "Regierung der Mitte" stehe, angesichts der schwierigen Budgetsituation und der geopolitischen Lage.

Aus dem Regierungsprogramm betonte der ÖVP-Chef insbesondere den Kampf gegen die illegale Migration und den Missbrauch des Asylsystems, die Stärkung von Innerer Sicherheit und Landesverteidigung, die Stärkung des Wirtschaftsstandorts, die Unterstützung der Landwirtschaft und der Familien durch leistbaren Wohnraum und gute Bildung sowie eine klare proeuropäische Ausrichtung.

Babler "feiert" Kompromissfähigkeit

Babler bezeichnete sich in seiner Antrittsrede als jemand, "der die Demokratie und die Kompromissfähigkeit feiert". Das Zustandekommen der Dreierkoalition sei lebendiger Ausdruck, dass man das große Ganze hochhalte. Und: "Es ist viel mehr, als dass wir gegen eine FPÖ-geführte Regierung agiert haben." Nichtsdestoweniger warnte er vor den Freiheitlichen. Herbert Kickl hätte nicht nur "die Axt an die Wurzeln der Demokratie gelegt", sondern wäre "gleich mit der Kettensäge" vorgegangen.

Die Bevölkerung stimmte Babler auf mindestens zwei harte Jahre ein. "Ich verrate Ihnen kein Geheimnis, wenn ich Ihnen sagen, leicht wird das alles nicht." Doch dann werde alles besser, versprach er: "Stellen wir uns vor, wie Österreich sein kann, wenn wir unsere Pläne umsetzen." Banken, Stiftungen und Immobilienriesen würden zur Kasse gebeten, und das Wohnen werde nachhaltig billiger. "Illegale Zuwanderung werden wir ordnen und eindämmen, nicht nur krakeelen", versprach Babler in einem weiteren Seitenhieb auf die FPÖ.

Meinl-Reisinger plädiert für Zuversicht

Die neue Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (NEOS) meinte, das Arbeitsprogramm sei "kein Kompromissprogramm", auch wenn man aufeinander zugegangen sei. Aber "wir sind auch darüber hinausgegangen", betonte sie. Als wichtige Punkte nannte sie etwa den vereinbarten Nachhaltigkeitsmechanismus bei den Pensionen, die geplanten Maßnahmen im Bildungsbereich, die Entlastung des Unternehmertums, Integrationsmaßnahmen sowie die geplante Bundesstaatsanwaltschaft.

Auch mit dem Konsolidierungspfad denke man weit über die Legislaturperiode hinaus. In puncto Budget stimmte Meinl-Reisinger die Bevölkerung auf "durchaus zwei harte Jahre" des Reformierens und des Konsolidierens ein. Wichtig sei es, den wirtschaftlichen Aufschwung zu schaffen, um den Wohlstand und die Sozialsysteme für die Zukunft zu sichern. Ziel müsse sein, den Menschen "den Glauben an die Zukunft zurückzugeben". Auch international plädierte die NEOS-Chefin trotz der aktuellen Widrigkeiten für Zuversicht und Selbstbewusstsein: "Wir sind ein starkes Land in einem starken, selbstbewussten Europa".

Kickl: "Regierung der Wahlverlierer"

FPÖ-Obmann Kickl höhnte in seiner Rede angesichts der dicht besetzten Regierungsbank über die "teuerste Regierung aller Zeiten". Es sei eine "Regierung der Wahlverlierer" und der "Zusammenschluss von Neuwahlflüchtlingen". Einziger Grund für die Existenz des Dreierbündnisses sei die Angst vor den Wählern, der Freiheitlichen Partei, vor klaren Verhältnissen und vor Veränderung im Land: "Feigheit vor dem Souverän, das ist die DNA, das ist der Kitt dieser Regierung."

Als Wahlsieger habe die FPÖ mit der ÖVP hart gerungen, aber: "Sie wollten das alles nicht, weil das wäre ja zu viel echte Veränderung." Die nunmehrige Koalition feiere sich jetzt, aber sie werde noch erkennen, "dass Sie momentan das eigene Begräbnis abfeiern". Kickls Botschaft: "Die Volkskanzlerschaft, sie kommt, so sicher wie das Amen im Gebet." Dies sei nicht zu stoppen, und "dann beginnt die Befreiung".

Wöginger: Kickl als "Will-nicht-Kanzler"

ÖVP-Klubchef August Wöginger ließ all das nicht gelten. "Du bist ein Will-nicht-Kanzler", hielt er Kickl entgegen. "Du hast die Chance gehabt, du hast die Chance verspielt."

Er attestierte dem FPÖ-Obmann Allmachtsfantasien und dass er immer mit dem Kopf durch die Wand wolle: "Genau das war das Problem."

Enger ist es nun auf Regierungsbank

Die neue Regierung präsentierte sich bei der Sondersitzung erstmals den Abgeordneten des Nationalrats. Der Medienandrang war dementsprechend groß, ebenso auf der Besuchergalerie, wo unter anderem Bundespräsident Alexander Van der Bellen und dessen Vorgänger Heinz Fischer die Regierungserklärung verfolgten. Eng war es auch auf der Regierungsbank. Um die nunmehr 14 Ministerinnen und Minister sowie 7 Staatssekretäre unterzubringen, mussten die bisherigen Stühle durch schmalere ersetzt werden.

Zu Beginn der Nationalratssitzung wurden insgesamt zwölf infolge der Regierungsbildung nachgerückte Abgeordnete angelobt. Für vier der sechs ÖVP-Abgeordneten - Rudolf Taschner, Irene Neumann-Hartberger, Friedrich Ofenauer sowie Johann Weber - war es ein Comeback in den Nationalrat, neu sind Thomas Elian und Jakob Grüner. Bei der SPÖ rückten Muna Duzdar und Elisabeth Feichtinger als bekannte Gesichter, Bundesgeschäftsführer Klaus Seltenheim und Manfred Harrer als Neulinge nach. Erstmals als Abgeordnete eingezogen sind auch die beiden pinken Nachrücker Janos Juvan und Ines Holzegger. (APA/bearbeitet von fte)